Göttingen d. 13 Nov. [17]91.
Wirklich, mein Herr, ich weiß nicht, wie Sie es wagen, mir noch erst die Versichrung zu geben, daß Sie Ihre Verehrung nicht herab stimmen wollen – ich denke, ich bin eine Person, welche sehr zu verehren ist, wenn alle die Züge mein gehören, mit denen Sie mein Gemählde schmücken. Dergleichen Sprödigkeit wird selten funden auf Erden, darum muß es gewiß eine Tugend seyn – und nur den Grandison gelesen zu haben – das ist Unschuld. Es ist wahr, daß ich ihn lebhaft im Gedächtniß hatte, denn den Abend zuvor hatte ich einen Streit mit Hrn. Feder über ihn geführt, deßen Lecktüre es eben war, und der viel Geschmack daran findet – der Geschmack der Hochgelehrten ist zuweilen sehr unschuldig. Doch konte er Miss Byron nicht vertheidigen – ein Beweis, daß sie mehr, wie ein Philosoph verzeihen kan, gegen die Natur gesündigt hat – freylich that das Grandison auch, aber nur indem er sie zu sehr idealisirte, nicht, weil er sich ganz und gar von ihr abwandte – die Vergleichung mit ihr möcht ich mir also verbitten. Nennen Sie mich immer kalt – finden Sie, daß ich mich aufs Leben schlecht verstehe – nur geben Sie mir nicht Schuld, daß ich minaudire – und laßen Sie mir meine eigne Art zu sophistisiren – da sie wenigstens das nicht mit jener gemein haben wird, daß sie sich in Seifenblasen auflößt. Ich glaube auch mit meiner eigenthümlichen Weise – ohne Ansprüche auf den Glanz, den Sie mir gütig zuwenden – noch Anspruch auf Ihre Verehrung machen zu dürfen – war ich nicht gerecht gegen einen würdigen Mann? und ist das nicht das schönste Verdienst des Weibes? Ich konte es nicht beßer beweisen, als daß ich die Thür schloß – es geschah nicht aus der Coketterie, damit angeklopft werden möchte – ich kan mich aber auch nicht rühmen der Convenienz gar nicht zu achten – wenn man nun so offen und bedächtlich verfährt, kan man dann nicht hoffen, das vernünftigste erwählt zu haben? War es das für mich, so mußt es auch so für ihn seyn. Je mehr ich einen Mann schäze, um so weniger möcht ich ihm Opfer anzurechnen haben. Scheint Ihnen das Sophisterey – nun so laßen Sie es seyn, daß ein Glied in der Kette der Schlußfolge fehlte!
Meine Mutter ist Ihnen für die Zeichnungen unendlich verbunden – sie ist noch nicht entschloßen, ob sie nicht eine derselben in Marmor ausführen läßt, welches in Blankenburg geschehn könte – darf sie sie also noch behalten? Die Inschrift wird Lateinisch seyn. – Ich habe Bürgern so viel von Ihrer Zauberinsel gesagt, daß ich Wünsche in ihm rege gemacht habe, deren Überbringerinn ich gern seyn will, ob ich gleich nicht so zuversichtlich bin sie zu unterstüzen – er wünscht sie zu lesen – vielleicht um den Sommernachtstraum, der bis jezt bloße Nachbildung des Originals, deren Zweck mehr Treue, wie Schönheit und Bereicherung des Theaters war, ist, nach diesem Zuschnitt zu formen. Wenn Sie sie mir anvertrauen wollen, so versprech ich Ihnen, daß sie nicht aus meinen Haus – ja so gar, nicht aus meinen Händen kommen soll – denn ich würde es unternehmen sie ihm vorzulesen, in der Hofnung einen Theil des Nachhalls, der noch in meinen Ohren tönt, in meine Stimme überzutragen. – Heut las ich ein neues Schauspiel von Iffland – die Kokarden – aber ich kan nicht leugnen, daß ich mehr von seiner Manier wie von seinem Geist darinn fand – es scheint mir ein schlechteres Gelegenheitsstück wie Friederich von Oesterreich.
… nur noch eins – erst jezt dürfen Sie von bewährter Jugendfreundschaft reden, und wenn Sie wollen – singen! Sich während zehnjähriger Trennung lieben, kan die Fortdauer eines glücklichen Eindrucks seyn – sich dann sehen – in wesentlichen Dingen verschiedner Meinung seyn – in Willen und Wünschen geschieden – und dennoch innig in Liebe bleiben – das ist die Frucht gegenseitiger inniger Ueberzeugung, die auch zehn neben einander zugebrachte Jahre nicht auslöschen würden – das ist werth, daß Gotter – der Sänger des erstgebohrnen Kindes des liebevollesten der Wesen – ihm noch einmal ein Lied weiht.
Caroline Böhmer.
Wirklich, mein Herr, ich weiß nicht, wie Sie es wagen, mir noch erst die Versichrung zu geben, daß Sie Ihre Verehrung nicht herab stimmen wollen – ich denke, ich bin eine Person, welche sehr zu verehren ist, wenn alle die Züge mein gehören, mit denen Sie mein Gemählde schmücken. Dergleichen Sprödigkeit wird selten funden auf Erden, darum muß es gewiß eine Tugend seyn – und nur den Grandison gelesen zu haben – das ist Unschuld. Es ist wahr, daß ich ihn lebhaft im Gedächtniß hatte, denn den Abend zuvor hatte ich einen Streit mit Hrn. Feder über ihn geführt, deßen Lecktüre es eben war, und der viel Geschmack daran findet – der Geschmack der Hochgelehrten ist zuweilen sehr unschuldig. Doch konte er Miss Byron nicht vertheidigen – ein Beweis, daß sie mehr, wie ein Philosoph verzeihen kan, gegen die Natur gesündigt hat – freylich that das Grandison auch, aber nur indem er sie zu sehr idealisirte, nicht, weil er sich ganz und gar von ihr abwandte – die Vergleichung mit ihr möcht ich mir also verbitten. Nennen Sie mich immer kalt – finden Sie, daß ich mich aufs Leben schlecht verstehe – nur geben Sie mir nicht Schuld, daß ich minaudire – und laßen Sie mir meine eigne Art zu sophistisiren – da sie wenigstens das nicht mit jener gemein haben wird, daß sie sich in Seifenblasen auflößt. Ich glaube auch mit meiner eigenthümlichen Weise – ohne Ansprüche auf den Glanz, den Sie mir gütig zuwenden – noch Anspruch auf Ihre Verehrung machen zu dürfen – war ich nicht gerecht gegen einen würdigen Mann? und ist das nicht das schönste Verdienst des Weibes? Ich konte es nicht beßer beweisen, als daß ich die Thür schloß – es geschah nicht aus der Coketterie, damit angeklopft werden möchte – ich kan mich aber auch nicht rühmen der Convenienz gar nicht zu achten – wenn man nun so offen und bedächtlich verfährt, kan man dann nicht hoffen, das vernünftigste erwählt zu haben? War es das für mich, so mußt es auch so für ihn seyn. Je mehr ich einen Mann schäze, um so weniger möcht ich ihm Opfer anzurechnen haben. Scheint Ihnen das Sophisterey – nun so laßen Sie es seyn, daß ein Glied in der Kette der Schlußfolge fehlte!
Meine Mutter ist Ihnen für die Zeichnungen unendlich verbunden – sie ist noch nicht entschloßen, ob sie nicht eine derselben in Marmor ausführen läßt, welches in Blankenburg geschehn könte – darf sie sie also noch behalten? Die Inschrift wird Lateinisch seyn. – Ich habe Bürgern so viel von Ihrer Zauberinsel gesagt, daß ich Wünsche in ihm rege gemacht habe, deren Überbringerinn ich gern seyn will, ob ich gleich nicht so zuversichtlich bin sie zu unterstüzen – er wünscht sie zu lesen – vielleicht um den Sommernachtstraum, der bis jezt bloße Nachbildung des Originals, deren Zweck mehr Treue, wie Schönheit und Bereicherung des Theaters war, ist, nach diesem Zuschnitt zu formen. Wenn Sie sie mir anvertrauen wollen, so versprech ich Ihnen, daß sie nicht aus meinen Haus – ja so gar, nicht aus meinen Händen kommen soll – denn ich würde es unternehmen sie ihm vorzulesen, in der Hofnung einen Theil des Nachhalls, der noch in meinen Ohren tönt, in meine Stimme überzutragen. – Heut las ich ein neues Schauspiel von Iffland – die Kokarden – aber ich kan nicht leugnen, daß ich mehr von seiner Manier wie von seinem Geist darinn fand – es scheint mir ein schlechteres Gelegenheitsstück wie Friederich von Oesterreich.
… nur noch eins – erst jezt dürfen Sie von bewährter Jugendfreundschaft reden, und wenn Sie wollen – singen! Sich während zehnjähriger Trennung lieben, kan die Fortdauer eines glücklichen Eindrucks seyn – sich dann sehen – in wesentlichen Dingen verschiedner Meinung seyn – in Willen und Wünschen geschieden – und dennoch innig in Liebe bleiben – das ist die Frucht gegenseitiger inniger Ueberzeugung, die auch zehn neben einander zugebrachte Jahre nicht auslöschen würden – das ist werth, daß Gotter – der Sänger des erstgebohrnen Kindes des liebevollesten der Wesen – ihm noch einmal ein Lied weiht.
Caroline Böhmer.