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Johanna Fichte to Johann Gottlieb Fichte

6ter Brief.
Jena d: 28. Julius 99.
Da es mein einziges, und größtes Vergnügen ist, Di[r zu schrei]ben, so ergreife ich jede Gelegenheit:
Gestern sah ich Koppenfelsens, bey Griesbachs, welche Dich herzlich grüßen laßen; Griesbach soll ihnen gesagt haben, daß es ein unglük für Jena sey, daß es an Dir einen nüzlichen, talentvollen Mann verlohren hat, durch Dein weggehn.
In Paris scheint es wieder zu gähren, die Jacobiner halten öffentlich ihre Versammlungen, und das Volk will keinen Jacob: wenn sie sich im inneren aufreiben, so wird der in Menge zuströmende Feind Meister, in Italien haben sie fast alles verlohren, u. Macdonald denkt schon drauf, wie er sich in der Noth auf Schiffen zurük ziehe, u: fürchtet dort von den Engeländern gekappert zu werden.
Wie steht es Bester, mit Deiner Gesundheit? was Du an Hartb: schreibst macht mich ängstlich; denn es ist gewis sehr schlimm, daß der Husten, immer fortdaurt; war es Dir denn nicht etwas beßer nach dem Pechpfl: ich bitte Dich um Gottes willen schone Deiner theuren Gesundheit.
Tiec ist noch hier, und geht denn für lange nach Giebigenst: auch will er diesen Winter mit seiner Frau hier leben; Fromann hat mir erzehlt, daß die Berliner um ein Gastmahl zu halten, erst 8: Tage hungern; i<ch> konnte mir wohl vorstellen, daß es so sey, um mit 800: th: auszukommen. Schelling hat so viel Gründe, warum Du den K: nicht besuchen sollest, daß ich sie wegen ihrer Triftigkeit, nicht einmahl dem Papier an vertraue; ja wenn er ein Mann von Kopf und Energie wäre, so wäre es das beste, da er aber völlig das gegentheil ist, so sey es gefährlich; Du bist ja bey der Quelle. Könnten wir nicht in Schlesien, bey <Fis>chern leben? Dazu braucht man ja nur den dortigen Minister zu haben, was ist denn dies für ein Mann? kennt ihn Niemand? und kann Niemand auf ihm wirken; ach hätte man nur dahin zu <intereßieren> gesucht, als er da war, und man hätte Dir eine Stelle im preusischen verschaff, dadurch wären wir versorgt, und Jena bekämm eine rechte Nase. Doch gedult, ich will sie gerne haben, wenn nur Du sie nicht verliehrst. Doch was würde Ungedult helfen; nichts, sie würde uns nur, in noch größeres Unglük stürzen; bleibe Du nur gesund mein the[u]rster, so wie ich mir auch alle Mühe es zu bleiben gebe, nebst unserm lieben Hartmann; der es mir doch gottlob, je länger, je mehr zu werden scheint; ich rechne darunter aber sehr, daß alles äußere, nicht nachtheilig auf ihn wirke; doch muß ich sehr behutsam sein, denn für die Kälte, ist er izt sehr empfindlich geworden, und in dieser Absicht geht es sehr langsam, mit der völligen Beßerung.
Ich werde Dir nächsten’s 4: Briefes durch die Poost schiken, mit einem unbedeutenden, von mir, worunter auch einer von der Ilgin kommt, welche Kochen zu ihrem Confidenten gebrau<cht> hat; ich wollte Kochen, Deine Addresse nicht geben, welcher sie dringend von mir für Jemandem verlangte, weil ich nicht wußte, was man Dir für unnöthiges Zeug schreiben wollte, welches Dich, da die Briefe erbrochen werden, in Verlegenheit sezen könnte.
Ach schreibe mir doch bald einen vertrauten Brief, damit ich nur auch wiße, wie es Dir geht, und wie die Sachen stehn; denn diese Ungewißheit, in mancher Rüksicht, drükt mich sehr. Durch Gabl[e]rn werd ich nächsten’s, das Buch, nebst dem Aufsaze schiken können.
Lebe wohl Beste, theurste Seele, und behalte Deine Frau, und Dein Kind, in Deinem Herzen.
An Fichte.  
Metadata Concerning Header
  • Date: Sonntag, 28. Juli 1799
  • Sender: Johanna Fichte
  • Recipient: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 4: Briefe 1799–1800. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1973, S. 22‒23.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 161
Language
  • German

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