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Johann Gottlieb Fichte to Hans von Held

Berlin, den 14. Oktober 1802.
Um sicher zu sein, mein innigstgeliebter Freund, in meiner, gar nicht von außen, aber desto mehr von innen beschäftigten Lage die schnelle Antwort an Sie nicht zu vergessen, so setze ich zu dem Nöthigsten gleich nach der Durchlaufung Ihres Briefes die Feder an.
1. Ich freue mich innig, und sage Ihnen den herzlichsten Dank, daß Sie wegen des Mitfolgenden sich an mich vorzüglich wenden wollten. (Daß ich gerade schicke, was verlangt, und nicht mehr, hat seinen Grund in meiner augenblicklichen Lage. Vorbereitet kann ich mir und andern Freunden immer helfen.)
2. Schmidt, der mir Ihren Brief überbrachte, mich bat denselben zu öffnen, ob er etwas enthielte, das auf ihn sich bezöge, und in dessen Gegenwart ich ihn eben deßwegen, ohnerachtet Ihres Eingangs, lesen mußte, auch ihm aus demselben referirt, daß Sie sich wohl befänden, fleißig badeten, u. dergl. meldete mir nachher im Gespräche, daß Ihre Tochter sich bei ihm befände, daß er sie habe mitbringen wollen u. s. w. und da war es denn natürlich, daß ich ihm sagte, ich würde sie nächstens bei ihm aufsuchen, was in den ersten Tagen geschehen soll, und worüber ich, falls die Post nicht eher abgeht, Ihnen schreiben werde.
3. Ich wohne am alten Platze, und werde bis Anfang Aprils künftigen Jahrs ohne Zweifel da verbleiben. Außerdem treffen mich alle Briefe ohne Hausaddresse, und auf der Post weiß man meine Wohnung.
Meine Achtung und Freundschaft für Sie macht keine Worte. Sie bedürfen derselben nicht; oder wenn Sie sie bedürften, so würde ich sie nicht haben.
Fichte.
den 20. Oktober.
Der Brief ist liegen geblieben, weil ich Ihnen von Ihrer Aurora schreiben wollte. Meine Frau ging sogleich mit unserm Knaben, und unter dem Vorwande, daß dieser die Bekanntschaft machen wollte, zu Schmidt’s, und fand Ihre Kleine gesund, munter, natürlich, und geliebt. Sie ist vorigen Sonntag, auf unsere Einladung, bei uns gewesen. Sie haben Recht, es ist ein liebes herziges Kind. Wir haben sie gesund, reinlich gekleidet, wohlgenährt und gereinigt gefunden. Sie ist daher [/] ohne Zweifel in sehr guten Händen. Bei uns überfiel sie ein Schnupfenfieber, was die Folge der Jahreszeit sein mag. Sie ist aber, auf unsre Erkundigung des andern Morgens, uns wieder als ganz hergestellt gemeldet worden.
Über Ihre Ansichten erlauben Sie mir nur zwei Worte. Ich für meine Person habe es – Ihre Begebenheit kann auch dazu mitgeholfen haben – zu einer so tiefen Erkenntniß der Nichtswürdigkeit des allgemeinen Treibens, und zu einer so gründlichen Verachtung desselben gebracht, daß ich es sehr bedauern würde, wenn ein Mann, den ich achte, und liebe, dies Wesen länger würdigte, sich damit abzugeben. Furcht bleibt niederträchtig, und diese kommt den rechten Mann wohl nie an; aber, Freund, es giebt noch einen andern höheren Grund sich in den Unflath nicht zu mischen, außer die Furcht, von ihm befleckt zu werden; – dieser ist die Verachtung des Unflaths. 
Buchholz’s Werk habe ich nicht gelesen, werde es auch nicht, weil ich, an einem frühern dahin einschlagenden Aufsatz desselben in der Eunomia, den Vogel schon im Ei erkannt habe. Daß er sich einbildet, die Metaphysik zu schlagen, ist ihm zu verzeihen; er weiß nicht, was Metaphysik ist, und hat keinen metaphysischen Atom in seiner ganzen Wesenheit. – Mit dem Betäuben hat es gute Wege. Unser einer hat z. B. den Spinoza ausgehalten, und ihm sogar die Wege gewiesen; und ohne Schimpf und Spaß, Spinoza ist doch ganz etwas anderes, als Buchholz; ja sogar La Mettrie ist etwas anderes. Buchholz vermag einiges Interesse nur bei denen zu erregen, deren Kenntniß sich nicht viel über die 10 deutsche Bibliothek und die Berliner Monatsschrift hinaus erstreckt. – Meine Frau grüßt herzlich. –
Metadata Concerning Header
  • Date: 14. bis 20. Oktober 1802
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Hans von Held
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Kolberg · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 5: Briefe 1801–1806. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Erich Fuchs, Kurt Hiller, Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1982, S. 151‒153.
Manuscript
  • Provider: Handschrift verschollen
Language
  • German

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