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Johanna Fichte to Johann Gottlieb Fichte

Jena d: 1: Nov: 99:
N: 18:
Wie hast Du mich Beste Seele, durch Deinen theuren Brief vom 26: wieder aufgerichtet: die Knien zitterten mir, als ich ihn sah; aber als ich ihn las, so floßen Freudenthränen; nun Gottlob und Dank, mein Fichte miskennt mich nicht mehr, zweyfelt nicht mehr, an meiner innigen, herzlichen Liebe; wie konntest aber auch jemahls dran zweyfeln? da ich eben darum hier so manches leide, mir so manche Menschen verhaßt sind; weil sie Dir solch grausames Unrecht zugefügt haben; und ichs ihnen nicht laut zurufen darf; ihr seyt abscheuliche Geschöpfe, nicht wehrt daß ihr nur noch auf dem Booden herum kriecht; ich hoffe zum lieben Gott, daß noch eine Zeit kommen wird, wo sich das alles sagen läßt. Daß Du Beste Seele, noch Vogts Parthie nimmst begreife ich nicht; und sehe auch nicht ein, wie er das verdient hat: ich glaube Hardenberg, hat den Dresdnerhoff aufgeklärt, denn ich habe ihm, er der mir ganz falsch unterichtet schien, den ganzen Hergang der Sache erzählt, so daß er am Ende ausrief: Vogt ist ein abscheuhlicher Mensch.
Ich freue mich innig, daß die Menschen, sich nur ein wenig von ihrer Fieberwuth erholen.
Der Veitin hab ich eigenhändig, und ohne Beysein anderer, Deinen Brief Beste Seele übergeben; mit Schlegels siehts wunderbahr aus; es scheint mir, es trage dort einander alles; heute traf ich die Schleglin, mit Schelling (so wie sie täglich gehn), an: sie frugen mich ob Du nicht bald kommest; und sagten es seye höchst nothwendig, daß Du bald kommest; Schelling sagte, er wolle Dir gleich wieder schreiben; warum erfuhr ich nicht; ich sah an beyden daß sie höchst mismuthig waren; es wäre freylich sehr gut, Du könntest mit Schelling einmahl von Herzen weg reden; denn dieses Geschwäz über ihn, schadet ihm, und selbst der guten Sache: ich nehme mich mit ihnen, und mit Jedermann hier in acht, glaube das nur Bester Fichte, denn ich traue Niemandem; was die ganze Welt wißen darf, das erfährt jeder, und sonst nichts.
Das Gerüchte, daß Du in Berlin, nicht habest lesen dörfen ist hier schon wieder verflogen; es entstand, während Feßlers Hiersein; und ich wurde häufig gefragt, obs wa[h]r sey: worauf ich allen antwortete, Daß Du in Berlin ein Buch schriebest, wie sie alle wüßten, daß Du nicht die Absicht habest zu lesen; und daß sie Dir doch den Verstand zutrauten, daß wenn Du hättest lesen wollen, Du nicht erst hingingest, um zu fragen; daß die allgemeine Klugheit, eim sage, man müße nicht lange fragen: ich werde mir alle mögliche Mühe geben, um auf den ersten Urheber, dieses Geschwäzes zu kommen: ich mochte Dir Bester, von allem diesem nichts schreiben, weil ich dachte, es könne Dir nicht angenehm sein.
Bey diesen fatahlen Umständen hab ich mich über nichts gefreut, als daß mein Bester, Theurster Fichte, gesund ist, ich dachte immer, dies alles wird sich zu seiner Zeit finden; und wegen Deiner so völlig hergestellten Gesundheit dank ich Gott von Herzen, und freue mich unaussprechlich drüber, alles andre ist mir izt nur nebensache; und da mein Fichte mich izt nicht mehr miskennt; so trag ich alles leicht; wenns nur auch möglich wäre daß ich Dich Bester bald bey mir hätte; kannst Du nicht den Rest des Buchs hier endigen? wenn Du mit dem Verleger einig bist; denn hier will ich Dich schon für allem Überlauf schüzen; wenn Deine Gegenwart nicht noch sonst in Berlin nöthig ist, so läßt sich dieses leicht machen. Gabler nähme das Manuscript gar gerne, der arme Mann hat aber kein Geld, und ich fürchte, daß es mit den 400: th: hapern wird, denn die 100: hab ich noch nicht: man muß Gedult haben, wenn sich die nur izt gut haben läßt. [/]
Ich habe in der Zeitung gelesen, daß Berlepsch sich mit der hanövrischen Regierung abgefunden; daß die Regierung ihm seine rükständige Einnahme hat ersezen müßen; und ihm eine Stelle gegeben hat, welche jährlich 3000: einträgt. Ich glaube daß wenn die Höfe von ihrer <Tol[l]heit> zurükkommen, so muß es ihnen willkommen sein, Deinen Prozes noch einmahl untersuchen zu können; und in dem Falle, findt sich die Wiederechtlichkeit von selbst; Du wirst sagen Bester, verdienen diese Menschen dann, daß ich mich nur mit ihnen einlaße, sie verdienens freylich nicht; mich deucht aber; daß das Beste der Sache es verdient; die vielen jungen Leuthe verdienens, die sich nach Deinem Untericht sehnen. Nun kommt noch hinzu, daß mir Tiek eine klägliche Beschreibung, vom Berlinerpublicum gemacht; diese sollen ja die einfältigsten, und dazu sich sehr klug dünkendensten Menschen, von der Welt sein; wie werden denn die Dich jemahls verstehn können? sie die vermöge ihrer hohen Einbildung, sich izt zu Richtern aufwerfen werden. In Jena hattest Du gute Köpfe, wisbegierige Menschen, wo die Klugen, die Dummen, in Zaum hielten: drum glaube ich, daß wenn man nicht berechnen kann, daß das Etablieren in Berlin, Dir eine Stelle auf einer preusischen Universität verschaff, es doch gewagt ist, wenn wir uns dort festsezen; besonders da es dort doch sehr viel teuerer Leben sein soll, als hier, wie mir Tieks izt aus Erfahrung sagen; zweyten’s haben die Berliner geglaubt, wie mir die Veitin sagte; Du seyest einem Menschen ähnlich, der eher ein Bär als ein Mensch sey; nun haben sie freylich große Verwunderung drüber, daß sie das völlige Gegentheil finden; wenn ihnen dieses aber nicht mehr neu sein wird; kurz ich kann nicht glauben, daß Du es lange mit solchen Menschen aushälst; das kommt freylich auch sehr <mit> in Rechnung, daß Dir [das] dortige Clima viel zuträglicher ist, kurz Beste Seele, Du wirst ja alles reiflich überlegen, und das Beste wählen; Eins ist noch hier; daß seit dem die Franzosen, uns wieder so nahe kommen, man hier wieder etwas zähmer wird, welches in Berlin keinen Einfluß haben kann.
Glaube ja nicht Theurster Fichte, daß mein Herz an’s Haus, oder an irgend etwas in Jena hänge: es hängt gewis nur an Dir allein, und wo Du bist, bin ich gerne, wenn ich nur bey Dir bin, so ist alles andre Nebensache, das weißt Du ja.
Du frägst mich ob Schl: der Mann, dieser ganzen Intriege kein Ende mache; es scheint nicht, die Frau scheint <nun> den Mann zu schmeichlen, er scheint es sich gefallen zu laßen und die Sache wie ein Mann zu nehmen; qui connoit le grand ton; mit unter sieht man auf seinem Gesichte; den höchsten Grad der Unzufriedenheit, er nimt sich aber wieder zusammen.
Ich freue mich sehr, daß Du Fischern izt hast; er liebt Dich gewis, und meint es ehrlich; aber für geschwäzig halt ich ihn doch; denn wie hätten Frommanns jemahls die Offerten, welche er uns gemacht hat, erfahren können, als durch ihn; und daß sie’s wißen, hab ich aus ihrem Gespräche vernommen.
Allso an einem Gallenfieber sollst Du noch izt gestorben sein; das beweißt doch zum wenigsten, daß sie genung Ursache, zu einem Gallenfieber da glauben; und sie sprechen ihr eignes Urtheil; denn es ist doch wahre Schande, einen ehrlichen Mann, zu tode zu <är>gern.
Ich habe nie geglaubt, daß es in Jena gut leben sey Bester; denn wie unaussprechlich, war mir das Ganze hier zuwieder; ich glaubte aber, und glaube noch, daß es auf andern Universitäten nicht [/] viel beßer ist, und Deine Bestimmung führt Dich doch auf Universitäten; weil Du unstreitig nur dort am meisten wirken kannst; und so daß durch Dich allein, eine ganz andre Menschenraße entstehn kann; denn es sind gewis tausende, die im blinden herumtappen, und sich nach Belehrung sehnen; und welche absolut Deines Vortr[a]gs bedürfen; bedenke nur dies Bester.
Hufeland traf ich auf der Straße an, er sagte mir daß er Dich gesehn, und daß Du sehr vergnügt und wohl seyest; seine Frau wolle mich nächsten’s besuchen; Du sagst ich seye nur zu gut mit ihnen; ach das bin ich immer gewesen; ich freue mich wenn ich in meinem Herzen Mitleiden, und nicht Haß gegen alle diese Menschen finden kann; und ich muß leider noch einmahl fragen; wo wird es viel beßer sein?
Laß mich von was beßern mit Dir reden, Beste Theurste Seele; von unserm ehrlichen Hartmann, das ist er Gottlob noch immer; auch geht all mein Bemühen dahin, diese ehrlichkeit wie ein Heiligthum, bey ihm aufzubewahren; ich muß manchmahls über die ähnlichkeiten seines Caracters, mit dem Deinigen, erstaunen; wenn er gut ist, so ist er die Güte, Liebe, und unschuld selbsten; so ein reines Hingeben, [das] keine Falschheit ahndet; ein göttlicher Junge: ist er aber auch böse, so trit er gleichsam, wie ein kleiner Löwe hervor, der sich vor gar nichts fürchtet; wenn er mit Karl Schillern, der 6: Jahre alt ist, einen Zweykampf anfängt, so hat der alle Mühe sich gegen ihn zu wehren: O Bester komm doch, kom auch um unsers Jungen willen; ich hoffe Du habest Freude an ihm; er freut sich gar sehr, den Vater wieder zu sehn, und auch mit ihm zu fechten: die Jenenser sind ja Nebensache. Du weißt doch daß Brechtet, samt seiner Frau gestorben? Die Schülerin ist sehr schlecht, doch hoft man wieder an ihrem Aufkommen.
Noch eins fällt mir ein, ich glaube immer, daß wenn Du Dich mit den Höfen, auf eine für Dich anständige Art, wieder außöhnen kannst, es Dir auch leichter wird, alsdann eine Profeßor Stelle, auf einer preußischen Universität zu bekommen; Wenn Du ihnen, unter der Hand wißen läßt, daß Du sie gerne annähmest; es macht doch leider, heutzutage, großen Eindruk, wenn man öffentlich vernimmt, die Höfe hätten Dir unrecht gethan; nun glauben’s doch nur Freunde, und die welche, diesen Höfen nicht wohl wollen. Auch würdest Du öffentlich beweisen, daß Du Dich auch mit Höfen aussöhnen kannst.
Hat Reinhold noch nicht geantwortet? Jacobis Briefe, hab ich in der Annonce gesehn, und kommen bey Bohn heraus. Die Franzosen sind noch immer siegend; was sagst Du zu Bonaparthen’s Ankunft? wer hätte das hoffen dörfen; ich glaube, daß wir dem so lang erwünschten Frieden nahe sind; izt sprechen sie von Winterquatieren, und während dem können sie Friede schließen.
Lebe wohl, Beste Theurste Seele, ich umarme Dich in Gedanken, von ganzem Herzen; mach doch ja, daß ich Dich bald in der Wirklichkeit umarmen könne. Hartmännchen läßt Dich grüßen, auch trägt er mir auf Dir zu sagen, ich bin izt ein guter Hartmann. Der lose Junge, weiß gar wohl, wenn er braf ist. Stahl sagte mir heute, Schelling hätte sich mit Hufeland gezankt, und ihn schriftlich versichert, daß er sich ein’s für allemahl, von der Literathurzeitung loßage, dies kann ich nicht verstehn; und das wirds wohl sein, warum Du für <ihn> herkommen sollst; das Zanken wird hier kein Ende haben.
Herrn Profeßor Fichte.
In der Friedrichsstraße, zwischen den Linden,
und der Behrenstraße in Violets Hause.
zu
Berlin.
Metadata Concerning Header
  • Date: Freitag, 1. November 1799
  • Sender: Johanna Fichte
  • Recipient: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 4: Briefe 1799–1800. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1973, S. 135‒139.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 193
Language
  • German

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