Erschlossener Brief

Johann Gottlieb Fichte to Heinrich Stephani

Erschließung durch Herausgeber Hans Gliwitzky, Reinhard Lauth, Bd. III,4.
In der „Lebensbeschreibung des Königl. Bayerischen Kirchenraths Dr. Heinrich Stephani, Decanes und Stadtpfarrers zu Gunzenhausen, Ehrenritters des Königlichen Hausordens vom h. Michael und Mitgliedes mehrerer gelehrten Gesellschaften. Vorzüglich in pädagogischer Rücksicht.“ (Aachen 1829) findet sich S. 13 folgender Passus: „Für seinen Eleven und einige andere junge Leute hielt er [sc. Stephani] auch daselbst [cf. in Jena im Zeitraum von 1791 bis 1793] Privat=Vorlesungen über Moralpolitik, oder die auf sittliche Principien gebaute Staatslehre, welche in der Folge ohne Namen des Verfassers gedruckt erschien und von vielen Schriftstellern benutzt wurde. Auch Fichte schöpfte daraus, wie er ihm selbst schrieb, seine Idee zu seinem geschlossenen Handelstaate.“ Da nicht näher spezifiziert wird, wann Fichte dies geschrieben hat, ist als wahrscheinlichster Zeitpunkt derjenige der Veröffentlichung des Geschloßnen Handelsstaats anzusehen.
Stephani veröffentlichte seine „Grundlinien der Rechtswissenschaft oder des sogenannten Naturrechts“ (Erlangen 1797) mit der folgenden Widmung: „An den Herrn Professor Fichte zu Jena. Unvergeßlichster Freund! Nachdem wir uns in Helvetiens Gefilden, mitten unter der uns umgebenden schönen und erhabenen Natur, oftmahl über die philosophischen Bedürfnisse der Menschheit besprochen hatten, trennten wir uns, um auf ganz verschiedenen Wegen für die Befriedigung derselben nach unsern Kräften pflichtmässig thätig zu seyn. Sie wurden nach dem Sitze der kritischen Philosophie in Teutschland gerufen, um daselbst als Kants Erstgebohrner den Tempel des Heiligthums zu erbauen, wozu der grosse Meister nur die nöthigen Voranstalten treffen konnte. Heil Ihnen bei diesem Geschäfte, das Sie bis ietzt – nicht mit Glück, nein – mit geziemender Kraft, auszuführen angefangen haben. Bald wird die Philosophie in allen ihren Theilen als Wissenschaft durch Sie auf ewig begründet seyn. […] Seitdem Sie mit Ihrem Meisterwerke einer Grundlage des Naturrechts aufgetreten sind, ist endlich die Losung zu gründlichen Untersuchungen und freimüthigen Debatten über diese Wissenschaft gegeben worden. Selbst Kant wurde hierdurch ermuntert, uns noch mit einigen Fragmenten seines Nachdenkens über diesen grossen Gegenstand vor seinem Hinscheiden zu beschenken, die ich in einer eigenen Schrift zu beleuchten, mir die Freiheit genommen habe. Nothwendig dünkt es mich zu seyn, daß sich nunmehr jeder Denker an Sie beide, die wir als die würdigen Vorsteher des philosophischen Departements in der gelehrten Republik zu verehren haben, aufs bereitwilligste anschließe, um eine Wissenschaft zu vollenden, auf deren Prinzipien das Glück der Menschheit so ausschließungsweise beruhet. Indem ich Ihnen meinen geringen Beitrag hierzu, als ein heiliges Pfand unserer Freundschaft, übergebe, bitte ich Sie zugleich, die öffentliche Versicherung der ungeheuchelten Verehrung, welche mir Ihr Geist und Ihr Herz in gleichem hohen Grade einflößet, mit Güte aufzunehmen. Der Verfasser.“
Metadata Concerning Header
  • Date: Anfang November 1800
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Heinrich Stephani
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Unbekannt ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 4: Briefe 1799–1800. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1973, S. 352.

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