Berlin, d. 15. <X>br. 1802
Mein lieber Bruder,
In Antwort auf Dein Schreiben vom 3. 7br. 1801.
1.) 324 rthr. des meinigen befinden sich, laut dieses Briefes in Deinen Händen. Ich enthalte mich der Frage, wohin denn der sehr beträchtliche Rest, dessen Verlust sich doch beinahe nur durch die <verwü>stendste, boshafteste Wirthschaft erklären läßt, hingekommen; weil diese Frage nunmehro doch nichts helfen kann. Aber ich frage an a.) bei [diesen] 324 rthr. befinden sich doch hoffentlich nicht die 150 rthr. welche Du als die Hälfte des Darlehens, das ich Dir und Gotthelfen früher gemacht, erhalten? b.) wo befindet sich denn Gotthelfs Hälfte von diesem Kapitale? c.) ich habe im vorigen Herbste durch ein Misverständniß die Obligation für diese Summe, an meine Schwägerinn geschikt, und sie nicht zurükerhalten, ohnerachtet ich meinen Vater und den Pfarrer gebeten, den erstern ihr kein Geld, den leztern ihr eine gewisse Assignation nicht auszuliefern, bis sie jene Obligation zurükgestellt. Wo ist diese Obligation?
Übrigens stelle ich Deiner Versicherung, daß Du an diesem Verluste, den ich erleide, auf keine Weise die mindeste Schuld hast, sehr gern Glauben zu; indem ich überhaupt nicht von mistrauischer Natur [/] bin, und sehr gern die leidigen Erfahrungen, die nun in männlicher Reife meine ersten JugendAnsichten über meine Familie traurig bestätigt haben, geendigt wünschte.
Was Du mir über die Schulden=Verhältnisse der andern Brüder zu mir, und über die grosse, gar nicht zu bezweifelnde Ehrlichkeit derselben sagst; das lasse ich an demselben Orte stehen, wie das, was Du mir oft über Christlieb gesagt, und geschrieben, und freue mich, daß sie wenigstens, soviel Dir bekannt ist, nicht so<viel verwü>sten können. Ich bin sehr zufrieden, mein lieber Bruder, wenn ich unter 6. Geschwistern Einen rechtlichen Bruder haben werde, und für diesen Einen Dich zu nehmen, bin ich recht sehr erbötig. Daß Du neben dieser Rechtlichkeit, die ich mir auch zutraue, zugleich dasselbe zuversichtliche Zutrauen auf andere, durch das ich gelitten habe, vereinigen solltest, wäre freilich zuviel Sonderbarkeit in Einer Familie.
2.). Deinen Vorschlag über die Art, die berechnete Schuld abzutragen, habe ich durch die That angenommen, in dem ich Dich <an meine> Schwägerin voriges NeuJahr 25. rthr. abzahlen lassen.. Das restirende Johannes Quartal dieses Jahres war ich schon im Begriffe zu assigniren; da ich aber es ohne das <machen> konnte, so wollte ich Dir es lieber zum längeren Gebrauche lassen. Jezt aber ist meine dringende [/] Bitte, daß Du mir sogleich, d. i. zum neuen Jahr, diese beiden Termine, (Johannis dieses Jahres, und NeuJahr des künftigen) <mit> 50. rthr. (in Friedrichsd’or) übermachest. – Ich sage: das ist eine Bitte, denn ich bedarf es in der That für den nächsten Monat mit den Meinigen zum täglichen Leben.
Bloß, weil Du mein Bruder bist, zur Erläuterung des leztern. – Durch eine sich Jahre lang, und weit länger, als ich gerechnet hatte, verziehende Arbeit habe ich die lezte Zeit her von meinem Buchhändler, von dem ich allein lebe, wenig mit Ehre ziehen können. Mit den alten Schuldfoderungen, die ich in Jena, und meine Frau in der Schweitz hat, geht es uns zwar nicht ganz so, wie mit denen bei Euch – daß man mich geradezu um die Hälfte bringt, denn diese Schuldner sind nicht unsre Geschwister – aber wir können doch nichts ziehen. Dies alles hat sich nun so plözlich gezeigt, daß ich mich ohngefähr nach 14. Tagen ohne Geld befinden werde, und daher zu Deiner brüderlichen Liebe Zuflucht zu nehmen ohnedies genöthigt seyn würde, wenn ich keine Anfoderung hätte.
Die gewöhnlichen Grüsse an Vater, Mutter, usw. verstehen sich. Ich behalte mir vor, n<ac>h Deine[r] befriedigenden Antwort einen ausführlichern Brief zu schreiben.
Dein zutrauender Bruder
F.
Herrn Joh. Gottlob Fichte
zu
Elstra
bei Camenz in der Ober=
Lausiz.
Frei.
Mein lieber Bruder,
In Antwort auf Dein Schreiben vom 3. 7br. 1801.
1.) 324 rthr. des meinigen befinden sich, laut dieses Briefes in Deinen Händen. Ich enthalte mich der Frage, wohin denn der sehr beträchtliche Rest, dessen Verlust sich doch beinahe nur durch die <verwü>stendste, boshafteste Wirthschaft erklären läßt, hingekommen; weil diese Frage nunmehro doch nichts helfen kann. Aber ich frage an a.) bei [diesen] 324 rthr. befinden sich doch hoffentlich nicht die 150 rthr. welche Du als die Hälfte des Darlehens, das ich Dir und Gotthelfen früher gemacht, erhalten? b.) wo befindet sich denn Gotthelfs Hälfte von diesem Kapitale? c.) ich habe im vorigen Herbste durch ein Misverständniß die Obligation für diese Summe, an meine Schwägerinn geschikt, und sie nicht zurükerhalten, ohnerachtet ich meinen Vater und den Pfarrer gebeten, den erstern ihr kein Geld, den leztern ihr eine gewisse Assignation nicht auszuliefern, bis sie jene Obligation zurükgestellt. Wo ist diese Obligation?
Übrigens stelle ich Deiner Versicherung, daß Du an diesem Verluste, den ich erleide, auf keine Weise die mindeste Schuld hast, sehr gern Glauben zu; indem ich überhaupt nicht von mistrauischer Natur [/] bin, und sehr gern die leidigen Erfahrungen, die nun in männlicher Reife meine ersten JugendAnsichten über meine Familie traurig bestätigt haben, geendigt wünschte.
Was Du mir über die Schulden=Verhältnisse der andern Brüder zu mir, und über die grosse, gar nicht zu bezweifelnde Ehrlichkeit derselben sagst; das lasse ich an demselben Orte stehen, wie das, was Du mir oft über Christlieb gesagt, und geschrieben, und freue mich, daß sie wenigstens, soviel Dir bekannt ist, nicht so<viel verwü>sten können. Ich bin sehr zufrieden, mein lieber Bruder, wenn ich unter 6. Geschwistern Einen rechtlichen Bruder haben werde, und für diesen Einen Dich zu nehmen, bin ich recht sehr erbötig. Daß Du neben dieser Rechtlichkeit, die ich mir auch zutraue, zugleich dasselbe zuversichtliche Zutrauen auf andere, durch das ich gelitten habe, vereinigen solltest, wäre freilich zuviel Sonderbarkeit in Einer Familie.
2.). Deinen Vorschlag über die Art, die berechnete Schuld abzutragen, habe ich durch die That angenommen, in dem ich Dich <an meine> Schwägerin voriges NeuJahr 25. rthr. abzahlen lassen.. Das restirende Johannes Quartal dieses Jahres war ich schon im Begriffe zu assigniren; da ich aber es ohne das <machen> konnte, so wollte ich Dir es lieber zum längeren Gebrauche lassen. Jezt aber ist meine dringende [/] Bitte, daß Du mir sogleich, d. i. zum neuen Jahr, diese beiden Termine, (Johannis dieses Jahres, und NeuJahr des künftigen) <mit> 50. rthr. (in Friedrichsd’or) übermachest. – Ich sage: das ist eine Bitte, denn ich bedarf es in der That für den nächsten Monat mit den Meinigen zum täglichen Leben.
Bloß, weil Du mein Bruder bist, zur Erläuterung des leztern. – Durch eine sich Jahre lang, und weit länger, als ich gerechnet hatte, verziehende Arbeit habe ich die lezte Zeit her von meinem Buchhändler, von dem ich allein lebe, wenig mit Ehre ziehen können. Mit den alten Schuldfoderungen, die ich in Jena, und meine Frau in der Schweitz hat, geht es uns zwar nicht ganz so, wie mit denen bei Euch – daß man mich geradezu um die Hälfte bringt, denn diese Schuldner sind nicht unsre Geschwister – aber wir können doch nichts ziehen. Dies alles hat sich nun so plözlich gezeigt, daß ich mich ohngefähr nach 14. Tagen ohne Geld befinden werde, und daher zu Deiner brüderlichen Liebe Zuflucht zu nehmen ohnedies genöthigt seyn würde, wenn ich keine Anfoderung hätte.
Die gewöhnlichen Grüsse an Vater, Mutter, usw. verstehen sich. Ich behalte mir vor, n<ac>h Deine[r] befriedigenden Antwort einen ausführlichern Brief zu schreiben.
Dein zutrauender Bruder
F.
Herrn Joh. Gottlob Fichte
zu
Elstra
bei Camenz in der Ober=
Lausiz.
Frei.