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Johanna Fichte to Johann Gottlieb Fichte

Jena d: 23: August 99:
N: 10:
Beste Seele!
Die Aussicht, noch länger von Dir getrennt zu sein, schmerzt mich freylich sehr; ich weiß aber daß ich der Pflicht nachgeben muß, und Pflicht ists izt zu spahren; sag mir aber, ich bitte Dich, giebt’s in Berlin keine Aussicht, daß Du angestellt wirst, Du wirst sagen darum bewerbe ich mich nicht; giebts aber keine Freunde dort, die sich für Dich drum bewerben können, kann Dohm nichts thun? hast Du nun den Brief von ihm? hier will Niemand nichts vom Briefe wißen. Es deucht mir, im Falle Du etwas in Berlin hoffen könntest, obs denn nicht etwa nachtheilig sein könnte, Dich von dort zu entfernen; und in diesem Falle, seh ich auch nicht ein, Bester Fichte warum ich nicht zu Dir kommen könnte; nach dem Verzeichniß welches Du mir geschikt, ist nichts teurer als hier, als Hausmiethe, Kaffe, und Zukker, sonst ist alles völlig gleich: läßt sich über obiges in Berlin gar nichts hoffen, in diesem Falle, ist es das Beste deucht mir, Du kommest hierher, und sollten die bösen Menschen sagen, ja Fichte hat in Berlin nicht bleiben können, so ists das Beste, dies öffentlich durch den Druk zu wiederlegen, damit diese Schande nicht auf den preusischen Staat und auf Dir ruhe.
Das allerbeste von allem wäre, vor einmahl, wenn Jacobi Dir für jeden Preis eine Stelle in Heidelberg verschaffte, und Du denn herkämmst, glaubst Du lieber, daß das möglich ist? Hat Dir Jacobi noch nicht geantwortet?
Ich habe es für einmahl so eingerichtet, daß die Oberstinn für diesen Winter im Hause bleibt, und muß die Reperatur Unkosten tragen, Du behäl[t]st Deine Stube, und Kammer, wie sich versteht, ich sage aber Niemandem, daß im Falle, ich nicht zu Dir kommen darf, Du anfangs des Winters zu mir kömmst, denn das scheint mir sehr unklug zu sein, was davon für einmahl zu sagen.
Sag Beste Seele, bist Du nicht wieder der generöse Fichte,? der an allen Orten, [/] immer allein zahlt, wie Du es hier, besonders im anfange gewesen bist, und ist das nicht wahrscheinlich mit ein Grund, warum Dir so viel Geld drauf geht; wenn das ist, so muß ich aufrichtig gestehn, daß es mich schmerzt, um deswillen, so lange von Dir getrennt zu leben: die 14: Tage die ich ohne Briefe von Dir, habe leben müßen, sind mir entsezlich lange geworden, so wie die 8: Wochen, welche Du nun vort bist, schreibe mir zum wenigsten, alle 8: Tage, ich bitte Dich inständig; Du sagst mir auch kein Wort, wie es mit Deiner Gesundheit steht, ob Du noch immer den fatahlen Husten hast? welcher mir schon so viele Sorge gemacht, ich bitte Dich, schreibe mir auch hierüber bestimmt: Ein sehr gesundes Getränk, und welches nicht so viel kostet, ist Cakao, welchen man wenig röstet, und mit Waßer, oder halb milch, und Waßer eine Vierthelstunde kochen läßt, dieses Getränk, ist so wohl, für Maagen, als Brust gut, ich trinke es izt, und bitte Dich, es nur zu versuchen.
Unser Hartmann hat, seit dem er wieder gesund ist, seinen beisenden Ausschlag, am Leibe, welchen er, als ein halbjähriges Kind bekamm, und welcher lezten Winter vergieng; das Zurüktreten deßelben, scheint mir, die Ursache seiner langen Krankheit, gewesen zu sein: ich habe dem Doctor nichts von diesem Ausschlag gesagt, weil er mir, wieder eine Menge Arzeneyen geben würde, welche den armen Jungen, im ganzen schwächen . .
Die Oberstin, bleibt von Michelj an, noch ein Jahr, ganz gewis hier, wenns denn noch nicht ganz ruhig in der Schweiz ist, so wird sie wohl noch länger hier bleiben müßen, denn sie will nach der Schweiz zurük gehn, allso haben wir für ein Jahr, gewis hausleuthe, und können noch zu gleicher Zeit mitwohnen, dies scheint mir die einzige Art zu sein, daß wir für einmahl am wohlfeilsten, und anständigsten, [/] leben, bis denn, wird sich mit Gottes Hilfe, viel aufklären. Seitdem die Knaben, einen Lehrer haben, so ists viel beßer, und es herscht Ruhe im Hause, so daß Du am arbeiten nicht gestöhrt würdest.
Schelling habe ich sehr lange nicht gesehn, er schikt mir die Briefe allemahl; heute kommt die Schillerin zu uns, und Bertuch, den wir zufälliger Weise, im Botanischen Garten fanden, wird die künftige Woche, zu uns kommen, um der Oberstinn ihre vom Capp mitgebrachten Naturschönheiten zu sehn; er wird wohl große Lust bekommen, Verleger vom ganzen Werke zu werden, da ich die Oberstinn aber schon gewarnt habe, so wird er nichts bekommen; Schiller wird wahrscheinlich, auch einmahl herkommen, um das Gleiche zu sehn.
Allso wird die Bestimmung des Menschen auf Weinachten gewis heraus kommen, Bester Fichte, ich freue mich sehr darauf, und bin neugierig auf die Wirkung die es auf’s Publicum haben wird. Henning aus Erfurth hat einen Brief an Dich geschikt, um Dich inständig zu bitten, ihm Deine Bestimmung des Menschen zum Verlag zu geben, er hat schon von diesem Buche gehört; Gabler wird auch große Augen machen.
Mitkommendes Billet ist von einem Ungrer, welcher Dich inständig, um ein Testemonium bittet, ich wollte anfangs nicht auf seine Bitte eingehn, indem ich ihm vorstellte, daß andre auch mit solchen Bitten kommen könnten, er ließ aber nicht ab, und sagte, daß er in seinem Vatterlande sonst nicht könnte angestellt werden.
Lebe wohl, Beste Theurste Seele, ich driike Dich mit inniger Liebe an mein Herz; Du Einziger. Deine Fichtin.
Ich nehme noch einmahl meine alte adresse, weil ich der Poost doch nicht traue.
Es hat 2: Kleine Schlachten in der Schweiz gegeben, welche garnichts entscheiden, sondern nur viel Menschen gekostet haben, so daß Zürich vol Verwundete ist, und auf beyden Seiten viel Menschen gefallen sind. In den französischen Provinzen siehts unruhig aus.
An Professor Fichte
Metadata Concerning Header
  • Date: Freitag, 23. August 1799
  • Sender: Johanna Fichte
  • Recipient: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 4: Briefe 1799–1800. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1973, S. 49‒51.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 168
Language
  • German

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