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Johann Gottlieb Fichte to Johanna Fichte

Berlin, d. 8. 7br. 99.
Ich habe soeben Deine N. 11. erhalten, und da ich gerade abgemattet bin, setze ich die Feder an, Dir zu antworten.
Ich gedenke im November (nach Endigung des Abdruks meiner Bestimmung des Menschen, die wohl den künftigen October wegnehmen dürfte,) zu Dir nach Jena zu kommen.
Das Arrangement im Hause hatte ich so freilich nicht gemacht. Wer soll denn im Auditorio lesen. Schelling wird gar nicht lesen. Niethammer heizt kein eignes Auditorium. Also ich sehe nicht ein, wer die 10. r. geben soll; und wie Krieg die 9. r. aufbringen will.
Auch, glaube ich, wohnen wir viel zu enge, wenn ich noch komme. – Jedoch, ich will mich fügen: u. es – wird sich dann alles schon finden. – Auch giebt die Oberstin zu wenig HausZins. 80 r.? Hast Du vergessen, daß wir, bei weit wohlfeilern Zeiten, und ohne die Reparatur, die Du vornimmst, 84 gaben? 100 wäre nicht zuviel nach den jetzigen Preisen. – Jedoch, auch dies sey so! und es ist mir, das Geld abgerechnet, in der That lieber, daß man sage: wir vermiethen zu wohlfeil, als – wir übertheuren unsre Freundin.
Wäschest Du denn aber meinen theuren Hartmann, der mir unaussprechlich lieb ist. – und daraus kannst Du ersehen, wie lieb Du mir bist, da ich ihn ja von Dir habe – alle Tage mit kaltem Wasser? Dies ist’s, was ich in Deinen Nachrichten über ihn, mit denen ich übrigens sehr zufrieden bin, noch vermisse.
Das verlangte Recept habe ich beigelegt. Ich grüsse die Obristin, nebst den Ihrigen, herzlich.
d.10.
Ein Auftrag, liebe Seele, den ich Dich schleunig auszuführen bitte. In meiner Briefschachtel liegt ein Brief von Kant – ich glaube er liegt nicht tief, er ist mir noch bei’m Einräumen vor meiner Abreise in die Hände gefallen – ohne [/] Datum. Er ist sehr kenntlich an der guten scharfen Hand, und fült nur Ein Blatt. Diesen Brief gieb eiligst an Schelling; an den ich über den Gebrauch desselben Auftrag gegeben habe . – Kant hat nemlich eine schwache Erklärung gegen mich in die L. Z. einrüken lassen; die ich durch diesen Brief noch mehr schwächen kann.
Wegen des Dohmschen Briefes, dachte ich, seyst Du längst aus dem Träumen. Der Brief nach dem ich fragte, war derselbe von Horn, Dohms Sekretär, den Du mir vor mehrern Wochen überschikt hast. – Nicht von Dohm selbst: so habe ich nie geschrieben; aber Du arme gute Seele magst zuweilen meine sich stets noch mehr verschlimmernde Hand nicht wohl lesen können. Horn schrieb mir: er habe diesen Brief an S. geschikt (das mag geheisen haben, Samuel, oder Salomo, oder dergleichen – Der Taufnahme seines Bruders, den zu wissen mir nicht füglich anzumuthen war) ich dachte dabei an Schütz. Daher das Misverständniß.
Wegen H. habe ich an Reinhold geschrieben; aber noch keine Antwort. Ich bin freilich auf diese Herrn wegen Ihrer lezten Briefe, die Du mir aus Jena geschikt, und gelesen hast, ein wenig übel zu sprechen; und ich habe dies Reinholden nicht verhehlt. Es schadet ihm nichts, ein wenig in der Demuth erhalten zu werden. Sobald man grosses Vertrauen in ihn zeigt, wird er gleich anmaassend. – Auch sind seine Schriften immer schlecht, d. h. langweilig. [/]
Baiern lasse ich herzlich grüssen, und ihm danken, als für eine mir erwiesene Wohlthat, daß er die Stelle bei der Gordon angenommen. Hoff gönne ich der Kalbin nicht: ich wollte, sie hätte Kochen haben, und behalten müssen.
Schlegels Roman ist, einige Unreifheiten abgerechnet, eins der grösten Genie Producte, die ich kenne. Ich lese ihn jezt zum drittenmale; und mit jeder neuen Lecture gefällt er mir besser. Ich werde ihn noch oft lesen. Da das Genie, und die Ahndung davon, so äusserst selten sind, so ist nothwendig, daß er mehrern misfalle. Solche Producte müssen sich erst ihr Publicum bilden.
Ich werde mit der nächsten Depesche alle die Briefe beantworten, die Du mir geschikt hast. Sage ihnen das, wenn Du sie siehst, und grüsse sie.
Mit der Allianz gegen Rußland ist es nichts; das kannst Du jedem versichern. Es war ein Bruch unterwegens; aber er ist abgewandt durch Oesterreich. Es ist ein neuer Russischer Gesandter nach Berlin schon unter Wegens. – Ueberhaupt liesse über das Benehmen der hiesigen Regierung sich mehr sagen, als man schreiben kann, und noch mehr denken, als man sagen kann.
Mit den Franzosen steht es gar nicht so schlecht, als Du in Deinem letzten Briefe schreibst. Meine Weissagung trift sicher ein. Zu Michaelis werden die Truppen der Coalisirten sich auf dem übelsten Rükzuge befinden.
Lebe recht wohl. Du treue Seele.
Frankirst Du denn die an Prof. Heindorf eingeschloßnen Briefe. Ich kann dies von ihm selbst nicht erfahren; und muß bei ihm in einer beträchtlichen Schuld seyn, wenn Du nicht frankirst. Ich kann dies nicht tragen.
Bediene Dich nur meiner Addresse. Es ist mir noch kein Brief erbrochen, oder beschädigt zugekommen. Ich glaube überhaupt, dieses lächerliche Mistrauen hat sich gelegt. Adieu, Liebe.
Pour Madame Fichte
Metadata Concerning Header
  • Date: 8. bis 10. September 1799
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Johanna Fichte
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 4: Briefe 1799–1800. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1973, S. 64‒67.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 174
Language
  • German

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