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Johanna Fichte to Johann Gottlieb Fichte

Jena d 18 : Nov: 99:
N: 20:
Ja Bester, Theurster, ich vergeße sie gerne, diese traurigen, Misverständniße, und freue mich nur daß alles vorbey ist; diese Freude ist aber auch so groß, daß ich nun ein ganz andres Geschöpf bin; der Gedanke, Dein Fichte ist nun wieder ganz, im vollen Verstande des Worts, ganz gut mit Dir, überfällt mich oft, und macht mich so froh, und heiter, daß mir alles übrige, welches mir zuwieder ist, als Nebensache vorkömmt; und ich mich denn so innig, über Dich, und unsre Liebe freuen kann; das ist doch ein ganz andres Leben, wenn ich Dich Du Bester, so recht lieb haben kann; erhalte mir diese theure Liebe, das Glük meines Leben’s, Du Einziger, ich will gewis auch alles, zu ihrer Erhaltung beytragen.
Deine Commißionen habe ich gleich besorgt; es sind hier solche Zänkereyen, wie noch nie waren; die Antwort auf Schelling deucht mir sehr bübisch, und doch so eingerichtet, daß sie dem größeren Publicum gefallen wird. Die Anzeige von Schlegel, ist doch ein wenig zu arogant, und die Wortreiche Antwort drauf, in welcher sie ihm so gerne recht weh thun möchten, und sich doch nicht recht getrauen, sehr einfältig; diese Menschen sind, untereinander so gespannt, daß sie sich nicht mehr sehn; sie werden nun, an den ehrlichen Fichte denken, mit dem sich doch reden ließ.
Heut 8: Tage, so war hier ein solcher spectakel, daß alle Studenten, nebst Bürgern, und Handwerksburschen, gegen die Soldaten, zu Felde ziehn wollten; die vernünftigern, unter den Studenten beschloßen aber, erst zu dem Commandanten zu gehn, und ihn zu fragen, ob die Soldaten sie ferner mishandlen sollten; der Command. war äußerst höflich; versicherte sie, daß das nie seine Absicht gewesen, daß er dazu nie keinen Befehl gegeben, u.s.w. nun blieben sie ruhig; der Commandant ist abgesezt worden, und Bentheim hat wieder die Stelle bekommen; das war der Wille des Herzogs: dies scheint mir, sehr ungerecht, und höchst unklug, auch sieht man daraus wie sehr sie sich in Weimar fürchten, wenn man ihnen ein wenig zu Leibe geht; die Studenten sollen auf dem Markte, izt wieder Herr, und Meister sein, verhalten sich aber ruhig. Beier war auch in Weimar, wo man ihm, alle nur mögliche Genungthuung versprochen hat; nun wollen wir sehn, wie lange Weimar, diese unvorsichtige Nachgiebigkeit beybehalten wird: es ist ein Glük, daß die Großen, immer inconsequent sind.
Schillers Frau, ist nun seit 5: Wochen, in einem verwirten Zustande; der Arzt macht aber Hoffnung, daß sie sich wieder erholen wird, auch ist sie Stundenlang, wieder bey Besinnung: dieser Zustand der Frau, hat Schillern sehr mitgenommen, er kann gar nicht arbeiten, und wird izt, auch nicht nach Weimar gehn; er ist wirklich zu bedauren; Hartbauer ist da, läßt herzlich grüßen; [/] er wacht alle Nacht von 1: Uhr, bis am Morgen bey der Schillerin; die Herbarthin, hat er fast ganz gesund verlaßen, nur ist sie mit ihrem Manne, welcher ärger, als Mollièress Tartüf sein soll, nicht auseinander; sie versprachen Hartbauer immer, die Sache gütig mit ihr abzumachen, und als der Tag der Abreise nahe war, so hieß es miteinmahl, es müße gerichtlich sein; nun wollte im ganzen Orte, kein Advokate sich der Frau annehmen, weil sie fürchteten, den Mann zum Feinde zu bekommen; drauf hat die Frau sich am Herzoge, selber gewandt; den Ausgang weiß man noch nicht: dort muß die schlechteste MenschenRace sein.
Ich habe auch einen Brief, vom Bruder erhalten; ach wie dauren mich die Guten, was mag der redliche Vater gelitten haben, ich kann es mir vorstellen; und hätte ich mir dies alles so gedacht, und gewußt, daß Du Lieber, nicht schreibest, so hätte ich längsten geschrieben; denn die Lage ist abscheulich, die Seinigen in unglüklichen Umständen zu wißen, und keine Briefe von ihnen zu erhalten; ich kenne sie.
Mir deucht, daß Du Bester, der hiesigen Regierung, keinen übeln Streich gespielt hast, daß Du in Berlin bist; denn da izt allgemein bekannt ist, daß Du dort gut aufgenommen, daß Du Dich dort gefällst, so machen sie große Augen, und Du wirst sehen, mit welcher Achtung, sie Dir begegnen werden. Feßler hat Frommann geschrieben, und auch erzehlt, daß er Dich oft sehe; <und> daß Feßler eine Versorgung in Berlin haben will; warum muß er denn so lange warten? da er doch so wichtige Verbindungen hat; ist es denn dort so schwer, unterzukommen?
Mich verlangt ganz erstaunlich, nach Deiner neuen Schrift, ob ich sie wohl werde verstehn können? sie wird, und muß, Sensation machen. Schlegel liest gar nicht, weil wohl kein Colegium zusammen gekommen wäre; Jurist Hufel: hat sehr wenig Zuhörer, Stahl, u Schelling, der nur ein Collegium list! hat viel, und Niedhammer mehr Zuhörer als sonsten: weißt Du nicht, ob Schelling auf Ostern abgeht? Schlegels bleiben gewis, nicht lange mehr hier, wovon sie leben, weiß ich nicht.
Für zwölfhundert th: hätte ich das Haus schon wieder verkaufen können; ich muß sehn, wies izt gehn will, so viel dran zu verlieren ist doch hart, ich werde mein möglichstes thun. Ilgen wird suchen Theologe zu werden, denn er hat zu wenig Zuhörer; dieses hat man ihm, in Gotha, wo er diesen Herbst gewesen, gerathen. [/]
Unser gute Hartmann ist gottlob immer gesund; auch izt in jeder Rüksicht ärtiger; die völlige Trennung, welche ich mit den Jungen Gordons, und ihm, vorgenommen, hat ihm sehr wohl gethan, denn er war, wie der kleine Hund im Hause, an dem Jedermann nakte; und so hätte das arme Junge ganz zu Grunde gehn müßen, drum habe ich mir dieses ganz bestimmt verbäthen. Ha[r]tmännchen sagt mir diesen Augenblik, der Vater solle ihn küßen, und grüßen, und das solle ich Dir schreiben. Sage mir nur auch Beste Theurste Seele, in welcher Woche kann, und darf ich Dich erwarten? nun geht es, gegem Ende Nov. gottlob, daß es doch nicht lange mehr dauren kann, ich verlange so sehnlich nach Dir Theurster, daß ich die Zeit kaum abwarten kann, mögest Du nur gesund bleiben, bey der schlechten Witterung, und so gesund, und munter in meine, für Dich offenen Arme eilen; ich gebe mir alle Mühe, daß unser Kleiner, und ich gesund bleiben, und Du uns so ganz froh findest, damit wir recht glükliche Tage, mit einander verleben; das wolle Gott. Ich möchte gerne noch allerhand mit Dir schwazen, Beste Seele, der muthwillige Hartmann, läßt mir aber keine Ruhe dazu, er ist gar zu sehr gewöhnt, daß ich mich mit ihm abgebe. Lebe allso wohl, Du Bester, Du Einziger, an dem meine Seele hängt; ich Liebe Dich unaussprechlich, komm, ach komm nur auch bald; wegen Deiner Reise bin ich ängstlich, daß Du Dich verkältest, oder daß Dir sonst was begegne; nim doch alle nur mögliche Vorsicht, ich bitte Dich inständig, ich bitte Dich, um unsrer Liebe, ich bitte Dich um des guten Hartmanns willen, thue es doch ja.
Herrn Profeßor Fichte
In der Friederichsstraße, zwischen den Linden,
und der Behrenstraße. in Violets Hause.
zu
Berlin.
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 18. November 1799
  • Sender: Johanna Fichte ·
  • Recipient: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 4: Briefe 1799–1800. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1973, S. 153‒156.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 197
Language
  • German

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