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Johanna Fichte to Johann Gottlieb Fichte

Jena d: 16: Octo. 1799:
N. 15:
Du wirst, Beste Seele, izt meinen N: 14: nebst noch 2: andren kleinen Briefen erhalten haben? Hättest Du N: 14: nicht erhalten, so ist es mir sehr fatahl, und ich traue, der hiesigen Poost nicht, muß allso wieder meine alte Addreße nehmen, denn in N: 14: war von der Art, daß ihn Niemand lesen sollte, als Du Lieber, auch von meiner Schwester schrieb ich Dir allerhand.
Die Veitin ist allso da, und hat mir nicht genung sagen können, wie froh Du seyest, dieses hat meinem Herzen erstaunlich wohl gethan, wie Du leicht denken kannst. Hartmännchen läßt schön danken, für das schöne Geschenk vom Vater, und hat viel Freude drüber, er frägt auch mit Ungedult, wenn denn der Vater komme, und ich frage, mit weit größerer Ungedult wenn er komme: Höre Theurer, Lieber Fichte, wenn Du nicht bald kommst, so schwör ich Dir, ich miethe einen Wagen, und hole Dich ab, denn länger kann ichs doch nicht so aushalten, und ich sehe auch nicht ein, was Du länger in Berlin nüzest, Dein Buch, ist ja geschrieben, und den Druk besorgen Freunde, wie Schlegel sagt, allso komme doch, ich bitte Dich, inständig! Hättest Du den Wagen nicht dort, so wär ich schon zu Dir gekommen.
Löfler ist auch bey mir gewesen, und versicherte mich auch, daß Du recht vergnügt seyest, daß er Dich dreymahl gesehn, daß die Berliner Dich gern hätten, daß Du mit ihm, in einer geschloßenen Gesellschaft, bey Gedike gewesen, wo auch Nicolai war, daß Du recht fröhlich in die Zukunft sehest, und was dergleichen, mehr war.
Schlegels courtisiren Göthe erstaunlich, täglich ist einer von ihnen, bey ihm, auch ist Göthe vornehm geworden, und geht zu Niemandem, als zu Schillern, vielleicht auch zu Griesbach, voila tout.
Baier wird nun gewis, bey Dir sein, denn am 18: oder 20: hat er versprochen, hier zu sein, daß Du Bester, nun einmahl getroffen bist, freut mich sehr, aber nicht, daß es Dir 8: Tage Zeit genommen hat, das ist nun auch, auf meine [/] Unkosten; O ihr grausamen Menschen!
Die Veitin, thut gar nicht, als wenn ich was für sie bezahlt hätte, und doch hab ich 16: th: bluthen müßen, ich bitte Dich, mach das doch in Orndnung, denn ich kann ihr nichts sagen.
Harb:, wird nun wohl, auf der Rükreise sein, die Herbarth, hat sich erholt am Körper, und es nun auch endlich dahin gebracht, daß sie angehört wird, auch hoff sie es endlich dahin zu bringen, wirklich Besizerinn von ihrem Vermögen zu werden, um von dieser Seite, aus der Gewalt ihres Mannes zu kommen, der sie auch bey ihrer Zurükkunft, mishandelt hat. Hier schreib ich Dir, aus der H: ihren Brief ab, was sie über ihren Schwager sagt. „Es ist mir izt recht leid, daß mein Schwager in Charl: so ein Erzmann ist; ich hätte große Lust gehabt, sie mit ihm bekannt zu machen, aber ich bin in seinen Augen von der edelsten, weisesten, meines Geschlechts, zu der aller erbärmlichsten Creatur, herab gesunken, weil ich meine Briefe an <Dhl.> Herb adreßirte, und es für eine Kindeley erklärte, daß er vor 19. Jahr, sich zum Hoffr. u. polnischen Edelmann hatte stempeln laßen. Übrigens würde Fichte, mit seinen Kenntnißen, u Kopf zufrieden sein“. Daraus sieh[s]t Du Lieber, so einigermasen, wie sie gegen einander stehn; ich werde schreiben, die Briefe gehn aber so langsam, daß ich glaube, und hoffe, daß Du in Berlin keine Antwort darüber erhalten kannst.
Dein Zimmer Bester, ist ganz in Orndnung und erwartet Dich; wenn kömmst Du denn eigentlich? Frommanns, Doct: B[r]eyer, und einigen Studenten, hab ich erst, Dein Herkommen gesagt, bey Schlegels wüßten sies so; denen wo ichs gesagt, freuen [/] sich sehr, und grüßen Dich herzlich; Paulus hab ichs nicht gesagt, dieser hat izt auf künftige Ostern, für 6: Jahre, eine Wohnung bey Salzmann gemiethet. Frommanns, nebst dem Schwager haben noch kein Haus gekauft, überhaubt hat sich die Begierde Häuser zu verkaufen, gelegt; Famillien Wohnungen sind sehr rahr, wenns schon wenig Studenten giebt, Jena ist recht öde, gegen sonsten. Man sagt hier, daß eine Liebschaft, zwischen der Schlegelin, u Schelling obwalte, ich bin seit der Ankunft der Veitin, einen halbentag dort gewesen, und habe freylich gesehn, daß die Schlegelin, dem Schelling, alle nur mögliche avencen macht, und daß sie auf eine unanständige Art, vertraut mit einander sind: man sagte mir, Schelling sey der ergebene Anbether, der Schlegelin, dies that mir, um Schelling willen weh; das hab ich aber nicht gefunden: Nun möcht ich die Schlegelin, doch gerne fragen, wozu das alles? aus Eitelkeit, und alter Gewohnheit zu coquettieren, hat sie den Spas angefangen, und scheint izt wirklich verliebt zu sein; auch machte ihr Mann, wie natürlich, einige mahle Gesichter, die anzeigten, daß ihm der Spas nicht gefalle: ich begreife nicht, wie die Menschen, bey solchen irwegen glüklich sein können, denn ihr Gewißen, muß ihnen troz allem sopfi[s]tisieren, doch Vorwürfe machen. Wenn die Ilgin, dieses mit der Schlegelin erfährt, so wird sie losziehn.
Man kann es ja leicht einrichten, daß Du hier auch um 4. Uhr, zu Mittag eßest, wenn Du nur schon da wärest, das übrige alle, wird sich schon finden.
Lebe wohl, Beste, Theurste Seele, ich umarme Dich, von ganzer Seele!
Hartmännchen, der neben mir steht, sagt, komm doch Vater! Ja komm doch, ehe die Witterung schlechter wird, und reise nicht allein, ich bitte Dich.
Noch einmahl, Leb wohl! Du Einziger!
Frommann behaubtet, daß Gabler sich nicht so lange mehr halten kann, wie wirds da mit den 500: th: gehn?
Pour Fichte
Metadata Concerning Header
  • Date: Mittwoch, 16. Oktober 1799
  • Sender: Johanna Fichte
  • Recipient: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 4: Briefe 1799–1800. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1973, S. 108‒110.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 186
Language
  • German

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