Gotha 21. Sept. 1794.
Eine Ihrer Aeußerungen über mich gegen meine Freundinn, Mad. Gotter, macht es mir nothwendig, Ihnen, verehrungswürdiger Mann, einige Worte zu meiner Rechtfertigung zu sagen. Sie sind im Begriff mir wiederum einen Dienst zu leisten – ich könnte ihn nicht ruhig annehmen, wenn Sie einen Augenblick an meinem Herzen zweifelten. Sie würden aber Ursache dazu haben, wenn es wahr wäre, daß ich je unzweydeutige Freundschaft übermüthig vernachlässigt habe. – Ich bin, da ich hier ankam, zu denen nicht gegangen, die freylich ehemals zu meinen nächsten Bekannten gehörten, nehmlich zu den beyden Schwestern Gelbke und Grabstich. Ich habe es nicht gethan, weil es geradezu, in der damaligen Lage der Dinge, unmöglich war. Ich wußte, daß man in dem ersten Hause meinen Besuch befürchtete, und schon vorher Verlegenheit darüber bezeugt hatte – ich wußte, daß Mad. Gelbke, ich weiß nicht durch welche Regungen getrieben, bey dem ersten Gerücht des Unfalls, der mich betraf, in einer öffentlichen Gesellschaft meinen besten Freunden in’s Gesicht gesagt hatte – „es geschieht ihr recht, warum hat sie sich es zugezogen?“ Was ließ mich dieses Wort von ihr hoffen, um eine Zeit ausgesprochen, da ich den Gleichgültigsten Mitleid einflößen mußte? Und was konnte ich, ohne ein gerechtes Selbstgefühl, ohne Diskretion und Delikatesse zu verläugnen, anders thun, als diejenigen, welche das Unglück von mir verscheuchte, behandeln, als wenn sie nicht gegenwärtig wären? Mad. Grabstich, über welche ich mich übrigens gar nicht beklage, sah ich um ihrer Schwester willen nicht. Ueberhaupt war es doch an jedem, der es gut mit mir meinte, mir darüber, was so leicht war, einen Wink zu geben. Es war ein Beweis mehr, wie wenig man mich kannte, daß man fürchten konte, ich würde mich der Theilnehmung aufdrängen. Damals war man froh ihrer überhoben zu seyn durch mein Zurückbleiben – wenn man jetzt anders spricht, so ist es vermuthlich, weil man anfängt sich ein wenig zu schämen. Wenn es sich aber irgend so fügen will, so werde ich Gotha nicht verlaßen, ohne auch diese Gefährten ehemaliger Zeiten mit mir, so gut ich kann, versöhnt zu haben.
Diese Zeilen werden Sie zugleich an Ihr gütiges Versprechen errinnern, das ich, da mein Entschluß nach meiner besten Ueberlegung derselbe bleibt, noch immer in Anspruch nehme. Empfelen Sie mich Ihren lieben Wirthen, und nehmen Sie mit ihnen in Gesellschaft die Versicherung meiner innigsten Dankbarkeit an.
Caroline Böhmer.
Eine Ihrer Aeußerungen über mich gegen meine Freundinn, Mad. Gotter, macht es mir nothwendig, Ihnen, verehrungswürdiger Mann, einige Worte zu meiner Rechtfertigung zu sagen. Sie sind im Begriff mir wiederum einen Dienst zu leisten – ich könnte ihn nicht ruhig annehmen, wenn Sie einen Augenblick an meinem Herzen zweifelten. Sie würden aber Ursache dazu haben, wenn es wahr wäre, daß ich je unzweydeutige Freundschaft übermüthig vernachlässigt habe. – Ich bin, da ich hier ankam, zu denen nicht gegangen, die freylich ehemals zu meinen nächsten Bekannten gehörten, nehmlich zu den beyden Schwestern Gelbke und Grabstich. Ich habe es nicht gethan, weil es geradezu, in der damaligen Lage der Dinge, unmöglich war. Ich wußte, daß man in dem ersten Hause meinen Besuch befürchtete, und schon vorher Verlegenheit darüber bezeugt hatte – ich wußte, daß Mad. Gelbke, ich weiß nicht durch welche Regungen getrieben, bey dem ersten Gerücht des Unfalls, der mich betraf, in einer öffentlichen Gesellschaft meinen besten Freunden in’s Gesicht gesagt hatte – „es geschieht ihr recht, warum hat sie sich es zugezogen?“ Was ließ mich dieses Wort von ihr hoffen, um eine Zeit ausgesprochen, da ich den Gleichgültigsten Mitleid einflößen mußte? Und was konnte ich, ohne ein gerechtes Selbstgefühl, ohne Diskretion und Delikatesse zu verläugnen, anders thun, als diejenigen, welche das Unglück von mir verscheuchte, behandeln, als wenn sie nicht gegenwärtig wären? Mad. Grabstich, über welche ich mich übrigens gar nicht beklage, sah ich um ihrer Schwester willen nicht. Ueberhaupt war es doch an jedem, der es gut mit mir meinte, mir darüber, was so leicht war, einen Wink zu geben. Es war ein Beweis mehr, wie wenig man mich kannte, daß man fürchten konte, ich würde mich der Theilnehmung aufdrängen. Damals war man froh ihrer überhoben zu seyn durch mein Zurückbleiben – wenn man jetzt anders spricht, so ist es vermuthlich, weil man anfängt sich ein wenig zu schämen. Wenn es sich aber irgend so fügen will, so werde ich Gotha nicht verlaßen, ohne auch diese Gefährten ehemaliger Zeiten mit mir, so gut ich kann, versöhnt zu haben.
Diese Zeilen werden Sie zugleich an Ihr gütiges Versprechen errinnern, das ich, da mein Entschluß nach meiner besten Ueberlegung derselbe bleibt, noch immer in Anspruch nehme. Empfelen Sie mich Ihren lieben Wirthen, und nehmen Sie mit ihnen in Gesellschaft die Versicherung meiner innigsten Dankbarkeit an.
Caroline Böhmer.