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Johann Gottlieb Fichte to Johanna Fichte

N. 8.
d. 20. August.
Ich habe das lezte mal Dich sehr eilfertig abfertigen müssen, Du gute Seele. Damit dies nicht wieder geschehe, will ich allemal, vom Arbeiten ermüdet, an Deinem Briefe schreiben, bis die Zeit kommt ihn abzuschiken.
Zuförderst über meine Gesundheit. – Ich bin meinen Cathar längst los; und gesünder, als Du mich noch je gesehen hast. Das Pech <P>flaster hatte mir nicht wohl gethan. Es hatte mich verwundet. Ich hatte lange nachher ein Stechen innerlich in der Brust, als ob ich die Schwindsucht bekommen sollte, und wäre vielleicht bald nach meiner Ankunft in Berl. des Catharrs entledigt worden, ohne die Folgen dieses Pflasters. Das Climarf hier ist viel besser, als das Jenaische. Wind, und Staub ist freilich. Aber dieser schadet mir nicht. Seit einiger Zeit haben wir auch endlich warm.
Wegen des Vorsatzes nach Jena zu kommen – wo denkst Du mich denn zu logiren? und was bleibt uns überhaupt von der Oberstin übrig? Daß Du 150 r. aus dem Hause ziehest ist mir recht lieb; aber – ich befürchte, die HäuserPreise in Jena fallen immer mehr, und wir werden zulezt das Haus gar nicht los. – Am liebsten hätte ich meine Stube wieder, welche die Oberstin ja wohl abgeben kann. Das Auditorium, so[wie] die <Kr>iegsche Wohnung muß auch gebraucht werden.
Dagegen, daß der Herzog mich soll haben gehen heissen, kann ich nichts besseres thun, als wiederkommen. Besonders sich darüber zu erklären, geht nicht, da es ja blosses Stadtgeschwäz ist, und nirgends laut gesagt. Auch wäre es nicht meine Schande, sondern Schande für den Herzog.
Eben so wenig kann ich mich über die Anzeige in der A. L. Z. ärgern. Es ist freilich von dem Lumpen, Schütz, schlecht; aber mehr ihm, und der Regierung selbst, als mir nachtheilig.
Was nennt denn dieser Lump abgehen, und wie weiß er denn, daß ich’s bin; das will ich ihnen eben zeigen durch Zurükkunft. Ferner, was hat denn dieser Schwachkopf nöthig, den Voigt, u. d. Weimarische Regierung zu vertheidigen. Haben denn diese ihn zu ihrem Advocaten bestellt! – – Siehe meine gute, ich sehe jezt die Sache so an: daß ich keinen Verweis haben wollte, und mit dem Abschiede drohte, war ganz recht, und meine Sache: es reut mich nicht im geringsten, und ich würde dasselbe in demselben Falle wiederholen: [/] daß sie die Dimission annahmen, ist ihre Sache. Daß sie dabei die Form nicht so ganz beobachteten, gleichfals die ihrige, nicht meine. Ich zürne nicht auf sie: denn ich habe meinen Willen. Ich wollte keinen Verweiß: und ich habe keinen. Dieser Abschied wird mich nicht unglüklich machen.
Ich billige ganz meinen ersten Brief. Ich misbillige bloß den zweiten, den mir Paulus herauspreßte. – So, meine Liebe, denke ich. So habe ich gedacht, als ich kaum aus dieser Jenaischen Höle heraus war; so muß ich denken, u. die Sache ansehen. So werde ich auch bei erster schiklicher Gelegenheit mich öffentlich darüber erklären. – Was meinst Du dazu, liebe Seele?
An Reinhold, u. Jacobi habe ich noch gar nicht geschrieben. Anfangs weil mich ihre dummen Gedanken verdrossen: später, weil ich in meine Arbeiten vertieft war. Jedoch werde ich ihnen nun nächstens schreiben. Daß mein Sendschreiben, das mit der oben angezeigten, sehr natürlichen, und in meiner Lage einzig vernünftigen Denkart, nicht übereinstimmt, nicht gedrukt geworden, ist mir sehr lieb.
Ich arbeite fleißig, und mit Lust. Meine Schrift über die Bestimmung des Menschen wird, denke ich, zu Michaelis fertig geschrieben (noch nicht gedrukt) seyn: u. sie scheint mir zu gerathen. Du weist, daß ich mit meinen Arbeiten nie zufrieden bin, wenn sie zunächst geschrieben sind: weist sonach, daß mein eignes Urtheil über diesen Punkt etwas gelten muß.
Mein Bedienter, der die Krone der Bedienten ist, lies’t meine Hand, und schreibt besser, als je ein Student in Jena es konnte. Wenn er mit mir gehen will, so bringe ich ihn mit nach Jena. Er kostet freilich viel: aber ich gewinne es wieder an ihm.
Wie es mit Heidelberg gehen möchte, weiß ich nicht so recht. Gut wäre es. Aber ich traue sogar Jacobi’n nicht recht. Er muß doch ein heimlicher Aristocrat seyn: und etwas Pfäffisches hat er unstreitig. – Ich werde es jedoch an mir nicht fehlen lassen: und überhaupt hat, da ich sobald nicht hinzugehen gedenke, die Sache keine Eil. [/]
Mein Lebens Plan ist gegenwärtig der. Ich komme, sobald der Abdruk meiner Bestimmung des Menschen vollendet ist, nach Jena; arbeite den Winter meine ReligionsPhilosophie; und, soweit es geht, die neue Bearbeitung meiner Wissenschaftslehre. Ich gebe die erstere auf Subscription heraus. Alles aufs schlimmste gerechnet, wird durch diese Arbeiten soviel verdient, daß wir ein paar Jahre davon gut leben können. (Ich sage auf’s genauste gerechnet. Es ist noch stets mein Glaube, daß mit der ReligionsPhilosophie, wenn es halbwegs gut geht, 5-800 r. verdient werden können.)
Wir gehen zu Ostern irgend wo aufs Land: sey es auch im Herzoglich Sächsischen. Den Winter können wir wieder nach Jena gehen, wenn wir nichts besseres wissen, oder nach Berlin. – Ich habe durch meinen bisherigen Aufenthalt in Berlin wenigstens soviel gewonnen, daß man mich nunmehro allenthalben wird ruhig existiren lassen; und dies ist schon sehr viel gewonnen. Ich wette, daß man mich in jedem andern Lande genekt, und vielleicht verjagt hätte. Nun aber – da ich in Berl. unter den Augen des Königs gelebt habe, ist es ein anderes. Auch soll sich, denke ich, der Weimarische Hof selbst nach und nach schämen lernen; besonders, wenn ich ihm keine gute Worte gebe. – Unterdessen wird sich denn wohl etwas ersprießliches zutragen.
Daß man glaubt, wir seyen so reich, daß wir von unsern Interessen leben könnten, ist recht gut. Dabei laß Du die Leute. Nehmen können sie uns nichts; und geben thun sie noch eher, wenn sie denken, wir haben vollauf.
Also sey Du ruhig, und guten Muths, liebe Seele: u. traue ein wenig auf Deines Fichte Verstand, Talente, und – Glük. Du lächelst bei dem leztern Worte. Laß nur gut seyn. Ich versichere Dich, das Glük wird schon wieder kommen.
Daß das Haus reparirt wird, ist gut. Aber, woher das Geld?
Ich habe alles das Silbergeld, das ich mitnahm, grossentheils auf der Reise verbraucht. Etwa 12 r. brachte ich noch hieher. Dazu nunmehro 20 Ldors. – soeben gehe [/] ich an den Verbrauch der dritten Zehne, die ich wechseln lassen – u. dabei lebe ich nicht köstlich, jedoch lasse ich mir es auch an keiner Nothdurft fehlen. 12. bis 18. Ldor kostet der Monat denn doch.
d. 22.
Es muß bei dem Aufsatze aus Berlin ein Brief gewesen seyn von H. Süvern. Es ist nothwendig, daß dieser Brief gleich mit Deinem ersten Briefe an mich mir überschikt werde. Ich sehe diesen Süvern zuweilen.
Gestern erhielt ich einen Brief von der Schlegelin, in dem sie mir schreibt, daß mein Hartmann wieder ganz der alte kräftige Junge sey. Gebe der Himmel, daß es wahr sey. – Das Waschen mit kaltem Wasser setze ja keinen Tag aus. Ich bin innig überzeugt, da seine Krankheit im Grunde eine Hautkrankheit war, daß er gar nie krank geworden wäre; wenn dieses Waschen nicht unterblieben wäre.
d. 24.
Ich hab gestern Deine N. 9. erhalten, u. Tiek, der nach Berlin zurükgekehrt ist, gesprochen. – T. sagt mir, daß er den Hartmann schon damals gesund und kräftig getroffen. Aber er erzählt mir auch von seiner Wildheit mit dem kleinen Gordon. Ich habe schon, da ich zu Hause war, gesagt, daß diese Gesellschaft für ihn nicht gut ist. Munter soll er wohl seyn; aber er muß nun lernen, gehorsam seyn, gut, und sanft zu werden. Auch in dieser Rüksicht thut mir die Trennung von euch sehr leid. Liebe Mutter, jezt ist er auf Deine Seele gebunden, Sey ihm Vater, u. Mutter zugleich.
Was mir Beyme gesagt, ist sein, und des Königs steter, unverrükter Grundsaz. Das weiß die ganze Welt. Darum ist ihm zu trauen. Besondere Freundschaft, u. Gunst begehre ich nicht von ihm.
Metadata Concerning Header
  • Date: 20. bis 24. August 1799
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Johanna Fichte
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 4: Briefe 1799–1800. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1973, S. 44‒48.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 166
Language
  • German

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