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Caroline von Schelling to Luise Gotter

Braunschweig d. 10ten Febr. [17]96.
Die Meßleute waren gekommen und niemand hatte mir ein Scheitchen mitgebracht. Ich konte das nicht begreifen, denn daß meine Bitte thöricht war, wußt ich wohl, aber auch, daß meine gute Louise allenfals sogar eine solche erfüllen würde. Endlich kam der Fuhrmann meinen Glauben zu stärken, den ich noch nicht aufgegeben hatte – ich hätte eher gedacht, das Scheitchen würde zum Fenster herein geflogen kommen, als daß Du es nicht schicktest. Dafür hat es mir vortreflich geschmeckt. [Aufträge]. Mit großen Vergnügen fand ich die Schauspiele in der Kiste, und Auguste warf sich liebevoll über die geschriebnen und gebacknen Briefe her, über die ersten jedoch zuerst, wie Du es von ihren überirdischen Gemüth erwarten kanst. Sie legt ein Zettel an Paulinchen bey. Mit dem Schreiben geht es schlecht, denn ich hatte noch keine Gelegenheit ihr eine Stunde geben zu laßen, die nicht theuer gekommen wär. Aber ich denke, das holt sich nach. Mir ist mehr darum zu thun, daß ihre kleinen Finger jezt die Claves mit Sicherheit greifen, als daß sie fertig krizzeln lerne. Es geht denn auch recht gut mit der Musik; sie singt einen italiänischen Gaßenhauer, den Meyer übersezt hat, sono inamorato dun bianconino, sehr niedlich, daß sich mir das Herz im Busen bewegt. Das Kind ist glücklich dran, doch erfreut kein neues Kleid sie halb so, wie die leiseste Hofnung ihre kleinen Freundinnen wieder zu sehn, wobey sie Cäcilien stets den Rang giebt.
Es ist mir eine wahre Freude, daß Dein Mann endlich nach Weimar gegangen ist. Nun wird er vermuthlich zurückseyn. Du thust mir einen großen Gefallen, wenn Du mir ein wenig vom Detail dieser Reise mittheilst. Göschen schickt mir gestern ein großes Packet mit Wielanden, schreibt von der Cantate und legt sie nicht bey. Sie ist indeßen schon hier angekommen, und vielleicht bekomm ich sie noch, ehe dies gesiegelt wird. …
Von den Leuten, die ich meine Freunde nenne, weiß ich wenig. Ich habe Hubers lezten Brief vom October erst eben beantwortet. Nachgerade bin ich so weise mich nur um die wenigen zu bekümmern, von denen ich so gewiß, wie eine Sonne am Himmel steht, weiß, daß sie mich lieben. Mithin bekümmre ich mich auch nicht um Meyer, außer daß ich der Vieweg aufgetragen hatte ihn mit der Ebert zugleich zu bitten und sie neben einander zu sezen. Das ist geschehn; nach Tische komt er zu ihr: den Poßen würd er ihr nicht vergeßen. Da vertraut sie ihm, daß sich Mad. Böhmer empfelen ließe und er es ihr zu danken hätte. Artige Sachen von ihm stehen in Schillers Allmanach. Was meinst Du: hätte er nicht lieber über Mathilden: Amalia gesezt? Ich ruhe nicht, Gotter muß künftiges Jahr etwas in diesen Allmanach geben – das wird allerliebst gegen die hochfahrenden Poesien abstechen, die gereimten Metaphysiken und Moralen, und die versifizierten Humboldeschen Weiblichkeiten. Schillern hängt das Ideal gar zu sehr nach – er meint, es ist schon gut, wenn ers nur ausspricht. Das hat mich sehr divertirt, daß man die Epigramme abseits gethan, eine Schranke gezogen, und sie so zu sagen wie junge Ferklein in ein Kövchen allein gesperrt hat. Es sind muntre Dinger und ich mag sie gern. Doch Du hast wohl noch nichts von diesen Herrlichkeiten gelesen, arme Frau, da der Herausgeber sie Dir nicht wird zugeschickt haben – nun tröste Dich, ehe das Jahr vergeht, gerathen sie wohl noch in Deine Hände.
Philipp ist sehr vergnügt hier gewesen und nun in Haarburg. Grüße Minchen, wo Du sie siehst. Grüße die Deinigen und sey mir gut.
Metadata Concerning Header
  • Date: Mittwoch, 10. Februar 1796
  • Sender: Caroline von Schelling ·
  • Recipient: Luise Gotter
  • Place of Dispatch: Braunschweig · ·
  • Place of Destination: Gotha · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 1. Leipzig 1913, S. 380‒382.
Language
  • German

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