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Johanna Fichte to Johann Gottlieb Fichte

Jena d: 6: Sept: 99:
N: 12:
Beste Seele!
Das war gestern eine rechte Erscheinung für mich, Schlegel zu sehn, er konnte mir nicht genung erzehlen, wie gesund, und munter Du seyest, und wie innig mich dies freute, kannst Du Dir vorstellen; ich hätte ihn aber noch so vieles fragen mögen; wie hätte er aber in allem mich befriedigen können?
Warum ist Schlegel aber schon izt gekommen? ich glaubte, er würde mit Dir kommen. Wenn ich Dir auf mein Gewißen versichere, so glaubst Du mir doch Lieber, allso kann ich Dir auf mein Gewißen versichern, daß ich den Brief nach Mainz abgegeben habe, der Frankfurther kamm gleich, den Tag als Du abgereiset warst, und holte ihn; und hätte mich die Angst daß Du nach Frankreich gehest, auch dazu verleitet, den Brief zurük zu halten, so hätte ich es Dir izt schon längst gesagt, damit Du den Leuthen dort nicht unrecht thuest: izt sind wieder 6000. Man franzosen in Frankfurth, und überhaubt, gehn die franzosen, auf der Reihnseite vorwärts, auch sind sie in Heidelberg, die Zeitung sagt, sie thäten es nur, um den Erzherzog in der Schweiz Diversion zu machen, Mainz ist so befestigt, daß es innert einem Jahre, nicht könne erobert werden, sie fürchten sich aber mehr, vor dem Verhungern, weil sie nicht Lebens-mittel einkaufen können, auch sind sie, über die Einnahme von Mantua sehr erschroken, denn diese hatte vor ein ganzes Jahr proviant: in der Schweiz wird nun gewis eine entsezliche Schlacht vorgehn, wenn sie nur einmahl das Schiksahl der armen Schweiz entscheidet; um Zürich fliegen die Canonen immer herum, aber beyde armeen schonen die Stadt so sehr, daß keine hinneinfliegt.
Unsern guten Jungen wasche ich täglich mit kaltem Waßer, das ist so gewis wahr, als wahr ist, daß ich den Brief nach Mainz übergeben habe, sein Ausschlag nimt aber mehr zu, als ab, sonst ist er gottlob gesund, und grüßt Dich herzlich. [/]
Ich freue mich ganz erstaunlich, daß Du auf den glüklichen Gedanken, gekommen bist, Vogt, und die übrigen welche Du nennest zu besuchen, denn das ist gewis das allerbeste, die Sache ganz leicht zu nehmen; und da Du nun gottlob so wohl, und heiter bist, so wird es Dir leicht, und natürlich werden, Dich auf diese Weise zu betragen, es ist der glüklichste Gedanke, ich bitte Dich, führe ihn nur aus; Ich wollte izt eine Wette anstellen, daß Du künftige Ostern wieder lesen thust; Schelling geht auf Ostern ab, um Medecin zu studieren, diesen Winter list er ein Collegium, wenn er viele Zuhörer bekommt, wonicht, so list er gar nicht, und hört in allen Fällen Anathomie.
Die Koppenfelsin, welche Dich herzlich grüßt, hat mir gesagt, so viel sie gehört, so sey die allgemeine Stimmung in Weimar diese; es sey schade, daß Du so hizig seyest; denn da Du so viel Beyfall auf der Universität habest, so sey es schade, daß Du nicht mehr lesest; die Schüzin hat wieder 2 mahl Comedie spielen laßen, ohne daß ein Verweis von Weimar gekommen sey, wäre diese brausende Periode, in Weimar nicht damahls gewesen, so wäre alles anderst gegangen, hätte man Vogt besucht, er der izt, nach Koppenfelsen’s Außage, allgewaltig dort sein soll, so wäre die ganze Sache anderst gegangen.
Ich glaube wie Du Theure Seele, daß es im preusischen nichts sein wird, das glaub ich aber steif, und fest, daß wenn Du einen Ruff nach Heidelberg bekommen kannst, daß sie Dich hier nicht weg laßen, nämlich, wenn Du es ihnen nicht unmöglich [/] machst, und dieser Glauben an Unmöglichkeit fällt ganz weg, wenn man die Sache leicht, und spashaft nimt.
Beyer wird Dir diesen Brief übergeben, mit der Bitte Dich mahlen zu laßen, zum Behuffe der Medaille.
Wegen Hennings, und Gablern werd ichs besorgen.
Daß ich hier alles so einleiten werde, wie Du es wünschest, deßen seye versichert, Theure Seele; daß die Bestimmung des Menschen gewis vor Weinachten heraus kömmt, freut mich innig; der Himmel fängt mir an heiterer zu werden, auch bin [ich] izt gesünder, wenn ich gleich immer im Loche gestekt habe; ich weiß nicht, aber mir ahndet, daß Du künftigen Sommer, gewis ein volles auditorium habest; Vogt wird gar nicht wißen wie ihm geschieht, wenn Du ihn besuchest, ich möchte seine Verlegenheit sehn.
Hast Du keine Nachricht von Dohm? Des guten Mannes Absicht, ist gewis Dich im Preusischen zu placieren, und Du solltest ihm, zu seinem Plane helfen, das läßt sich ja durch Horn machen, der gewis alles mögliche thut: ich möchte so gerne, daß Du anstat einem Rufe, zwey bekämmst, ersten’s um der Ehre willen, und zweyten’s, damit man auslesen könnte, Du kannst ja so vieles machen, wenn Du willst, drum bitte ich Dich, wolle auch recht; wie würden sich die Guten Eltern freun, nebst dem Brüder, es wäre ihnen auch zu gönnen; nebst Deiner Frau.
Lebe wohl Beste Seele, ich hoffe Dich nun bald in der Wirklichkeit zu umarmen; Baier kann Dir von uns erzehlen.
Pour Fichte.
In Violets Hause, in der Friedrichsstraße, zwischen den Linden, und der Behrenstraße, zwey Treppen hoch.
zu
Berlin.
Metadata Concerning Header
  • Date: Freitag, 6. September 1799
  • Sender: Johanna Fichte
  • Recipient: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 4: Briefe 1799–1800. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1973, S. 62‒64.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 173
Language
  • German

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