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Johann Gottlieb Fichte to Johanna Fichte

d. 1<0>ten 8br. 99.
Der angebogne Brief blieb liegen, weil die Post versäumt wurde. Unter dessen ist Deine N. 15. angekommen, die mich in eine günstigere Stimmung gegen Dich versezt. Und so lege ich denn N. 2. die Du später lesen mußt, nur bei, um Dir zu zeigen, in welchen Ton wir nothwendig hätten kommen müssen, wenn Du so kalt, und herzlos, und scharfrichterlich fortgefahren wärest, wie Du angefangen hattest.
Daß Du von Brief zu Brief liebloser gegen mich wurdest, ist einmal wahr: und ich werde Dir es einst durch Vergleichung Deiner Briefe selbst beweisen, wenn Du es etwa selbst nicht merkst. Daß Dir es ohne Deinen Willen, bloß durch die Abwesenheit, durch die mancherlei Beschwerlichkeiten Deiner Lage, und durch Deine natürliche Tendenz zur Bitterkeit so geworden ist, und daß Du selbst erschrikst, wenn Du es wahrnimmst, glaub ich Dir gern; denn im Grunde ist Dein Herz gut.
Daß ich von Anfange meines Hierseyns schon sehr häufig von jungen Leuten angegangen worden, zu lesen, habe ich Dir wohl geschrieben. Ich vernehme jezt, daß auch Leute von Einfluß Verwunderung äussern, daß ich es nicht thue. Ich werde dieser Sache näher auf die Spur zu kommen suchen. – Es ist dem Könige einige Zeit nach meiner Herkunft, und nachdem man mich sehr sorgfältig beobachtet, Vortrag über meinen hiesigen Aufenthalt geschehen. „Ist F. ein so ruhiger Bürger, als aus allem hervorgeht, und so entjernt von gefährlichen Verbindungen, so kann ihm der Aufenthalt in meinen Staaten ruhig verstattet werden. Ist es wahr, daß er mit dem lieben Gotte in Feindseeligkeiten begriffen ist, so mag dies der l. G. mit ihm abmachen; mir thut das nichts“ Diese Aeusserung hat natürlich Einfluß. Andere Männer am Plaz haben geäussert, daß man mich unmöglich aus der Preussischen Monarchie ungebraucht, und unbenuzt lassen könne; daß meine Sache sich nur erst ein wenig verbluten müsse u. dergl. – Darauf gründet sich mein Plan mit dem Preussischen, wozu die erste Stuffe ist, hier zu lesen. Dies alles muß erst in Ordnung gebracht werden, u. mein Buch muß fertig seyn, ehe ich Dich besuchen kann. [/]
Was Du mir von Göthe schreibst, ist Etwas. Es ist begreiflich, daß Leute, wie Göthe, nachdem nun die erste Hitze bei ihnen verraucht ist, sich des Auftritts mit mir, der ihnen, wie sie wohl wissen, auch noch ganz anders gedeutet wird, als er ist, schämen; ihn ungeschehen wünschten, begreifen, daß der Universität ein nicht wohl zu ersetzender Schade zugefügt worden, u. dergl. Aber doch bleibe ich, in Absicht Jena’s bei meiner Meinung, die Du in N. 2. lesen wirst. Es ist leicht, in der Hitze einen falschen Schritt durchzusetzen, aber sehr schwer, ihn bei kaltem Blute wieder gut zu machen. – Wünschen thäte ich es freilich, wenn es mit meinen vollen Ehren geschehen könnte; aber es ist kaum daran zu denken. Jedoch, ich hoffe, es soll uns nicht Noth thun.
Hier hat man die Nachricht, Massena habe die Russen in der Schweiz, total geschlagen, und ihre Armee so gut als vernichtet. Dies müste dem Kriege plözlich eine so schlimme und noch weit schlimmere Wendung für die Coalisirten geben, als bisher die Lage der Franzosen war: und so etwas ist immer gut für unsers gleichen.
Von dem Leipziger Verleger meiner Bestimmung des Menschen werde ich wohl abstehen, und das Manuscript hier vortheilhaffer zu verkaufen suchen.
Es soll mir lieb seyn, wenn meine Erklärung über Kants Erklärung befriedigt. Hast Du sie denn gelesen?
Die Veit ist nun sicher bei Euch: und Du gukst mit dem lieben Hartmann in den Gukkasten, und ihr denkt dabei meiner.
d. 11ten.
Die Nachricht von Massenas Siege über die Russen bestätigt sich vollkommen. Sie steht schon in der Allgemeinen Zeitung. – Auch in Italien werden die Oesterreicher geschlagen. Siehe, wie meine Prophezeiungen eintreffen! [/]
Ich bin Dir nicht mehr böse, gutes Kind; und ich hoffe, daß Du es so machen wirst, daß ich Dir nie wieder böse werde. Wegen der Zeit meines Besuchs – ich kann es nur als Besuch betrachten lassen – in Jena kann ich gerade jezt am wenigsten etwas bestimmen. Ich bemerke, daß man mancherlei Absichten mit mir hat. Ich gehe so hin, und thue, als ob ich nichts merkte; und ich werde zulezt doch den besten Vortheil daraus ziehen.
Deine Briefe unter meiner Addresse gehen sicher, und ich erhalte sie so eher. N. 14. (diese fatale Nummer) habe ich erst. d. 11ten Tag erhalten. Dies ist doch arg: u. daher entsteht es, daß Du so spät erst Antwort von mir erhältst. – Man beobachtet mich nicht mehr.
Lebe recht wohl, gute, liebe.
Pour Madame Fichte
à
Jena
frei.
Metadata Concerning Header
  • Date: 10. bis 11. Oktober 1799
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Johanna Fichte
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 4: Briefe 1799–1800. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1973, S. 104‒107.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 185
Language
  • German

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