Single collated printed full text without registry labelling not including a registry

Ignaz Aurelius Fessler to Johann Gottlieb Fichte

Gegenbemerkungen.
[1] Ob ich befriedigen oder nicht befriedigen werde, gehet mich Nichts an. Ich habe nie versprochen, zu befriedigen, sondern mitzutheilen, Was und soviel ich weiß. Ich habe den Brüdern immer nur vorgelegt, nie Etwas aufgedrungen; ich habe sie in allen Ritualen modificiren und streichen lassen, wie sie wollten, ohne Etwas hartnäckig zu vertheidigen; und ebenso werde ich es auch mit der Gnosis machen.
[2] Menschen und ihre Kräfte sind nicht Das, wozu sie Fichte macht, oder wofür er sie erklärt, sondern was sie sind.
[3] Ich wünschte, daß Br. Fichte meine Worte, die ich seit einer Zeit nicht ohne sorgfältige Abwägung zu ihm sprechen konnte, nicht verdrehen möchte. Es ist unwahr, daß ich gesagt habe: „ich hätte noch keinen Übergang von den Templariern zu den heutigen Freimaurern gefunden; Das würde sich aber schon machen lassen;“ sondern ich sagte, Was ich schon öfters zu mehrern Brüdern gesagt habe: „der schwerste Punct in der Gnosis ist, den Übergang zu finden. Es giebt der Hypothesen mehrere; aber keine befriediget vor der Hand meine Foderung der Wahrscheinlichkeit ganz: indessen hoffe ich wenigstens für eine bei nochmaliger Revision der Quellen befriedigende Gründe zu finden.“
[4] Dieses Ganze hätte eigentlich Bruder Fichte, als unbefangener, gesetzter, wahrheitliebender Mann, abwarten sollen. Es gehört eine ungeheure Portion von Anmaßung dazu, einem Menschen a priori die Fähigkeit, Etwas zu entdecken, abzusprechen, was doch in dem Kreise möglicher Entdeckungen, sowie in dem Kreise menschlicher Kräfte, liegt.
[5] Ich habe laut gestanden, gestehe es, und werde es gestehen, daß ich mich um das Befriedigen nicht bekümmern kann, sondern Dieß der Urtheilskraft eines jeden Bruders überlassen muß. Ich kann Nichts sagen, als: „Brüder, Das weiß ich, Das glaube ich, Das ist mir wahrscheinlich; euerm Verstande muß es überlassen bleiben, ob ihr es auch glauben, ob ihr es auch als wahrscheinlich annehmen könnt und wollt. Ich kann euch Nichts weiter geben. [“]
[6] Das ist es eben, was ich bis jetzt allen Brüdern, die mich über die Einrichtung und den Inhalt meiner letzten Aufschlüsse fragten, frei und unverholen gesagt habe.
[7] Das habe ich nicht vergessen. Bruder Fichte wollte die Art, wie ich zu meinen maurerischen Kenntnissen gelangt bin, a priori annihiliren; und ich widersprach nicht, sondern schwieg mit Verachtung.
[8] Nichts habe ich gesagt; sondern Br. Fichte machte selbst die Bemerkung: „Nun freilich! Born und Bode sind todt; und die Todten widersprechen nicht.“ – Auf Bode habe ich mich nie berufen; denn, ich habe ihn nie gesehen. Was ich von Bode habe, hat mir Böttiger mitgetheilt. Dieß wußten mehrere Mitglieder des Innern Orients, z. B. Basset, Darbes, Natorp, Röver, ehe noch Fichte von uns wußte.
[9] Daß Böttiger mir Einiges aus Bode’s Nachlaße mitgetheilt, ist, wie ich eben bemerkte, Mehrern bekannt, mithin gar nicht, wie Fichte glaubt, mein Geheimniß. Wenn Fichte aber sagt, daß Dieß das Beste ist, was ich den Auserwählten geben kann, so ist seine Vernichtungsucht wieder seinem Verstande um einige tausend Schritte vorausgelaufen; denn, um zu urtheilen, ob die Böttiger’schen und Bode’schen Beiträge das Beste sind, müßte ich ihm Alles, was ich habe, vorgelegt haben; Dieß aber ist nicht und wird nie geschehen.
Metadata Concerning Header
  • Date: nach dem 10. Juni 1800
  • Sender: Ignaz Aurelius Fessler
  • Recipient: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 4: Briefe 1799–1800. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1973, S. 269‒270.
Manuscript
  • Provider: Handschrift verschollen
Language
  • German

Weitere Infos ·