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Johanna Fichte to Johann Gottlieb Fichte

Wenn ich Dir gleich gestern geschrieben habe, Beste Seele; so kann ich doch den Anlas Dir ein Leben’szeichen von mir zu geben, nicht ungenüzt vorbey gehn laßen: und hoft ich nicht, Du kämmest izt gewis bald, so hat ich von dieser Gelegenheit profitiert, und wäre mit unserm Hartmann zu Dir gekommen: da ich aber glaube, Du kommest bald, auch nicht weiß, ob Dus gerne sähest, wenn ich izt komme, es im Ganzen auch nicht recht klug wäre, denn Geld würde es immer kosten; so versage ich mir dieses sehr große Vergnügen; aber nicht wahr, Du kömmst izt gewis bald? wenns fürs Ganze nicht nachtheilig ist; das kann ich nicht beurtheilen.
Ich schike Dir diesen Brief durch Bohn, aus Lübeck, welcher Dich, nebst seiner Frau gerne sehn mögten. Bohn ist lange in Zürich gewesen, ist Frommanns Schwager, und möchte vielleicht Dein Verleger werden; ein [guter] ehrlicher Mann ist er, so viel weiß ich von ihm, vielleicht kannst Du was mit ihm machen.
Gruner hat allso ein Buch 20: Bogen stark heraus gegeben; welches so grob, und pöbelhaft ist, als gewis noch nie keins geschrieben worden; er zieht über Dich entsezlich los, will Dich zu einem Jacobiner und Illuminanten machen, lauter pöbelhaftes Geschwäz, ohne irgend einem Beweis; sagt daß er der Verfaßer der Briefe nicht sey, legt ein Zeugniß des Verlegers auf welchem Du gedeutet hattest, bey; greift Paulus seine Glaubenslehre an, wie auch Stark wegen seiner Geschichte mit Hufel:; bringt verschiedne andre alte Geschichten, wo man ihm Unrecht gethan, vor; von welchen wir nicht einmahl was wußten: kurz es ist dummes, und boshaftes Geschmir; ich glaube man könnte ihm, keinen größern Poßen spielen, als wenn man ihn, um den Beweis bäthe; daß Du ihn wirklich gemeint habest. Es ist hier nur eine Stimme, daß es ein dummes, abscheuliches Buch sey: Es ist einer, vielleicht 2: Studenten, welche ihm drauf antworten wollen; von Dir verdient er keine Antwort, auch hat er im Buche, auf immer, von Dir Abschied genommen; Gruner hat sich, in seiner Tolheit: selbst geschadet, indem er Dir schaden, und sich rechtvertigen wollte.
Bonaparte ist, als oberer Befehlshaber, nach Italien abgereist; es scheint die Franzosen, wollen Italien wieder haben: Ich freue mich besonders, daß die Rußen aus der Schweiz sind, und daß es dort ruhig wird; wer weiß, wenn sich die Schweiz in etlichen Jahren wieder erholt hat, ob dort nicht was für uns sein wird: Gottlob und Dank, daß Du mein Theurster so gesund bist; wie mich das freut, kann ich Dir nicht beschreiben; aber schreibe doch auch unsern guten Eltern, die stehn gewis mehr Angst aus, als Du nicht glaubst; sie dauren mich herzlich.
Unser Hartmann schläft sanft und ruhig neben mir, auf dem Soffa; wachte er, so würde er fragen, an wem schreibst du Mutter; ich wollte, ich könnte Dir, den Kraft vollen Ausdruk seines Gesichts mittheilen; komm doch ja, und siehe selber, Beste Theurste Seele. Ewig die Deine.
Fichtin
Pour Fichte.
In der Friederichsstraße, zwischen den Linden,
und der Behrenstraße.
zu
Berlin.
Metadata Concerning Header
  • Date: Samstag, 2. November 1799
  • Sender: Johanna Fichte
  • Recipient: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 4: Briefe 1799–1800. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1973, S. 140‒141.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 194
Language
  • German

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