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Johann Gottlieb Fichte to Johanna Fichte

Berl. d. 2. August. 99.
So eben erhalte ich Deine N. 5. Du wirst gestern von mir einen Brief vom 27. Jul. erhalten haben, der mein N. 5. Dieser also
N. 6.
1.) Ich bleibe ohne Zweifel den Winter in Berlin. Vielleicht können wir, wenn Du herkommst, u. wir eine Haushaltung anfangen, wohlfeiler leben. Die ersten Lebensmittel, Brod, Fleisch, u. dergl. sind wohlfeiler als in Jena, und die Theuerung, mit der ein einzelner Mensch lebt, kann nur daher kommen, daß die Leute hier nicht wie die in Jena, umsonst arbeiten. Dazu habe ich einen Plan, wovon sogleich mehr.
In Berlin zu bleiben räth mir theils die Sorge, nicht wieder in meiner gegenwärtigen Lage Geld für die Reisekosten auszugeben, welches kaum von einer grossen Wohlfeilheit des Ortes wieder zu gewinnen wäre. Im Erzgebürge z. E. ist es auch sehr theuer. Dann der Grund, den Du selbst anführst, – gehe ich bald von Berlin, so sagen meine Verfolger, daß man mich vertrieben. Auch muß mir der Aufenthalt an einem so grossen Orte, als Berlin, über kurz oder lang, vortheilhaft für meine Reputation werden. – Ich bin hier vollkommen sicher. Ich habe gestern den CabinetsRath Beyme, d. h. den Mann, der täglich mit dem Könige arbeitet, und der Kopf dieses Herrn ist, besucht, u. ihn über meine Lage gesprochen. Ich habe ihm aufrichtig heraus gesagt, daß ich hieher gekommen, um hier zu bleiben, u. daß ich Sicherheit begehre, indem ich im Begriff sey, meine Familie nachkommen zu lassen. Er hat mir versichert, daß, weit entfernt, mich in diesem Vorsatze zu stören, man es sich zur Ehre, und zum Vergnügen schätzen werde, daß ich meinen Aufenthalt hier nähme: daß der König über gewisse [/] Grundsätze, worin diese Frage einschlage, unerschütterlich sey, u. s. w.
Ich bin daher fest entschlossen, hier zu bleiben, wenigstens bis Ostern: und es hängt von Dir ab, mir, sobald Du kannst, nachzukommen. Wenn ich es recht bedenke, so hättest Du allenfals auch in meinem jetzigen engen Logis bei mir Platz.
2). Mein Plan ist der. Friedrich Schlegel, der mit der sehr interessanten Jüdin, Mad. Veit, von der ich Dir schon geschrieben habe, vereinigtlebt (dies unter uns: es ist Geheimniß), will den Winter nach Jena; und ich kann dies nicht wünschen, noch zu lassen; ich bin dann in Berlin völlig verlassen. Ich möchte sonach daß er hier bliebe. Dies kann er aber aus mir einleuchtenden Gründen nur, wenn Willhelm Schlegel, mit seiner Familie nach Berlin kommt, und ich arbeite mit daran, es dahin zu bringen. Reüssirt dies, so machen wir, d. h. die beiden Schlegels, Schelling (der dann auch hierher zu bringen seyn möchte, [)] und wir, Eine Familie, miethen Ein grosses Logis, halten eine Köchin, u.s.w. u. so denke ich, soll es sich recht gut leben. Thue das Deinige bei der Schlegelin, an welche ich mit dieser Post zugleich schreibe, es dahin zu bringen.
Was sagst Du zu diesem Plane? Vor der Schlegelin fürchte Dich nur nicht. Sie ist in der That keine üble Frau; u. sollte sie sich das geringste ausnehmen, so kann ich mir bei ihr selbst, bei Friedrich Schlegel, und bei seiner Freundin soviel Ansehen zutrauen, daß wir sie wohl in die gehörigen Grenzen bringen wollen. Die Veit ist die Güte, und Sanftmuth selbst, und diese wird Deine Freundin ganz sicher. [/]
3.). Wegen hiesiger Vorlesungen kann ich noch nichts beschliessen: ich bin aber weit entfernt den Plan völlig aufzugeben, seit ich mit Beyme gesprochen habe. Wir werden sehen, und ergreifen, alles was sich mir vortheilhaftes dar bietet. Ist es nicht, so zweifle ich nicht, durch Schriftstellerei zu verdienen, soviel wir verzehren. Zur Bereicherung möchte sie freilich nicht hinreichen.
4.). Daß das Haus verkauft werde, halte ich für nothwendig. Wir werden das Geld brauchen, um uns hier einzurichten. Hausrath ist hier wohl alt zu kaufen, aber nicht gerade vortheilhaft. Verlust ist dabei immer, wie man mir sagt. Auch kann man welchen besonders miethen; aber auch theuer. Das vortheilhafteste bleibt, sich selbst zu meubliren. Aber ich habe dazu kein Geld; noch Du: es muß daher das Jenaische Haus verkauft, oder verpfändet werden. Dies alles überlasse ich Dir, und nur diese Arrangements noch können Dich in Jena zurük halten.
– Wegen des etwa bei einer Abreise zu befürchtenden Abzugs werde ich mich in Sicherheit setzen.
5.). In Auctionen können, wie man mir sagt, Privat Personen fast nicht kaufen. Das kaufen alles die Trödler weg.
Was acc<ie>sbar ist, werde ich mich erkundigen. Die Betten brauchst Du mir jezt nicht zu schiken. Ich gebe 3. Ldor. für mein Zimmer; und habe ein gutes Bett: und ich würde warscheinlich dasselbe geben müssen, auch wenn ich mein eigenes hätte. Diese <sind> nun einmal, wie ich nun sehe, bei chambres garnies, und es macht den Leuten keinen Unterschied.
5.). Wegen der Medaille kann ich nicht rathen, aber aufrichtig berichten. Haben die Studenten eine so grosse Summe, als Du schreibst, zusammengeschossen, so ist das sehr hinlänglich. Nur müssen sie ja eilen. Eine Medaille ist nicht sobald verfertigt.
Abramson hat mich hier mehreremale auf gesucht; zulezt getroffen: mich dann auf der Strasse getroffen, und genöthigt, doch zu ihm zu kommen, daß ich es endlich [/] nicht unterlassen konnte, ohne äusserst grob zu erscheinen. Ich bin sonach allerdings bei ihm gewesen. Darauf nöthigte er mich zu ihm zu Tische: abermals unter Umständen, die mir es unmöglich machten, es abzuschlagen. Er hat mein Bild wieder bearbeitet; ob es jezt ähnlicher ist, kann ich nicht beurtheilen. Er hat mir im Vertrauen seine Unterhandlung mit den Jenaischen Studenten mitgetheilt; und er zeigte viel Gierigkeit, daß es zu Stande kommen möchte.
Es ist hier noch der Medailleur Loos, au<s> welche<m> mehr gemacht wird <als aus> Abramson. Haben denn die Stud. nicht an diesen geschrieben? Ich weiß nicht, ob er porträtirt: habe aber in diesem Augenblike fortgeschikt, um es zu erfahren.* Ich bin erbötig dem, der Aufträge von den Studenten hat, zu sitzen.
Kurz; ich kann nicht rathen. Bei Abramson, dessen Bedingungen mir auch nicht zu h<ar>t scheinen (doch bescheide ich mich, dies nicht zu verstehen) wäre es das kürzeste, wenn das neue Bildniß getroffen ist, was ich abermals nicht wissen kann.
6.). Hardenberg grüsse, und danke ihm herzlich. Seinen Verwandten werde ich vielleicht besuchen; wenn ich wissen werde, ob ich es, ohne Verdacht zu erregen, thun kann.
Aber, was machst Du Gute, daß Du mit H. Dich in einen Briefwechsel einläßest. Es schmerze Dich nicht, meine Gute, aber ich muß es Dir sagen, damit Du Dich hütest; Deine Schreiberei wird immer schlimmer. Die Orthographie wird sowenig geschont, als die Delicatesse des Ausdruks. Du theure Seele; Du hattest so viele Geschiklichkeit bei Lebzeiten Deines seeligen Vaters: Warum willst Du denn, weil die Griesbachin, u: andere Gänse, schlecht schreiben, Deine treflichen Gaben, und Dein Erworbnes vernachlässigen?
Sieh, ich schmäle: aber werde nur nicht böse, denn ich meine es in der That gut.
* Loos porträtirt nicht. Dieser Umstand, ein Porträt von mir zu haben, wird denn wohl der bedenklichste seyn.
Metadata Concerning Header
  • Date: Freitag, 2. August 1799
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Johanna Fichte
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 4: Briefe 1799–1800. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1973, S. 26‒29.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 162
Language
  • German

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