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Luise Gotter to Caroline von Schelling

Gotha den 10 November [1791].
Daß der Inhallt Deiner Briefe mir wenig Freude gemacht hat, wirst Du leicht begreifen, liebe Caroline. Deine unerwartete Erklärung hatte mich anfangs betroffen, je reiflicher ich aber der Sache nachdenke, je mehr glaube ich mit Grund hoffen zu dürfen, daß solche nicht so enscheidend ist, als sie mir in dem ersten Augenblick vorkam. Vielleicht wolltest Du den Mann nur dadurch prüfen, nur seine eigentlichen Gesinnungen gegen Dich erforschen, wolltest sehn, ob er Muth und Neigung genug hätte Schwierigkeiten zu überwinden, oder bildetest Dir vielleicht ein, daß das Ganze mehr das Werk und der Wunsch Deiner Freunde, als der seinige wäre. Darum, liebe Seele, laß noch ein vernünftiges Wort mit Dir sprechen, laß Dich überzeugen, daß Du auf das Herz dieses Mannes einen wahren bleibenden Eindruck gemacht hast, daß er Deinen Werth fühlt, (so viel es nach einer so kurzen Bekanntschaft möglich war) und in Dir das Glück seines Lebens zu finden hoft. und was mich von dem Ernst und der Festigkeit seiner Absichten am meisten überzeugt, ist, das seine Bewerbung gerade in einen Zeitpunckt geschieht, wo man ihm, wie ich gewiß weiß, von Seiten seiner Berliner Verwanten, Vorschläge gethan hat, die, wenn er das Glück der Ehe nach äußern Vortheilen berechnete, und ihm nicht der Hang seines Herzens bestimte, leicht im Stande gewesen wären, seine Vorsäze wankend zu machen. Nur auf seine dringende Bitte hat sich Mutter Schläger bewegen lassen, noch einen Versuch zu wagen. Hättest Du es mit einen jungen aufbrausenden Menschen zu thun, so würde er Dir warscheinlich im Tone der Leidenschaft seine Wünsche selbst ans Herz gelegt haben, aber von einen Mann von seinen Alter und seinen Charackter konntest Du unmöglich erwarten, daß er einen Briefwechsel anknüpfen würde, ohne wenigstens Hofnungen von Deiner Seite zu haben.
Was Deine Gründe gegen die Sache selbst betrift, so sind sie, wie mein Mann sehr richtig bemerckt hat, nur schöne Sophistereyen, die bey nährer Untersuchung nicht stich halten. Den von Dir selbst entworfnen Plan Deines künftigen Lebens mahlt sich Deine Phanthasie mit den reizendsten Farben, nur Blumen siehst Du auf diesen Wege, und vergißt, daß er auch seine Dornen haben wird, auf den andern hingegen, welcher sich Dir von selbst anbietet, siehst Du jeden Maulwurfshügel für einen Berg an. Wie kann sich eine Frau, die Fähigkeiten für alles hat, wohl für den kleinen Geschäften der Haushaltung fürchten, oder aber für den schwerern der Erziehung, Du, die mehr als jede andre Talente und Kräfte zu dieser Bestimmung hat. überdieß sind die Kinder, von welchen hier die rede wäre, so liebenswürdig, daß sie wohl aufzumuntern, aber nicht abzuschrecken im stande sind, und was die kleine Familie betrift, die da noch komen soll, so hat, (mit Deiner Erlaubnis) mich Deine geschäftige Einbildungskraft, die diese schon Duzendweise herum laufen sieht, herzlich zu lachen gemacht. Doch nun wieder im Ernste, liebe Caroline, bitte ich Dich so dringend als möglich, vor Deiner Antwort an die Mutter Schläger, die höchstwahrscheinlich doch der Sache den Ausschlag geben wird, alles nochmals reiflich zu überlegen, bey Deinem Entschluß Dich ja nicht von alzu schwärmerischen Begriffen von Freyheit leiten, oder aus einer überspanten Idee von uneigennüziger Freundschaft zu einen Opfer hinreißen zu laßen, welches in der Folge Dich gereuhen könnte, und am Ende Deinen Freund nicht glücklicher machen würde. über dieses hast Du, nach eignen Geständniß, seine völlige Zustimmung. auch sähe ich nicht ein, warum eine Heyrath die freundschaftlichen Verhältniße zwischen euch im geringsten stöhren sollte?
Nun genug hiervon, möge der Himmel meine frommen und gewiß unpartheiischen Wünsche erhören, jezt will ich mich angenehmen Träumen überlaßen, den es ist spät und die Augen fallen mir zu, Gott gebe daß sie bald in wircklichkeit verwandelt werden.
L G.
… Noch eine wichtige Neuigkeit, unser Freund hat seine ehrwürdige Perücke abgelegt, seit einigen Tagen trägt er sein eignes Haar, er ist ordentlich adonisirt, um 10 Jahre hat er sich verjüngt. Vorgestern erschien er so in unsrer Theegesellschaft. Die ganze Welt sagte ihm Complimente darüber, und Wilhelmine und ich wir rauhnten uns ins Ohr, ewig schade, daß Caroline nicht hier ist!!
Metadata Concerning Header
  • Date: Donnerstag, 10. November 1791
  • Sender: Luise Gotter
  • Recipient: Caroline von Schelling ·
  • Place of Dispatch: Gotha · ·
  • Place of Destination: Göttingen · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 1. Leipzig 1913, S. 236‒239.
Language
  • German

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