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Johanna Fichte to Johann Gottlieb Fichte

Jena d: 13. Nov. 99:
Beste Theurste Seele, Dein heutiger Brief, und der, den ich die vorige Woche erhielt, haben mich beyde überzeugt, daß Du mich nun nicht mehr miskennst, und daß alle Misverständniße gehoben sind: wie mich das freut, beruhigt, und wieder froh, und heiter macht, kann ich, Dir Geliebter Fichte, nicht genung beschreiben; ach daß es doch immer so bleiben möge!
Ich sahe hier Feßlern, nur eine vierthelstunde lang, wurde zu Frommanns eingeladen, um ihn für länger zu sehn; schlug es aber aus, weil er mir sehr misfallen hatte; und ich fürchtete, daß er mich auf eine indiescrete Art, Gott weiß was alles fragen wörde; nach Deiner Beschreibung von ihm, freue ich mich sehr, ihn nicht mehr gesehn zu haben: Durch Fr: weiß ich aber, daß er Dich achtet, und glaub ich auch liebt. Du hast mir Bester, eine starke Quelle von Trost mitgetheilt, indem ich nun hoffe, Du laßest Dich nicht wieder von Menschen misbrauchen, um was Gutes zu wirken, woran sie Dir immer hinderlich waren; sondern Du brauchest sie, ohne daß sie es einmahl ahnden; es ist freylich ein Weg, der dem ganz ehrlichen Manne nicht ansteht; man kann aber in dieser LumpenWelt, wie Du sie mit recht nennst, nicht anderst durchkommen; oder man müßte sich ganz leidend verhalten; und auch dies hilft nicht. In Berlin, wird man allso auch nicht beßere Menschen finden, als wir hier verlaßen; nur sind sie nicht so erbärmlich kleinstädtisch, aber anmasender, und dümmer; die Aussicht ist freylich nicht lieblich; ich habe ja meinen theuren lieben Fichte; und unser Hartmann wird uns ja auch was werden, darüber will ich mich nicht betrüben, sondern mich einmahl drin finden lernen, daß es nicht anderst ist. Ich weiß nicht, was mich hindern sollte, nicht mit Dir Bester nach Berlin zu reisen, wenn Du es für ausgemacht ansiehst, daß hier nichts zu machen ist; und daß sich in Berlin, was machen wird; das weiß ich alles nicht: Ich habe mir die Sache mit Weimar so gedacht; daß ihnen unter der Hand beygebracht würde, wie rechtswiedrig sie verfahren sind, indem sie einen Brief, welcher mit allen diesen Umständen, extra acta übergeben wurde, zu den acten legen, und nach diesem Briefe, das Urtheil sprechen, man könnte ihnen ja darüber einen Prozes an den Hals hängen, wenn es die Unkosten, von Zeit, und Geld lohnte. Ich muß lachen, wie bey Schüzen’s alle 14: Tage Comedie gespielt wird, wie Griesbachs izt selbst mit zusehn, und wie von Weimar kein Mensch nichts darwieder hat.
Huffeland den Juristen hab ich noch nie so höflich gegen mich gesehn, er läßt Dich auch grüßen, warum er so höflich ist, weiß ich nicht, ob er will, oder soll gebraucht werden, von Vogt aus, weiß ich auch nicht; seine Gesprächigkeit, sein mit mir Spazieren gehn, war mir auffallend; ich glaube Du könntest mit ihm machen, was Du wolltest, besonders da er mit Schelling, und Schlegels sehr gespannt ist.
Allso künftigen Monath, kann ich Dich Bester, wieder sehn, und an mein Herz drüken; nun Gottlob wenn ichs einmahl erlebt habe, das war eine sehr lange lange Zeit; aber komme doch ja anfangs des Monaths, sonst wärt es wieder einige Wochen länger, und das ist ja gewis hart. [/]
Über unsern Hartmann sollst Du nicht Ursache haben, Dich zu betrüben, denn er wird izt, ein brafer Junge, auch befolge ich gewis Deine Vorschriften, izt aufs neue pünktlich, und habe sie auch zum theil vorher befolgt, auch wasche ich ihn täglich, mit kalten Wasern, und gehe spazieren mit ihm; glaube es nur Beste Seele.
Gabler will mir heute Antwort schiken; auch bittet er ganz inständig um die Vortsezung des Journals, denn sonst fürchtet er die Zurükgabe der ersteren Hefte, in welchen nichts von Dir steht, und dies wäre ein großer Verlust für ihn: Niedhammer grüßt auch herzlich, und freut sich, wie die übrigen Freunde, auf Dein Herkommen: N. sagt, daß wenn Du etwa zu 2: Boogen, was in’s Journal geben wolltest, so hät er noch genung Manuscript, damit es wieder einen Theil gäbe.
Hartmännchen sagt ich solle dem Vater einen Kuß schreiben, und er wolle Dich recht viel Küßen, und sich freuen, daß Du da seyest; auch wolle er Dich fragen, wo Du so lange geblieben; das sind seine eignen Einfälle: Du wirst allso von Frau, und Kind, halb zu Tode geküßt werden, Theurer Fichte, hast Du nicht selbst Mitleiden mit Dir?
Ich sage Niemandem, daß Du Dich mit den Freimäurern abgiebst; dies haben Schlegels ausgebracht; und was Huffeland izt thut, weiß ich; der hat aber izt, samt seine ehrwürdigen Mitbrüder so viel zu thun, daß sie nicht wißen wo ihnen der Kopf steht: 4: Nächte hintereinander ist hier Spectacel gewesen, zwischen Studenten; und Soldaten; so daß einige sonst gute St: welche ganz unschuldig waren, Löcher im Kopfe haben; u. 15: Sold: verwundet sind; die Bürger sollen sich offriert haben, die Wache zu halten, und alle Soldaten sollen vort; darüber ist nur eine Stimme, daß man die Studenten unwürdig behandle, izt ist alles ruhig, weil dieSt: sich am Herzoge gewandt, und von dem Satisfaction verlangen, erfolgt diese nicht, so wird es wieder losgehn; auch verlieren sich izt die Bürger drin, und wollen nicht alle St: verliehren; uns thut Niemand nichts, auch geh ich des Nachts nicht aus dem Hause; Du kennst ja Jena, und kannst Dir vorstellen, Bester, wovon izt gesprochen wird: ich bin stille; und mag diesen Nichtswürdigen, den Spas wohl gönnen; denn sie haben, wohl mehr als dies, an uns verdient. – – Ich freue mich von ganzer Seele; daß Du einen Verleger hast; Gabler, der die Schrift sehr gerne gehabt hätte, sagte ich; ja wenn [Sie] meinem Mannen 600: th: dafür hätten geben können, so wäre es vielleicht wohl angegangen; da klagte er, daß ihn der Mangel an barem Gelde allein drüke, daß er von der Meße 700: th: empfangen sollte, und 80: th. erhalten hat: sein Verlag seye gut; aber man suche ihn hier zu drüken.
Ich bin nicht besorgt. so bald Du Beste Seele, gesund, und munter bist, und das bist Du ja Gottlob, dann wird sich das übrige schon alles finden; wenn ich Dich Beste Theurste Seele bald bey mir habe. [/]
Soll ich Dir auch Bier einlegen? Die meisten Krüge <sind> freylich verkauft, was trinkest Du izt? und was thut Deiner Gesundheit am besten?
Gabler empfiehlt sich Dir, er hat mir heute die 100: th: überbracht; und erwartet von Dir allso das neue Manuscript; auch wird er die 300. th: dafür, zu der bestimmten Zeit einhändigen; die erste Ausgabe ist freylich noch nicht ganz vergrieffen, er sagt aber es mache nichts, das werde sich schon finden. Aber glaubst Du nicht Bester, daß es Gablern sehr schaden würde, wenn Du izt gleich eine neue umarbeitung der Wißenschaftslehre heraus gäbest; denn der arme Mann, würde Dir doch dauern, wenn er von der zweyten Auflage nichts verkaufte. Tieks gefallen mir, sie laßen Dich, wie viele andre hier, herzlich grüßen; Tiek freut sich, mich, wenn ich mit Dir Bester nach Berlin gehe, seiner Schwester zu empfehlen, wenn sie dem Bruder gleicht, so kann sie mir gewis lieb werden; denn er scheint ein so guter, und vernünftiger Mann zu sein: ich hoffe, und wünsche, von Herzen, daß ich mit Dir reisen könne; denn immer so ohne Dich zu leben, ist höchst wiedrig; ich bin nun schon viel freudiger, da ich hoffen kann Dich Theurster bald zu sehn, und bey Dir zu bleiben; seit Deinen lezten Briefen, stricke ich auch wieder gerne, ja mit Freuden, an Deinen Strümpfen, habe unser Kind lieber; und alles ist mir anderst.
Lebe wohl, Du Bester, Du Einziger; ich drüke Dich, mit unbeschreiblicher Liebe an mein Herz.
Ich erzehle hier, wo ich nur kann, wie die preußische, u: Chursäksische Regierung, das Verfahren, der hiesigen Regierung, gegen Dich ansieht, und es macht Wirkung.
Herrn Profeßor Fichte.
In der Friederichsstraße, zwischen den
Linden, und der Behrenstraße, in Violets Haus
zu
Berlin.
Metadata Concerning Header
  • Date: Mittwoch, 13. November 1799
  • Sender: Johanna Fichte ·
  • Recipient: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 4: Briefe 1799–1800. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1973, S. 149‒152.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 196
Language
  • German

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