Braunschweig d. 20 [–21.] Aug. [17]95.
Du hälst genaue Rechnung mit Deinen Briefen, meine gute Louise – denn gewiß bildest Du Dir ein, nicht schreiben zu dürfen, weil es zweifelhaft ist, wer zulezt geantwortet hat. Sparsame Seele! Oder hast Du mich wirklich aus den Augen gelaßen? Ich bin gar zu fleißig gewesen, sonst hätte ich eher danach gefragt; die Meße gab uns manches zu thun. Du soltest nur sehn, wie auf der Gallerie unsre Arbeiten prangten. Es hat sich auch bis auf weniges ziemlich verkauft unter ausländischer Firma. Ein andermal gehts wohl noch beßer.
Du kanst denken, wie äußerst willkommen es mir war, die Absendung des Manusscripts zu erfahren und meinen Eifer unnüzer weise verwandt zu haben. Von Göschen hab ich seitdem nichts wieder gehört, sonst könte ich gewiß das allzu bescheidne Mistrauen bestimmter beruhigen. Wie kanst Du aber sagen, daß das Werk die Censur der Kenner noch nicht paßirt hätte? Haben wir es nicht bewundert und kritisirt?
Was machen Deine Kinder? Lieben sie mich und mein Kind noch? Es geht kein Tag vorbey, wo ich mich nicht mit Gustel von Euch unterhalte, und Du würdest öfters die Beweise davon sehn, wenn die Tage nicht so äußerst schnell vorüberflögen. Niemals fehlt mir Arbeit, aber an der Zeit leid ich immer Mangel, ohngeachtet ich nie Casino spiele. Auch das gute Wetter hat uns diesen Sommer nicht besonders viel Zeit geraubt. Am Schauspiel liegts ebenfals nicht – dazu ist es nicht gut genug. Das beste, was ich sah, ist ein Stück, mit dem es den Braunschweigern geht, wie – ich weiß nicht welchem Völkchen – mit dem Verse: Amor, Herr der Götter und Menschen – sie sind verliebt darinn und hören und sehen nichts als den großen Banditen. Lesets nur selbst – es heißt Abällino. Wirkung genug thut es, und wird vorzüglich gut hier gespielt. Wenn es unsre Kinder zusammen sehn könten, sie würden sich gewaltig ergözen.
Das neuste ist, daß ich von dem Freunde in Berlin durch die dritte Hand Nachricht habe. Die Campen war dort, lernt ihn von ohngefähr kennen, und hat ihn seitdem fast täglich gesehn. Ich hatte ihr vor der Reise kein Wort von Berliner Bekannten gesagt, muß es also wohl glauben, daß sie eine Menge Grüße von Zöllner, Biester usw., die sie mir mitbrachte, wirklich einpfangen hat. Zulezt nannte sie Meyer – sie hätten viel von mir gesprochen – er hätte die Hände über den Kopf zusammengeschlagen, wie er gehört hätte, daß ich hier wäre – ich hätte einen warmen und braven Freund an ihm. Nun sag mir, ob das nicht der Mensch in der Fabel ist, der kalt und warm aus einem Munde bläßt. Das wett ich, ohne Aneckdoten ist es doch nicht abgegangen. Er führt ein sehr regelmäßiges Leben, wie sie mir sagt. Das ist eine Tugend seines Egoismus. Aristokrat ist er nicht mehr, vermuthlich weil man sich in Berlin allgemein der Neigung für Frankreich überläßt, und es öffentlich thun darf, da es einem Bundesgenoßen gilt, so hat er für gut gefunden sich zu conformiren. Er hat gegen die Campen völlig den Demokraten gemacht, und Braunschweig die erste Stadt in Deutschland genannt. Sie war sehr eingenommen von seinem Wiz. Es gehört aber auch Wiz dazu gewiße Dinge zu behaupten. …
21 Aug.
Noch bin ich nicht fertig – doch will ich nicht fragen, sondern erzählen. Bollmann, La Fayettens Retter, wenn wir Absicht für That nehmen wollen, denn in der That schmachtet der Arme noch in einem sehr harten Gefängniß, Bollmann ist frey geworden, und auf seiner Reise nach England hier durch gekommen. Er besuchte Campens, die er kannte. Nach seinem Bericht hat er viel ausgestanden, aber wenn er nach Amerika komt, wo er sich niederzulaßen gedenkt, so wird er schon belohnt werden. Féronce war sehr begierig ihn zu sehen – er hatte durch einen Zufall erfahren, daß er kommen würde, und den General, der den Thorzettel bekömt, gebeten, ihn gleich zu benachrichtigen – allein ehe der Thorzettel an ihn gelangte, war Bollmann schon fort. Féronce hat alle Welt nach ihm ausgefragt. Es war eine Zeit, wo Bollmann sich nicht träumen ließ, daß er einmal so interreßant werden würde. …
Du hälst genaue Rechnung mit Deinen Briefen, meine gute Louise – denn gewiß bildest Du Dir ein, nicht schreiben zu dürfen, weil es zweifelhaft ist, wer zulezt geantwortet hat. Sparsame Seele! Oder hast Du mich wirklich aus den Augen gelaßen? Ich bin gar zu fleißig gewesen, sonst hätte ich eher danach gefragt; die Meße gab uns manches zu thun. Du soltest nur sehn, wie auf der Gallerie unsre Arbeiten prangten. Es hat sich auch bis auf weniges ziemlich verkauft unter ausländischer Firma. Ein andermal gehts wohl noch beßer.
Du kanst denken, wie äußerst willkommen es mir war, die Absendung des Manusscripts zu erfahren und meinen Eifer unnüzer weise verwandt zu haben. Von Göschen hab ich seitdem nichts wieder gehört, sonst könte ich gewiß das allzu bescheidne Mistrauen bestimmter beruhigen. Wie kanst Du aber sagen, daß das Werk die Censur der Kenner noch nicht paßirt hätte? Haben wir es nicht bewundert und kritisirt?
Was machen Deine Kinder? Lieben sie mich und mein Kind noch? Es geht kein Tag vorbey, wo ich mich nicht mit Gustel von Euch unterhalte, und Du würdest öfters die Beweise davon sehn, wenn die Tage nicht so äußerst schnell vorüberflögen. Niemals fehlt mir Arbeit, aber an der Zeit leid ich immer Mangel, ohngeachtet ich nie Casino spiele. Auch das gute Wetter hat uns diesen Sommer nicht besonders viel Zeit geraubt. Am Schauspiel liegts ebenfals nicht – dazu ist es nicht gut genug. Das beste, was ich sah, ist ein Stück, mit dem es den Braunschweigern geht, wie – ich weiß nicht welchem Völkchen – mit dem Verse: Amor, Herr der Götter und Menschen – sie sind verliebt darinn und hören und sehen nichts als den großen Banditen. Lesets nur selbst – es heißt Abällino. Wirkung genug thut es, und wird vorzüglich gut hier gespielt. Wenn es unsre Kinder zusammen sehn könten, sie würden sich gewaltig ergözen.
Das neuste ist, daß ich von dem Freunde in Berlin durch die dritte Hand Nachricht habe. Die Campen war dort, lernt ihn von ohngefähr kennen, und hat ihn seitdem fast täglich gesehn. Ich hatte ihr vor der Reise kein Wort von Berliner Bekannten gesagt, muß es also wohl glauben, daß sie eine Menge Grüße von Zöllner, Biester usw., die sie mir mitbrachte, wirklich einpfangen hat. Zulezt nannte sie Meyer – sie hätten viel von mir gesprochen – er hätte die Hände über den Kopf zusammengeschlagen, wie er gehört hätte, daß ich hier wäre – ich hätte einen warmen und braven Freund an ihm. Nun sag mir, ob das nicht der Mensch in der Fabel ist, der kalt und warm aus einem Munde bläßt. Das wett ich, ohne Aneckdoten ist es doch nicht abgegangen. Er führt ein sehr regelmäßiges Leben, wie sie mir sagt. Das ist eine Tugend seines Egoismus. Aristokrat ist er nicht mehr, vermuthlich weil man sich in Berlin allgemein der Neigung für Frankreich überläßt, und es öffentlich thun darf, da es einem Bundesgenoßen gilt, so hat er für gut gefunden sich zu conformiren. Er hat gegen die Campen völlig den Demokraten gemacht, und Braunschweig die erste Stadt in Deutschland genannt. Sie war sehr eingenommen von seinem Wiz. Es gehört aber auch Wiz dazu gewiße Dinge zu behaupten. …
21 Aug.
Noch bin ich nicht fertig – doch will ich nicht fragen, sondern erzählen. Bollmann, La Fayettens Retter, wenn wir Absicht für That nehmen wollen, denn in der That schmachtet der Arme noch in einem sehr harten Gefängniß, Bollmann ist frey geworden, und auf seiner Reise nach England hier durch gekommen. Er besuchte Campens, die er kannte. Nach seinem Bericht hat er viel ausgestanden, aber wenn er nach Amerika komt, wo er sich niederzulaßen gedenkt, so wird er schon belohnt werden. Féronce war sehr begierig ihn zu sehen – er hatte durch einen Zufall erfahren, daß er kommen würde, und den General, der den Thorzettel bekömt, gebeten, ihn gleich zu benachrichtigen – allein ehe der Thorzettel an ihn gelangte, war Bollmann schon fort. Féronce hat alle Welt nach ihm ausgefragt. Es war eine Zeit, wo Bollmann sich nicht träumen ließ, daß er einmal so interreßant werden würde. …