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Caroline von Schelling to Friedrich Ludwig Wilhelm Meyer

Göttingen d. 29. Oct. [17]91.
Ist nicht ein Gefühl über Sie gekommen, daß Ihnen kürzlich jemand sehr nahe war – der von seinen – vermuthlich mit den Ihrigen in paralleler Linie fortlaufenden Sternen – bestimt zu seyn scheint, Ihnen ewig fern zu bleiben? Nahe nenne ichs, weil ich Ihre Spuren noch allenthalben fand, und die Geister Ihrer Unterredungen um mich her schwärmten – ich war in Gotha – ein Ohngefähr – ein schneller Entschluß führte mich hin – und wenn ich ein frommes Kind wär, so könt ich sagen – ein Wink der Vorsehung – aber ich machte ihr keine Ehre, darum spielt sie mir auch den bösen Streich, Sie nie zu finden. Warum kont es nicht seyn? – ich habe mich sehr nach Ihnen gesehnt, und hätte mir Gotter nach Mitternacht noch Licht laßen wollen, so hätte ichs Ihnen von dortaus gesagt. Im Kreis meiner alten lieben Freunde, deren, wahrlich unverdiente, Zuneigung nach zehnjähriger Abwesenheit noch so jugendlich blühte, hab ichs oft laut geäußert, und öfters heimlich empfunden, was es mir seyn würde, Sie darunter zu sehn – nur hätte ich dann leicht undankbar werden und über den einen die Menge vernachläßigen können. Die Gesundheit unsers unstäten Freundes ging bey Tisch herüber und hinüber, und war das Band zwischen einem schönen jungen Weib, bescheidner noch als schön, und Ihrer herzlichen Freundinn, nicht schön und nicht bescheiden – aber gut, stolz und natürlich genug, um Ihnen jenes zu seyn, neben jedem möglichen Anspruch andrer. Ich weiß – auch Sie hätten mich gern dorthin gezaubert, während Ihres Aufenthalts – ich habe Ihnen wenigstens Ihre Wünsche vergolten. Verzeihn Sie, wenn ichs Ihnen noch zehnmal wiederhole – und Ihnen am Ende nichts anders gesagt habe – ich bin voll davon, und finde das Schreiben, das Erzählen, um desto unleidlicher. Danken Sie mirs auch immer ein wenig – sehn Sie, es ist doch viel, nicht vergeßen können, daß ich Sie dort verfehlte, da Tatter hier war bey meiner Zurückkunft – und noch da ist. Er grüßt Sie – liebt Sie – wir sind über wenig Menschen so einig. Viel und manches ließ ich mir von Ihnen erzählen, über Sie vorplaudern, was mich wieder sehr beruhigt hat – und ohne das begreif ichs in diesen Tagen recht gut, warum man sich nicht in den Aetna stürzt. Ich hoffe, es wird Ihnen noch wohl gehn, auf einem gebahnten Wege. Ihr hattets gut mit mir im Sinn – und woltet mich auch wieder ins Gleis bringen – ach den Verfügungen des Himmels zum Troz, folg ich meinem Geschick! Wißen Sie – aber schweigen Sie davon! – daß ich aus eigner Macht eine Eroberung, die Ihr mir zugedacht hattet, vollbracht habe – doch man vollbringt nur eine Sache, die man unternahm, und ich war unschuldig an diesem Beginnen. Nur mein Ja, so war der Roman fertig, den man Stück vor Stück mit solchen Fingerzeigen, wie sich am Rand der englischen Zeitungen befinden, hätte bezeichnen können, denn von da an, daß ich einer seeligen Frau ähnlich sah, bis auf die Herzensbewegung des geistlichen Mannes, die ihn trieb meiner zu begehren, paßte sich alles vortreflich. Im Ernst, mein lieber Meyer, die gottlose kleine Frau – die cokette junge Witwe – denn es giebt doch dergleichen Lesearten über mich – feßelte durch ihre unscheinbare Hülle – ihn – Du weißt seinen Nahmen – und ich stand an – das ganze Lebensgewirr kreuzte sich in meinem Kopf – so oder so! 3 Tage lang wars mir ein Räthsel – es lößte sich zuletzt in die Frage auf: wilst Du gebunden seyn, und gemächlich leben, und in weltlichem Ansehn stehn bis ans Ende Deiner Tage – oder frey, müßtest Du es auch mit Sorgen erkaufen. – Die träge Natur lenkte sich dorthin – und die reine innerste Flamme der Seele ergriff dieses – ich fühle was ich muß – weil ich fühle was ich kan – schelte mich niemand unvernünftig – ich habe wohl erwogen, und kenne den ganzen Werth einer Lage, wie sie sich in die gewöhnliche Reihe der Dinge paßt – aber verblenden kont er mich nicht über den wahren Werth des Lebens. Wer sicher ist, die Folge nie zu besammern, darf thun was ihm gut dünkt. Ich hätte mich freylich noch sehr nüzlich für den Staat machen können, wenn ich ihm eine Haushaltung besorgt, und ein halb Duzend Kinder mehr erzogen hätte, wie mein einziges liebes Mädchen – aber es geschieht eben so gut ohne mich, und keine Glückseeligkeit wird dann dabey zerstückt – für des lieben Gottes Staat ists also beßer. Wer wolte sich aufopfern, wenn mehr am Opfer ist als der Nahme – das geschieht nur von dem, der Lücken zu füllen – Leere zu verbergen hat. Ich glaube an keine Opfer – und an keine Ausnahmen – Das erste wird mich hindern nicht ohne Noth unglücklich zu seyn, und mich nicht dafür zu halten – das zweyte, in meinen Erwartungen nicht getäuscht zu werden. – Dieses bezieht sich auf die Wahl meines künftigen Aufenthalts. Können Sie ihn errathen? Heut nichts mehr – schreiben Sie mir gleich, so bald Sie dies erhalten haben. Hr. von Launay bringts Ihnen, und empfielt sich Ihrer – Bekantschaft mit mancherley Menschenkindern – er ist sehr albern und hat viel Vernunft – ich kenne ihn seit Jahren; das ist der beste Liebesdienst, den ich ihm erzeige.
Tatter schreibt bald – er kan jezt nicht – wir Weiber haben noch immer einen Schlupfwinkel und einen flüchtigen Augenblick für einen guten Freund – verschmähn Sie ihn nicht von meiner Hand – ich bin Ihnen von ganzer Seele gut.
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Metadata Concerning Header
  • Date: Samstag, 29. Oktober 1791
  • Sender: Caroline von Schelling ·
  • Recipient: Friedrich Ludwig Wilhelm Meyer ·
  • Place of Dispatch: Göttingen · ·
  • Place of Destination: Hamburg · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 1. Leipzig 1913, S. 229‒232.
Language
  • German

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