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Johann Gottlieb Fichte to Johanna Fichte

[…] Den 19ten [November] 1799.
Dieser Brief blieb liegen, weil ich durch meinen Bruder abgehalten wurde, fortzuschreiben. Wie es bei unsern Eltern, und wie es mit der Handthierung des Bruders geht, werde ich Dir mündlich erzählen. Indessen kann ich Dir zum Troste sagen, daß ich wenigstens keine beunruhigende Nachrichten erhalten habe. – [/]
Einen Lebensplan für das Künftige zu machen, bin ich jetzt unfähiger, als je. Es hat inzwischen damit nicht Noth, und es ist nichts versäumt. Ich habe nun doch 1200 Rthr. vor mir so gut, als schon verdient (500 Rthr. von der Bestimmung des Menschen, 300 Rthr. für die neue Auflage der Wissenschaflslehre, 400 Rthr. noch auf Wechsel von Gabler); wir haben also für ein Jahr zu leben, wir mögen leben, wo wir wollen, und indessen wird wieder gearbeitet und verdient. Sieh diesen Vortheil unserer Lage, vor Nahrungssorgen gedeckt zu seyn, und sey ruhig und heiter. Das ist denn doch das Erste, daß man in seinen häuslichen Verhältnissen ruhig seyn könne: alles Uebrige findet sich nach und nach von selbst. So eben erhalte ich Briefe von Reinhold, nach denen an Heidelberg vor der Hand nicht zu denken ist. Nun so sey es! Ueberhaupt können wir gar nicht wissen, welche große politische Veränderungen bevorstehen, und ob es nicht in dieser Epoche ein wahres Glück ist, nirgends gefesselt zu seyn.
Deinen Brief vom 13ten habe ich indessen auch erhalten: und danke Dir für Deine Liebe. – Meine Sache in Jena siehest Du noch immer falsch an: aber das wollen wir schon mündlich durchsprechen.
Was in aller Welt sind dies wieder für Händel in Jena! Ich habe stets vorausgesehen, daß, nachdem man zur Zeit, als wir in Osmannstädt waren, es versäumt hat, den Ungezogenen und Störrigen kräftig durch den Sinn zu fahren, man über kurz oder lang sich der erkannten Uebermacht zur Unterdrückung der Unschuldigen bedienen würde: welches [/] Deiner Erzählung nach jetzt der Fall zu seyn scheint. So wird denn die Universität mit Gewalt zu Grunde gerichtet.
Daß du Tiek so lobst, darüber bin ich verwundert. – Wie er natürlich ist, weiß ich; daß er sich zusammen nehmen, und etwas anders scheinen kann auch: aber ich sehe den Grund nicht ein, warum er sich mit Dir so zusammen nimmt.
Es kann seyn, daß Hufeland mich an der Spitze der neuern Streitigkeiten gegen die LitteraturZeitung vermuthet, und daß sein Gutthun eben die Absicht hat, mich in dieser Sache entweder zu neutralisiren, oder gar für sich zu gewinnen. – Dies wird sich aber näher ergeben, wenn ich komme. Ich werde mich vor der Hand in diesen Sachen, in welchen ich allerdings längst eine Partei ergriffen habe, äußerlich sehr ruhig verhalten, damit ich sehe, wo es hinaus will. –
Lebe wohl, Du Theure!
Metadata Concerning Header
  • Date: Dienstag, 19. November 1799
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Johanna Fichte ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 4: Briefe 1799–1800. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1973, S. 157‒158.
Manuscript
  • Provider: Handschrift verschollen
Language
  • German

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