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Johann Gottlieb Fichte to Johanna Fichte

Berlin, d. 13. 7br. 99.
Ich lag noch im Bette, nach 7. Uhr, welches mir bei den jetzigen kalten Morgen wohl zuweilen passirt, als mein Bedienter vor das Bett tritt, und mir sagt: es sey jemand aus Jena da, der Briefe an mich habe. Ihm auf dem Fusse folgt Baier. Denke Dir mein freudiges Erstaunen, endlich jemand zu erbliken, der Euer (Dein u. meines Kindes) Gesicht gesehen hat, und es gleichsam zu mir trägt.
Ich habe inzwischen Baiern nur eine halbe Viertel Stunde gesprochen. Die Post erwartete ihn. Ich weiß nicht, wie er sich eingerichtet haben mag, daß ihm für mich nur sowenig Zeit übrig geblieben. Er wird inzwischen bei seiner Rükreise einen Posttag überschlagen, und <sonach> einige Tage sich bei mir aufhalten.
Ich freue mich, daß Du gesund und freudig bist: Du liebe Seele. Hofnung thut Deinem Herzen wohl: nur hoffe nicht zu viel. Ich möchte nicht darauf wetten, daß ich zu Ostern zu Jena wieder lesen werde. Ich halte dies für sehr schwierig. – Auch mit Heidelberg, und dem Preussischen hat die Sache ihre Schwierigkeit – Aber auf alle Fälle, hoffe ich, wollen wir dies nicht so ganz nothwendig brauchen: wenigstens thun, als ob wir es gar nicht brauchten. Dies ist der sicherste Weg wirklich etwas zu erhalten.
Aber, Du theure Seele, hofst doch meine Ankunft in Jena nicht zu gleich. Vor der Mitte des November möchte dies wohl nicht geschehen können. Ich will erst den Abdruk meiner Bestimmung des Menschen hier besorgen: und in der hiesigen Gesellschaft mich verbreiten. Das leztere, siehst Du wohl, ist für meine Absichten in jedem Fall ersprießlich. Durch mein eingezognes Leben bis jezt habe ich sie unbesorgt, treuherzig, u. begierig gemacht. Ich will – ich versprech es Dir – alle Herzen, fesseln, sobald ich es wollen werde: u. dann – ehe sie sich’s versehen, werde ich über alle Berge seyn. Wenn auch nur recht viele Leute gut von einem sprechen: das ist schon ein ansehnlicher Gewinn. [/]
Was ich Dir über Weimar schrieb, werde ich auch thun: <hölfe> es auch zu weiter nichts, als um das dumme Verhältniß aufzuheben; und die Leute a leur aise zu setzen, welches sie in Rüksicht auf mich ziemlich verlohren haben müssen. Auch in Jena werde ich mich nicht verstehen, sondern gegen jedermann freudig, unbefangen, und leicht seyn.
Ein Porträt werde ich – auf der Studenten Kosten, so ist es doch zu verstehen [–] zu besorgen suchen. Es ist auch gut, daß die Berliner dieses alles erfahren, <ehe> ich unter sie trete.
Ich glaube Dir auf Deine Versicherung, liebe Theure, daß Du die Briefe hast abgehen lassen, und daß Du den Hartmann täglich mit kaltem Vasser wäschest. (Daß der Ausschlag nicht sogleich vergeht, laß Dich nicht irre machen. Auf alle Fälle stärkt das kalte Wasser die Haut; u. so muß er zulezt doch auf immer wegbleiben) Laß uns doch stets ehrlich gegen einander seyn, Du Theure. Jezt thut es mir weh, daß ich Dich in ungerechtem Verdacht gehabt; aber Du wirst mir auch nicht ganz abläugnen können, daß Du durch ehemalige Vorfälle mir einige Veranlassung dazu gegeben. Besonders, wolle nicht klüger seyn, als Dein Mann. Du siehst doch, daß zulezt alles immer gut geht, und so wird es auch auf Eine oder die andere Art diesmal. Davon bin ich sehr versichert.
Ein Auftrag, um dessen Willen ich Dir diesen Brief durch diesen Einschlag schike. Mad. Veit wünscht die Fracht ihrer Sachen durch Dich bezahlt (um Schlegels keine Geldaufträge geben zu müssen, wozu sie ihre guten Gründe hat) Es macht 15. r. 12g. Sie wollte den Werth mir berechnen. Ich bin ihr einiges schuldig für den Tisch, welches sie seit einiger Zeit mit Fleiß stehen lassen. Ich möchte aber nicht gern, daß Du glaubtest, ich wollte Dich, arme Seele, in Deiner wahrscheinlichen Armuth noch berauben. Ich werde also ihr Auftrag geben, es an Dich selbst nach ihrer Ankunft in Jena zu berichtigen, wenn Dir dies lieber ist. Antworte mir über diesen Punkt in Deinem nächsten Briefe, den ich vor der Veitin abreise (sie reist d. 22. dieses) noch haben kann. [/]
Ueberhaupt bin ich es der Veitin, und Dir schuldig, Dir diese Frau dringend zu empfehlen. Das Lob einer Jüdin mag in meinem Munde besonders klingen; aber diese Frau hat mir den Glauben, daß aus dieser Nation nichts gutes kommen könne, benommen. Sie hat ungemein viel Geist, und Kenntnisse, bei wenig, oder eigentlicher, keinem äussern Glanze, völliger Prätensionslosigkeit, und viel Gutherzigkeit. Man gewinnt sie allmählich lieb; aber dann von Herzen. Ich hoffe, ihr werdet Freundinnen werden. – Verheirathet ist sie mit Fr. Schlegel nicht; und wird es auch wohl nie werden. Es stehen da zu grosse Hindernisse im Wege. Aber sie nimmt sich seiner mit einer rührenden Zärtlichkeit an; und ich halte diese Wahl für das höchste Glük für Schlegeln, da er nun einmal dieser Schlegel ist.
Freilich wird es euch Jenensern schwer halten, dieses Verhältniß, in welchem sie mit Schl. steht, richtig anzusehen. Aber bedenke Du, daß es nicht von ihnen abhängt, es zu ändern. Sch. kann mit ihr nirgends getraut werden, wenn sie sich nicht taufen läßt. Die Widerlichkeit dieser Sache für eine rechtschafne Person (die übrigens im Herzen dem Glauben aller rechtschafnen Leute zugethan ist) abgerechnet, hat sie noch eine Mutter, und Verwandte, denen sie durch diesen Schritt den Dolch in’s Herz stossen würde. – Mit der Frommannin steh[s]t Du doch noch gut. Ich habe diese Frau immer geschäzt, und gewünscht, daß Ihr Freundinnen bliebet. Auch diese, denk ich, soll ein guter Umgang für die Veitin seyn.
Ich wollte dieser meinen Wagen geben; um selbst die Rükreise vielleicht wohlfeiler, als mit Extra Post zu machen. Es ist mir bis jezt soviel Geld aufgegangen (44. Ldor). daß ich Ursache habe, zu sparen. Aber sie hat Reisegesellschaft nach Leipzig gefunden, und ich werde meinen Wagen selbst zurükfahren müssen. Bequemer, und gesünder ist es freilich: und damit wollen wir uns trösten.
Lebe wohl, liebe Theure.
Pour Madame Fichte
à
d. Einschluß.
Jena
Metadata Concerning Header
  • Date: Freitag, 13. September 1799
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Johanna Fichte
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 4: Briefe 1799–1800. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1973, S. 77‒79.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 176#B 171
Language
  • German

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