Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
TEI-Logo

Johanna Fichte to Johann Gottlieb Fichte

Jena d 4: Aug: 99:
7ter Brief.
Ich habe Deinen 2ten Brief durch Schelling richtig erhalten, Bester; bin aber nicht wenig erschroken, da ich sehe, daß Du in Berlin nicht lesen kannst; Ach Gott, ich fühle was alles daraus folgt, daß ich mit einem Worte, diesen Winter noch hier bleiben muß; wenn das aber der Sache hilft, so will ich auch dieses Opfer bringen; in so ferne hilft es immer, daß wir dadurch weniger verarmen. Freylich wäre es sehr gut, wenn Du einen Ruf nach Heidelberg bekommen könntest; man braucht ja nicht gleich zu gehn. Der Vorschlag von Hartenberg, sich zu verbergen, ist freylich in so ferne gut, und darauf war auch nur gerechnet; im Falle Du in B: nicht bleiben könnest; auch weiß ich nicht, ob dieses Verbergen, Dir izt nicht sonsten schaden könnte, wenn Du nicht dazu gezwungen bist; wir müßen Gedult haben, und ich hoffe beßere Zeiten, wenn die Wuth sich gelegt, und Deine neuen Schriften heraus kommen, die doch vielen die Augen öfnen werden; ich muß aufrichtig gestehn, ich glaube es wäre beßer gewesen, Du wärest hier geblieben, und hättest in der Stille gearbeitet, auch haben sie Dich immer noch gefürchtet, als Du da warst, immer gefürchtet, die Sache werde wieder vermittelt werden, und Du werdest wieder lesen; das merke ich aus ihrem Frohloken, aus ihrem ganzen Geschwäz, da Du weg bist. Forberg hat noch seinen Posten, und wird ihn auch behalten; sie hätten sich nicht getraut, Dich gehn zu heißen; Du wirst mir sagen, was hätte ich für ein Leben gehabt; aber Theurer, wie ist das kostbahre Leben, das Du izt hast? man sagt hier der Herzog hätte Dir wißen laßen, Du möchtest gehn, wie wäre es, wenn Du öffentlich bekannt machest, daß man dem Herzoge darin unrecht thue, und um dieses zu beweisen, wollest Du wiederkommen, ich bitte Dich, thue mir den Gefallen, und denke drüber nach; wenn man mich frägt, ob Du in Berlin bleibest, so sage ich immer, Du seyest nur hingereist, zu Deiner Erholung. Ich weiß nicht, aber wenn Schelling weg gehn kann, so wirst Du sehn, wie ihnen die Augen auf gehn werden; wie es denn mit der Universität aussehn wird; izt sind nur 530: St: da, und auf Michelj gehn vort, denn sie relegieren izt 16: auf einmahl, und Loder soll ganz despotisch verfahren, so daß große Unzufrieden. herscht; mit mir ist Jedermann höflich, man scheint mich eher zu bedauren; ich lebe stille, mache dann, und wann besuche, und gehe für unsrer beyden Gesundheit täglich spazieren, mit unserm Hartmann.
Um wieder auf Heidelberg zu kommen, ich glaube Du solltest diese Stelle, um jeden Preis zu erhalten suchen; und wenn es bekannt wäre, Daß Du sie hättest, denn wieder hierher kommen, unter dem Vorwande das Haus zu verkaufen, und da sich das nicht so geschwinde verkaufen läßt, so bleibt man unterdeßen hier, bis in dortiger Gegend Ruhe ist; denn nirgends leben wir wolfeiler, als hier, das bleibt [/] ausgemacht: 2tens inponniert man hier den Menschen immer noch durch sein voriges Leben, welches man an keinem Fremden Orte kann, besonders in einer solchen Lage, wo man immer fragen muß, wollt ihr mich auch dulden; 3tens können wir, wenn wir die Oberstin im Hause behalten, immer ein gewißes Haus machen; und können mit 600: th: leben; denn entweder gehn wir bey ihr am Tische, sie kocht gut, oder gefällt Dir dieses nicht, so halten wir ein Mägdchen, und laßen das Eßen holen: und hast Du wieder einen Ruf irgend wohin, so werden sie Dir den Hoff machen; und alle Schurken kriechen wieder in die Mauslöcher; denn wenn Berlin keinen andern Vortheil hat, als daß man teuer, und unangenehm dort lebt, so muß man gehn, so bald man kann. Ich danke Gott, und Dir lieber Fichte, daß Du nicht nach Frankreich gegangen, denn ich müßte izt vor Angst vergehn, Deinetwegen, und würde hier gewis relegiert werden; denn man scheint hier gegen alles was mit Frankreich in Relation steht, je länger, je mehr sich empöhren zu wollen, auch sollen die französischen Müzen, cocarden, und alles was ihnen ähnlet verbothen werden, wie man sagt.
Du wirst sagen Lieber, ich mache mir unnöthige Angst, stelle mir alles schlimmer vor als es sey; Du weist, daß ich von der Reise nach Berlin, keine besondern Erwartungen hatte, und nun ist alles dort, noch schlimmer, als ichs mir vorstellte; auch schleicht hier unter einigen schon das verwünschte Gerücht herum, daß Du in den preussischen Stadten nicht bleiben könnest; ich schreibe Dir dieses nur, weil ich Dir alles schreibe.
Nicht wahr Theure Seele, ich werde wohl diesen Winter so ausharren müßen, sag es mir nur frey heraus; die Oberstin will diesen Winter, und denn wohl noch länger im Hause bleiben, da werd ich ziemliche Reperaturen haben, mit Fenstern, und dergleichen, das ist nicht zu ändern; für einmahl ist das Haus nicht beßer zu benüzen; wenn Du mir einen beßern Rath weißt, ach wie gerne werd ich ihn hören.
Schard läßt Dich herzlich grüßen, seine Arbeit ist unter der Presse, mit der Censur [/] hat er Mühe genung gehabt; ein ander ähnliches Werk soll bey Henning herauskommen, von wem, weiß ich nicht. man freut sich hier sehr, über Deine Bestimmung des Menschen; welche man auf Michelj erwartet. Das was ich Dir von Streubern gesagt habe, ist wa[h]r, auch versprach er mir einen Brief für Dich, den er nicht geschikt hat.
Ich gieng allso gleich zu Schüzens selber, und ließ deutlich merken: daß man sich das Verliehren dieses Briefes verbitte; deutete aber dabey auf Huffeland, welcher oft die B[r]iefe an die L: allein erbricht; Schüz hat mich durch seine Fr: versichern laßen, daß er keinen erhalten, u selber deswegen an Dohm schreiben wolle; ich glaube es ist das beste, wenn Du an Dohm schreibst, wie es gegangen, denn hier will Niemand nichts wißen, und durch Dohm kann man die Wahrheit am besten erfahren. Die Kalbin soll izt, auf ihre Güter sein, mit dieser Fr läßt sich glaub ich nicht viel machen, sie ist zu unzuverläßig; Hoff hat noch nicht geantwortet, und Bayer giebt für einmahl Unterricht; läßt herzlich grüßen.
Unser Kleiner ist gottlob immer gesund, und ich habe nun angefangen, ihn täglich mit kaltem Waßer zu waschen; ich rede von Dir mit ihm oft, auch hab ich ihm einen Deiner Sommerröke anmachen laßen; worauf er sich viel einbildet, des Vatters Rok zu tragen; wir sind allso gesund, möchtest Du mir nur das gleiche von Dir sagen können Beste Seele, denn die Haubtsache ist auch, daß wir alle 3: gesund bleiben, und besonders daß Du gesund bleibest; wie stand es denn mit Deinem Husten, gleich nach dem Pechpf[l]aster? sag mir dies doch aufrichtig, damit man nur einigermasen, die Ursache des ewigen Husten’s erfährt; waschest Du Dich noch mit kaltem Waßer? auch wir haben hier nichts als windigtes Wetter; wie geht es Dir mit Deiner Suppe, am morgen? der grüne Käse ist sehr gesund.
Die Zeitungen sagen, daß Siéyes Tag und Nacht arbeite, sich aber zu ruhig, bey den stürmischen Zeiten halte, die Jacobiner, und Rojalisten, treiben ihr Wesen, und das Dire[c]torium hält sich zu leidend, in der Schweiz wird bald eine Haubtschlacht erwartet, das Unglük ist, daß sie erst die Ankunft der Rußen erwarten, das ist mir von den Franzosen unbegreiflich. Niethammers reisen nach Schwaben, in 5: Wochen, ob Schelling auch, weiß ich nicht. Briefe hab ich keine mehr, für Dich erhalten, als die welche ich am Freytag unter Deiner Addresse abgeschikt, es deucht mir unverschämt von Cotta, daß Du noch ihren armseligen Streit schlichten sollst, zum Dank daß Du kein Honnorar nahmst; man sollte ihn das fühlen laßen. Lebe wohl Theurste Seele, und schreibe, mir doch fleißig.
Fichtin
Herrn Professor Fichte.
Das Buch von Reinh: und das Mannuscript hab ich durch Gablern heut abgeschikt.
Metadata Concerning Header
  • Date: Sonntag, 4. August 1799
  • Sender: Johanna Fichte ·
  • Recipient: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 4: Briefe 1799–1800. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1973, S. 32‒35.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 164
Language
  • German

Basics · Zitieren