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Johann Gottlieb Fichte to Johanna Fichte

Den 5ten November 1799.
Meine gegenwärtige Schrift wird hoffentlich denen, die nicht Schälke sind, – und deren sind doch die wenigsten – die Augen auf reißen; und die Schälke haben dann um so schlimmeres Spiel; weil sie vor dem ganzen Publikum auf der offenbarsten Lüge ertappt werden. – Auch ist nun der Jacobische Brief an mich gedruckt. Ich werde darauf, sobald ich sonst freie Hände habe, anworten, und dies soll neue Lichtstrahlen geben.
Freudigkeit und guter Muth ist mir der höchste Beweis, daß Du mich liebst, wie ich geliebt seyn sollte. Versunkenheit [in] Schmerz und Sorge ist Mißtrauen in mich, und macht mich unglücklich, weil es Dich unglücklich macht. Es ist keine Probe von Liebe, daß Du mir zugefügtes Unrecht tiefer empfindest; ich selbst empfinde dieses leichter; und eben so muß es Dir seyn, denn ich und Du sind Eins.
Rede doch nicht vom Sterben, und mache Dir keine solche Gedanken; denn das zehrt Dich ab, und gerade dadurch könnte es wahr werden. Nein, wir wollen noch viele frohe und glückliche Tage mit einander leben; und unser Junge soll uns erst, wenn er selbst ein gemachter und vollendeter Mann ist, die Augen zudrücken. Bis dahin bedarf er unsrer noch.
Ich habe bei der Ausarbeitung meiner gegenwärtigen Schrift einen tieferen Blick in die Religion gethan, als noch je. Bei mir geht die Bewegung des Herzens nur aus vollkommener Klarheit hervor; [/] es konnte nicht fehlen, daß die errungene Klarheit zugleich mein Herz ergriff.
Glaube mir, daß diese Stimmung an meiner unerschütterlichen Freudigkeit, und an der Milde, womit ich die Ungerechtigkeiten meiner Gegner ansehe, großen Antheil hat. – Ich glaube nicht, daß ich, ohne diesen fatalen Streit und ohne die bösen Folgen desselben, jemals zu dieser klaren Einsicht und zu dieser Herzensstimmung gekommen wäre; – und so hätten ja die mir zugefügten Gewaltthätigkeiten schon jetzt eine Folge, die weder Du noch Ich wegwünschen werden.
Laß Dich immer den guten Jungen trösten, und trockene die Thränen ab, wenn er Dir’s rathet. – Denke es sey Vaters Rath, der gewiß dasselbe sagen würde. Und nimm Dich unseres lieben theuern [Hartmann] an, wie ich Dir letzthin geschrieben. Der Junge ist unser Reichthum, und wir müssen ihn wohl nutzen. –
Sage Niethammer’n, nebst meinen Grüßen, 1) daß das Phil. Journal bei Michaelis in dem Buchladen vergeblich gesucht würde, weil Michaelis Effecten noch arretirt wären; daß dies sehr albern sey von Michaelis, wie sich verstehe, und daß er etwa suchen solle Rath zu schaffen – 2) daß auch das unsrige bei Gabler vergeblich gesucht werde, indem es vergriffen seyn solle. Ich bäte ihn über den letzten Umstand bei Gabler Erkundigung einzuziehen, und mit der Fortsetzung würden wir dann beide en conséquence verfahren. –
Den Grund der Zänkerei Schelling’s mit Hufeland weiß ich wohl. Schelling hat ganz [/] Recht. – Du sollst erleben, wie sich das Alles in die Haare gerathen wird. – Auch dazu war ich gut, diese entgegengesetzten Menschen auseinander zu halten, und sie zu besänftigen. Sie werden auch darin sehen, daß ich nicht mehr da bin.
Ich kann von dem faulen oder zu sehr beschäftigten Medailleur noch immer keinen Abdruck meines Bildnisses erhalten, ohnerachtet ich es von Tag zu Tage erwartet, und schon vor länger denn 14 Tagen bestellt habe. Mit dem nächsten Briefe denke ich aber sicher Eins abzusenden.
Ich erhalte so eben einen Brief von Schelling. Habe die Güte ihm sogleich sagen zu lassen, daß ich nächstens antworten würde: Daß ich aber vorläufig sehr abriethe, seine „Annalen“ noch besonders außer dem Journale abdrucken zu lassen. Sie gehen, ich weiß es, gerade im Journale am Besten. Kann man ja von diesem Stücke etwa 2000 Exemplare drucken, und ein besonderes Heft seyn lassen. Ueber das Honorar mag Sch., ohne unser Zuthun, mit Gabler contrahiren.
Lebe wohl, gute Liebe!
Metadata Concerning Header
  • Date: Dienstag, 5. November 1799
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Johanna Fichte ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 4: Briefe 1799–1800. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1973, S. 142‒143.
Manuscript
  • Provider: Handschrift verschollen
Language
  • German

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