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Johanna Fichte to Johann Gottlieb Fichte

Jena d: 20. Sept: 99.
N: 13:
Ich schreibe diesen Brief glich mit erster Poost, und doch wird er zu späth ankommen.
Theurste Seele, ich antworte Dir noch eher, auf Deinen durch Schlegel erhaltnen Brief, als ich erst wollte, denn ich wollte Muhrbek, welcher vor Sontag vereiset, und Dich in Berlin besuchen will, ihn mit geben.
Ersten’s wegem Hause, ich konnte der Oberstin nicht wohl mehr als 80: th: fordern, weil wir doch 3: Stuben, u Kammern behalten. . Das Auditorium wollte Stahl gerne haben, und da hab ich’s an ihm allein vermiethet, für 10: th: das halbe Jahr, mit Bänken, xx: und die andern Herrn hab ich an Stahl gewiesen, nun lesen alle Drey drin, denn Schelling list auch gewis eine Stunde diesen Winter, wo nicht zwey. Krüg bath, ob er nicht bleiben könnte, ich sagte ihm, daß er aber nicht, wie das lezte ganze Jahr, vergeben’s drin sein könnte, sondern die Hälfte vom vorigen Zinns geben müßte, nämlich 9: th, allso bringt das Haus jährlich 109: th. und wir wohnen auch noch drin.
Schelling hab ich so gleich den Brief gegeben, von Kant, ich fürchte nur daß er zu bitter in seiner Antwort, an K. sein wird, denn das ist so seine Sache. Eine höchst grobe Vertheidigung von Gruner soll unter der Preße sein, ich werde sie zu lesen suchen, und Dir davon schreiben. Gabler hat mir gesagt, daß Deine Vertheidigungs Schrift, in Sachsen nicht verbothen sey, daß aber den Buchhändlern, in der Stille sey angesagt worden, sie nicht in ihrem Verlage zu haben.
Man sagt, Reinhold werde bald hier sein, um Wieland zu besuchen, andre sagen, er komme zu Ostern; wenn kommen denn auch Jacobis Briefe zum Vorschein? [das] wäre ja auch besonders izt gut, daß sie kämmen, da Kannt sich so erklärt hat. Du solltest wirklich schonend gegen Reinhold sein, Theurer Fichte, so deucht es mir, denn er meint es ehrlich mit Dir, und wenn man fühlt, daß man es ehrlich meint, so ist man nicht vorsichtig, in seinen Ausdrüken, das weiß ich aus eigner Erfahrung.
Ich habe die Eingeschloßenen Briefe, an Heindorf nicht francquiert, damit ich wüß[t]e, [/] daß sie von hier richtig vortgehn, ich habe Dir 9: durch ihm geschikt, und wenn die Briefe, dort auch 3: Gr. kosten von hier, so machts 27: Gr: Verzeihe, daß ich mich noch dieser Addresße bediene, es ist ja beßer, wir seyen zu vorsichtig, das schadet Niemanden, aber das andre könnte uns schaden.
Ich ärgere mich, daß Baier, so kurze Zeit bey Dir gewesen, denn ich hatte mich recht gefreut, Dir einmahl Jemanden schiken zu können, der Dir recht viel von uns sagen könnte. Das versteht sich ja wohl von selbst, daß die St: den Mahler zahlen, und weil sich das so von selbst versteht, so hab ich nicht weiter drüber gefragt. Ich bitte Dich aber inständig, Theurer Fichte, siehe doch recht heiter aus, wenn Du Dich mahlen läßest, sonst muß ich mich nur wieder, von Herzen ärgern, über die abermahlige Misgeburth.
Wenn Schelling auf Ostern wirklich abgeht, so seh ich doch nicht ein, wer Philosophie lesen soll, oder sie müßten Reinhold herbringen; und wenn Du ihnen nicht mehr, als der Stolze, erzürnte Fichte, erscheinst, so werden sie selber suchen möglich zu machen, was izt unmöglich scheint; ich behaubte, daß es nur auf Dich, im ganzen ankommen wird; und wenn sie Dich als Doctor lesen ließen, was würdest Du denn sagen? Es müßte freylich so geschahn, daß Du es nur, den Studenten, zugefallen thätest. Du weist, Theurster, daß ich nicht zu den Hoffern, gehöre, aber diese Sache, schwebt mir als gewis vor der Seele.
Kindervater ist da gewesen, und läßt herzlich grüßen, wie auch Prof: Vater, nebst Griesbachs, Loder Schüzen’s, Sch: und Griesbachs gehn wieder zu einander, diese Aussöhnung entstand, durch das Hiersein, des Bruders aus Halle, Frommanns laßen auch grüßen, ich bin mit der Frommannin auf gleichem Fuße wie vormahls, und so mit den übrigen allen, Freundschaften, werd ich in Jena nicht schließen, [/] aber mit allen gut sein, als man kann; den Verlust der Fischerin kann ich nicht vergeßen, was macht auch der Mann?
Warum mußte Schlegel, denn nach Jena kommen, da er eine Geliebte dort hat; ich werde die M: V: mit offenen Armen aufnehmen, weil sie mir von Dir empfohlen wird, und die 15: th: 12 g: für sie gerne auslegen, aber sie auch wiederbekommen, denn entbehren kann ich sie izt unmöglich; die[s] wirst Du leicht vorstellen.
Nun Lieber Fichte, bezaubre die Berliner noch vor Deiner Abreise, ich bitte Dich, aber an Deiner Stelle, würde ich nicht abreisen, ohne ihnen zu sagen, ich gehe izt, zu Frau, und Kind, denn dieses Verschwinden macht keinen guten Effect, [das] hab ich auch hier bemerkt, besonders wenn Niemand zurük bleibt, der es den Leuten, begreiflich macht; hingegen, hilft ein herzliches Adieü gar sehr dazu, bey den Leuten, in gutem Andenken, zu bleiben, wir haben’s Woltmann auch übel genommen, daß er nicht Abschied, bey uns nahm.
Hartmännchen läßt Dich herzlich grüßen, er steht izt neben mir, und als ich ihn frug, was soll ich dem Vater, mehr sagen, so gab er zur Antwort, er laße Dir danken, für die Arzeney, wie er auf diesen Einfall kamm, weiß ich nicht, er ist gottlob gesund, und einige häßliche Unarten, sind wir los geworden.
Ja Bester Fichte, wir wollen immer aufrichtig gegen einander sein, das ist gewis mein fester Vorsaz; und wenn ich es manches mahl nicht gleich bin, so ist’s die Furcht für unangenehmen Auftritten; und nach[h]er, wenn alles wieder ruhig ist, so sage ich sie gewis allemahl, denn ich verschweige sie gewis ungerne. Ich will gerne nicht klüger sein, als Du Bester, aber das mußt Du mir doch gestehn, daß wenn Du Vogt, Göthe, und Schiller, besucht hättest, die ganze Sache, anderst gekommen wäre. Forberg hat seine Stelle behalten; nachdem er eine Vertheidigung eingegeben, welche, wie er selber sagt, nur Staub in die Augen, geworfen ist; er hat aber in der Zwischenzeit mit seinen Richtern corespondiert: Du wirst mir sagen, was sind das für elende Menschen; ja freylich, aber sie sind allenthalben so, und das wißen wir ja, daß wir sie nirgends beßer finden.
Forberg will seine Vertheidigung druken laßen, da wirst Dus selber sehn. Ich umarme Dich von ganzem Herzen.
Pour Fichte.
Metadata Concerning Header
  • Date: Freitag, 20. September 1799
  • Sender: Johanna Fichte
  • Recipient: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 4: Briefe 1799–1800. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1973, S. 87‒89.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 180
Language
  • German

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