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Johanna Fichte to Johann Gottlieb Fichte

Jena d: 2: Sept: 99:
N: 11:
Beste Seele, ich kann Dir nicht beschreiben, wie innig ich mich über Deine Gesundheit freue, Gottlob daß der verwünschte Husten weg ist, ich glaube doch, daß das Nichtlesen auch viel dazu beyträgt; meine zweyte Freude ist, daß ich gegem Anfange des Winters hoffe Dich wieder in meine Arme zu schließen, Theurer Fichte; Deine Stube, u Kammer behälst Du freylich das hab ich schon ausgemacht; im auditorium wird gelesen werden, und Krügs bleiben in ihrer Wohnung, wenn Du nichts darwieder hast, da wir sie nicht brauchen. Krügs hab ich das Jahr zu 9: th taxiert, das auditorium zu 10: th: Du hast Deine Stube, ich meine, und der Pastorinn ihre bleibt uns, nebst Speisekammer, und Keller, das übrige hat die Oberstin.
Wir haben allso 3: Stuben, soviel Kammern, Keller, Speisekammer u Garten, nebst noch andern Holzkämmerchen, und haben 99: th: Hauszins, ohne die Miethe der Meubeln, allso können wir für einmahl nicht wolfeiler leben; Paulus hat kein Haus gekauft, und wenn schon die Studenten abnehmen, so sezen sich doch andre Famillien her, allso bin ich nicht bange.
Mit unserm guten Hartmann, hab ich’s nun so eingerichtet, daß er nichts mit dem Kleinen Gordon zu thun hat; und nun gehts viel beßer, Du kannst glauben, daß ich meine Noth gehabt habe, Du weißt wie eigensinnig er durch die lange Krankheit geworden war, nun kämmen noch die Unarten alle, welche er vom Gor[don] gelernt dazu; nach u nach werd ich fertig werden, ihm das alles wieder abzugewöhnen; sein Herz ist Gottlob noch das Gleiche, er ist noch der alte ehrliche Junge. Wird Dir der Bediente nicht zu viel kosten liebe Seele, wenn Du ihn mitnimst, ich fürchte, schlaffen kann er nirgends im Hause, und dient Dir doch zu nichts, als zum abschreiben.
Stelle Dir einmahl vor, was der arme Reinhard, welcher Gesandter war, alles leidet, <en>tf[l]iehn hat er müßen, nun muß er einen Monath nach dem andern, in Toulon garantaine halten, weil seine Gegenparthie, ihn gern von Paris entfernt hält; durch Krank[heit] [/] auf dem Schiffe, und Drangsahle aller art, haben sie ihren einzigen Knaben verlohren; und wie es ihm, wegem künftigen Unterkommen gehn wird, weiß er nicht.
Schüz ist’s nicht, der den Aufsaz, wegen dem sogenannten Abgehn geschrieben, sondern Hufeland solls sein, und Schüz sagt zu allem ja; die Anzeige kamm mir gleich so vor, als wenn man sie geschrieben hätte, damit Du nicht wieder zurük kommest, weil sie Deine Nähe fürchten, sie drükt ihren schalks Seelen. Ich freue mich Theurster, daß Du mit Deiner Arbeit zufrieden bist, denn das will viel sagen, und daß Du so wohl bist, ist die Haubtsache; alles andre sind NebenDinge, und diese armseligen NebenDinge, werden wie ein Nebel verschwinden, komme Du nur bald zu mir, daß wir uns wieder einmahl zusammen freuen. Wie ist’s denn mit dem Briefe, von Dohm gegangen?
Der ehemalige Lehrer der Gordons, läßt Dich bitten, ihm zu sagen, welche Bücher man lesen müße, um Kants, Fichts, und Reinholds Philosophie zu studieren; ich bitte Dich, mir dieses Recept zu schiken.
Beier hat sich angagiert für ein Jahr, Lehrer bey den Gordons zu sein, allso werden die Knaben in Ordnung gehalten werden. Hoff wird Lehrer bey der Kalbin. Koppenfelsens, und Frommanns laßen herzlich grüßen, die Schillerinn wird bald wieder in Wochen kommen.
Es wird hier von einer allianz zwieschen Preußen, Dännemark, und Schweden gesprochen, um dem Rusischen Kaiser Einhalt zu thun, Gott gebe daß es wa[h]r sey; in Italien sind die Franzosen beständig unglüklich, in der Schweiz geht es ihnen auf der Seite gegen Italien beßer, aber Masena steht noch an der gleichen Stelle, obgleich es beyden Theilen viel Menschen gekostet, so haben doch beyde theile nichts gewonnen. Laveter ist aus seinem Areste entflohn, und hat in Zürich wieder, [/] bey starkem Zulaufe des Volks gepredigt.
Es scheint mir doch Bester, daß Du unfehlbar an Jacobi schreiben solltest, und daß es mit Heidelberg wohl Eyle hat, wegem Eindruke, den es auf böse, und armselige Menschen macht, daß man lange nicht hingeht, versteht sich, denn erst muß Friede sein.
Hast Du keine Nachricht von unsern guten Eltern? und dem Bruder? Wie sie mich dauren.
Mit dem Gelde zur Reparathur des Hauses, will ichs schon machen; nach Deiner Berechnung Lieber, ist Dein Leben in Berlin sehr teuer leider.
Den Brief von Sievern kann ich Dir unmöglich mehr schiken, denn da er nichts als Dank gegen Dir, und Lobeserhebungen enthielt, so hab ich ihn als unnüzes Papier gebraucht da der Mann ja in Berlin ist.
Glaube nur Beste Seele, daß ich unsern Jungen auf die Seele trage, in jeder Rüksicht.
Mit Schlegels Roman scheinen einige hier nicht zufrieden zu sein, so wenig als mit ihrem Journahle, in welchem sie alle Leute auf die Ohren geben, außert Dir, u. Göthe. Von der Herbarth, und Harbauer habe ich Briefe, sie laßen Dich beyde herzlich grüßen. Erstere befindet sich beßer.
Lebewohl, Bester Theurster Fichte, ich hoffe Dich nun nicht mehr lange, nur im Geiste zu umarmen.
Das Unternehmen dieser guter Menschen ist wohl sehr gut, aber große Behutsamkeit, scheint doch nöthig zu sein, um nicht alle Wirksamkeit zu verliehren.
heute ist Loder Geheimer Hoffrath geworden.
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 2. September 1799
  • Sender: Johanna Fichte
  • Recipient: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 4: Briefe 1799–1800. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1973, S. 59‒61.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 172
Language
  • German

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