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Johann Gottlieb Fichte to Friedrich Immanuel Niethammer

Berlin, d. 3. Jun. 1802.
Ich habe Ihr gütiges Schreiben nebst den Beilagen erhalten, mein theuerster sehr verehrter Freund; und von Tage zu Tage einige Stunden ruhiger Muße erwartet, um mich recht treulich und ungestört schriftlich mit Ihnen zu unterhalten. In diesem Augenblike nöthigt mich eine sehr unerwartete Nachricht nicht mit der Muße, die ich gewünscht hatte, an Sie zu schreiben, und Ihre gütige Freundschaft für mich in Anspruch zu nehmen. Ich höre (denn ich selbst erhalte die A.L.Z. kaum 6. Monat nach ihrer Erscheinung, und was das litterarische anbetrift, ist dies kein Uebel) daß Gabler im Intelligenzblatt der A.L.Z. abdruken lassen: er habe eine Handschrift in Händen, wodurch ich auf eine neue Auflage der Wissenschaftslehre von ihm vorschußweise, und auf Abschlag Honorar erhalten zu haben bekenne.
Die Sache mag sich wohl so verhalten. – Bei meinem Aufenthalte in Jena im Winter 799 – 800. hatte ich Gablern allerdings eine neue verbesserte Auflage der W.L. versprochen, und einige Blätter Verbesserungen niedergeschrieben, die in seine Hände gekommen sind. Er sollte pränumeriren, und zahlte auch wirklich 100. rthr. (in Laubth[a]l<ern> 1 r. 15 g) Auf diese Zahlung mag ich ihm einen Schein gegeben haben. Es fand sich, daß er das übrige nicht herbeischaffen konnte, und so unterblieb die Sache nach unsrer beiderseitigen Abrede, und dieser Vertrag war auf gehoben. Wir machten aus, daß diese 100 rthr mir auf meinen Antheil am Journale gehen sollten, berechneten noch die 100 r. in La[u]bth. a 1 r. 15 g. zu dem Fusse, in dem das JournalHonorar bezahlt wird. Ich erinnere mich, daß ich Ihnen, lieber Freund, eine Quittung über etliche u. neunzig Thaler, als JournalHonorar erhalten, bei meiner Abreise übergeben; [/] wo ich nicht irre, mit der Abrede, daß bei der Berechnung Gabler Ihnen dagegen meine oben erwähnte Bescheinigung der 100 rthr, aushändigte, die auf diese Weise, da die Berechnung nicht geschehen, in seinen Händen geblieben. Diese Bescheinigung nun scheint es zu seyn, von der Gabler einen so infamirenden Gebrauch gegen mich macht. – Ich muß die angefangne Erzählung von den Verhandlungen zwischen mir, und Gabler über eine neue Auflage der W.L. fortsetzen, und mit den Aktenstüken, soviel ich deren in den Händen habe, belegen; um Sie in den Stand zui setzen, die Sache zu übersehen. Bis Anfang des Jahrs 1801. brachte Gabler die Sache nicht wieder in Anregung. Damals erst schrieb er mir darum. Ich schlug sie ihm rund ab. Dennoch hatte er eine solche Auflage als in seinem Verlage erscheinend, in den OsterMeßkatalog 1801. setzen lassen. Ich verwieß ihm dies – ohngefähr im Mäy (ich glaube in einem Briefe vom 9ten) und widerlegte sein[e] Ansprüche auf ein Recht zu einer solchen Auflage; schrieb ihm auch im August desselben Jahrs (d. 7. wo ich nicht irre) bestimmt, daß in einem andern Verlage eine neue Ausgabe erscheinen würde. Hierauf ist Gablers Brief vom 24. 7br. (Beilage N. 1.) die Antwort. Dieser sein eigner Brief, denk ich, redet, und widerspricht auf’s deutlichste seinem nunmehrigen Vorgeben. Ich beantwortete diesen Brief nicht, weil er sichtbar keiner Antwort werth ist. Darauf schikte mir denn Gabler zu Anfänge des Jänners h.a. wirklich seine neue Auflage zu, [/] und noch ehe er meine desavouirende Antwort, (worauf N.3. seine, des Gablers Antwort ist) erhalten hatte, erhielt ich von ihm N.2..
Ich bedarf es nicht, werthe[r] Freund, Sie erst aufmerksam zu machen, daß die Gablerische Beschuldigung gegen mich, in meiner Lage, umgeben von so rasenden Feinden, als ich es bin, infamirend ist, und bedarf es nicht, Ihre Freundschaft erst feierlichst beschwörend, besonders da Sie der einzige sind, der von dem Vorfalle ganz unterrichtet ist, zu meiner Hilfe aufzurufen. Meine Bitte an Sie ist 1.) zu untersuchen, wie die Sache sich verhält, und ob es so ist, wie ich oben vermuthete; sich den Schein vorzeigen zu lassen, den, der in Ihren Händen ist, aufzusuchen pp.
2.). Eine Erläuterung hierüber, in meinem, oder Ihrem Namen, wie Sie wollen, aufzusetzen, und sie im IntelligenzBlatte schleunigst abdruken zu lassen – auf meine Kosten, u. Cotta’s Rechnung.
3.) Sich bei einem Rechtsgelehrten – ich müste bei der Weitläufigkeit der Stadt den Posttag überschlagen, wenn ich es selbst hier thun sollte – zu erkundigen, ob, da Gablern durch die in Ihren Händen befindliche Bescheinigung nachzuweisen ist, ich mich auch über die mündliche Verabredung zwischen mir und ihm über diesen Punkt zum Eide erbiete, daß er bei jener Anschuldigung gegen mich mala fide u. dolose gehandelt, sich nicht mit Hofnung eines sichern Erfolgs eine Klage ex capite diffamationis gegen ihn anstellen lasse; falls es sich so findet, diese Klage wirklich in meinem Namen anzustellen, und in diesem Falle in der öffentlichen Erläuterung dies dem Publikum zugleich mit anzukündigen, und es auf die Entscheidung des Richters zu verweisen. [/]
4.) Die auf beiliegendem Wechsel restirenden 200 rthr. wechselmässig einzuklagen.
5.). Falls Sie es für gut finden, so bin ich von meiner Seite der Meinung, auch die Schuldfoderung vom Journale, falls Gabler sie nicht berichtigt hat, einzuklagen. – Die Kosten will ich tragen. Die 200 rthr. Wechselschuld, auf die ich schon längst Verzicht gethan, und die ich Gablern aus Mitleid geschenkt haben würde, wenn er nicht diese Treulosigkeit gegen mich begangen, mögen darauf gehen.
So viel hierüber. Wegen des Hauses gebe ich Ihnen die unbeschränkteste Vollmacht, und ich sowohl, als meine Frau, danken es Ihnen innigst, daß Sie auch hierin uns Ihren Beistand angeboten. Ich wünsche, daß Krieg, dieser durchaus elende Mensch, der nun nicht einmal die Interessen bezahlt, je eher je lieber herunter geworfen werde. Uns ist er noch 1100. rthr. Kapital, und den Ostertermin 1802. der Interessen an 44. rthr. schuldig. Auditorien=Bänke, Pulte, Katheder müssen als Inventarium im Hause bleiben, und an den neuen Käufer mit kommen. Krieg hat dafür nicht besonders bezahlt.
Nehmen Sie, theuerster, dieses nicht für einen Brief. Ich werde die erste ruhige Stunde ergreifen, mich mit Ihnen über Dinge zu unterhalten, die uns beide inniger interessiren, als dieserlei.
Sehen Sie Paulus, so versichern Sie ihn meines freundschaftlichsten achtungsvollsten Andenkens, meiner freudigen Theilnahme an der glüklichen Ankunft eines Wesens, das ihn fortsetzen soll, meines Dankes für das durch Loder überschikte. Für das lezte wollte ich ihm eben durch Uebersendung meiner Darlegung der Wissenschaftslehre danken, und eben dadurch antworten. Die Erscheinung dieser Darlegung verzieht sich aber; doch soll sie diesen Sommer sicher erscheinen.
Ganz der Ihrige
Fichte.
Erneuern Sie mein, und meiner Frauen Andenken bei der Ihrigen. – Ich weiß nicht, ob Sie der beiliegenden Blankete bedürfen, und ob sie in der Form sind? Aber ich wollte nichts unterlassen, was ich zu leisten vermöchte:
Nachschrift.
Noch glaube ich sub rosa, in Absicht beider Aufträge, Ihnen in Absicht des Bürgermeister Vogels scharfe Aufsicht empfehlen zu müssen. Die Griesbachin schreibt, daß er, um zweijähriger Abgaben willen, die Krieg auch nicht bezahlt zu haben scheint, und was doch höchstens 26. rthr. betragen kann, mein Haus zu subhastiren gedenkt. In dem selben Zeitpunkte schrieb mir ein gewisser D. Med. Vogel, der wohl ein Sohn des Herrn Bürgermeister seyn mag, sehr naiv, daß er erbötig sey, mir mein Haus aus freier Hand abzukaufen, wenn er es recht sehr wohlfeil haben könnte.
Ich habe über den erwähnten Mann noch so manches andere hören müssen, welches mir seine Gesinnung ziemlich verdächtig macht.
Metadata Concerning Header
  • Date: Donnerstag, 3. Juni 1802
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Friedrich Immanuel Niethammer
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 5: Briefe 1801–1806. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Erich Fuchs, Kurt Hiller, Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1982, S. 130‒134.
Manuscript
  • Provider: Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg
  • Classification Number: Ms. 2292
Language
  • German

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