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Johann Gottlieb Fichte to Johanna Fichte

Berlin, d. 6. Jul. 1799.
Sonnabends.
Ich habe Dich innigst bedauret, gute theure Seele, daß Du so lange ohne Briefe von mir [hast] seyn müssen. Auch diesen wirst Du erst in 9 Tagen, also d. 15. Jul. erst, erhalten. Aber dies liegt an den Posten:
bis Mittwoch Morgens, wo ich den Abend allhier ankam, wird mein Reisebegleiter Dir unsre Reise ausführlich beschrieben haben. Mittwoch hatte ich einen mühseeligen Tag unter der größten Sonnenhitze, in den Brandenburgischen Sandwüsten, die den Arabischen ohne Zweifel nichts nachgeben; u. von Potsdam aus hatte ich den Verdruß, daß mir unter allerhand Vorwänden auf den Posten eine Menge G<e>ldes abgenommen wurde. In diesem Lande muß man ja nicht Extrapost reisen, wenigstens nicht in der Nähe der Residenz.
Seit Mittwoch Abends bin ich in Berlin, dieser ungeheuren, staubigten, ermüdenden Stadt. Auch gut. Ich werde deswegen mich desto mehr zu Hause aufhalten. – Mein Logis wäre freundlich genug, aber – denke Dir das Unglük – voll gewisser Thiere, deren Name [/] sogar mich anstinkt. Beklage ich mich darüber, so antwortet man mir, daß dies allhier in allen Häusern der Fall sey! Armes Berlin, falls dieses wahr ist. Jedoch werde ich, falls ich länger als diesen Monat hier seyn sollte, den Versuch anstellen, ob ich nicht ein Quartier mit weniger W… haben kann.
Was macht unser lieber Kleiner? Es bedarf nicht der Bitte, auf ihn ja recht Acht zu haben, das thu[s]t Du liebes Weib ohne meine Erinnerung. Doch thue ich meinem Herzen die Gnüge, Dich innigst zu bitten, ja auf seine moralische Bildung die höchste Sorgfalt zu wenden, seinen kleinen Eigensinn ja nicht aufkommen zu lassen, ihn die Dnathe ja nicht mishandeln zu lassen. Er muß ja nun wieder gesund seyn, und da schadets ihm nicht, wenn er auch ein wenig weint.
Wann hat er den ersten Ausgang gehalten? Schreibe mir dieses ja; u. gedenkt meiner am 18ten July den ich mit Liebe, u. Andenken an euch mit meinen Freunden feiern werde.
Leb wohl, gute theure. Grüße alle, die sich mit Liebe meiner erinnern, besonders die Oberstin, u. ihre Söhne.
Hoff soll 2. Carolins des Monats haben; oder noch mehr, wenn er mehr fodert.
Das ist ganz billig.
Fichte
Pour Madame Fichte
à
Jena.
Metadata Concerning Header
  • Date: Samstag, 6. Juli 1799
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Johanna Fichte
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 4: Briefe 1799–1800. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1973, S. 9‒10.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 158
Language
  • German

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