Braunschweig d. 5ten Jun. [17]96.
Du hast mich vergeßen, liebe Louise – Seit Monaten fleh ich vergebens um ein Wort. Auguste verschmachtet fast – wirklich, ich habe zu thun gehabt um ihre heftige Sehnsucht nach einem Brief von Cécilen zu mildern, sie stieg mit jedem Postag, und brach in Klagen und Schmähungen aus. Wie komt es, daß Ihr unsrer so gar nicht achtet? Wir haben in unsrer Verzweiflung den Vorsaz gefaßt, euch in eigner Person darum zu fragen, und Du mußt nicht erschrecken, Liebe, wenn ich Dich um ein Obdach für ein oder zwey Nächte, etwa in der Mitte des Julius, ersuche. Diesmal solst Du nicht vergebens nach mir aussehn – ich komme unter guten Schuz, aber für den Schuz bitt ich auch um ein Quartier. Du hast ja zwey Betten, Gustel schläft bey Cécilen. Wenn Du Dich hierinn nicht finden kanst, so geh und frage die Chanoinesse, die ist das Orakel und weiß alles.
Das wird Dir doch endlich eine Antwort abnöthigen. Auguste erhöht meine Freude – ich kan die ihrige mit keiner vergleichen, als mit der, die ich fühlte, da ich die Thürme von Gotha zum erstenmal in meinem 15ten Jahr wieder sah. Das Herz will ihr springen. Sie hat Deine Kinder wahrhaftig lieber wie alles in der Welt, außer mich. Laß doch Cécilen schreiben, und sage dieser, daß ich ihr einen hübschen Plan für künftigen Sommer mitzutheilen hätte.
Die Chanoinesse wird Dir eine Bitte vortragen, die ich Dir bestens empfehle. Schreib mir ja bald, und grüße Gottern und Tante Lorchen. G. wird meinen Schuz gewiß gut und in den seinigen aufnehmen. Schilt übrigens ja nicht auf mich, daß ich so lange schweigen konte. So viel Kummer und Sorgen können das Herz wohl ein wenig verschließen, aber der erste Strahl der Freude öfnet es, wenn es von Natur so wenig verschloßen ist, wie das meinige.
Du hast mich vergeßen, liebe Louise – Seit Monaten fleh ich vergebens um ein Wort. Auguste verschmachtet fast – wirklich, ich habe zu thun gehabt um ihre heftige Sehnsucht nach einem Brief von Cécilen zu mildern, sie stieg mit jedem Postag, und brach in Klagen und Schmähungen aus. Wie komt es, daß Ihr unsrer so gar nicht achtet? Wir haben in unsrer Verzweiflung den Vorsaz gefaßt, euch in eigner Person darum zu fragen, und Du mußt nicht erschrecken, Liebe, wenn ich Dich um ein Obdach für ein oder zwey Nächte, etwa in der Mitte des Julius, ersuche. Diesmal solst Du nicht vergebens nach mir aussehn – ich komme unter guten Schuz, aber für den Schuz bitt ich auch um ein Quartier. Du hast ja zwey Betten, Gustel schläft bey Cécilen. Wenn Du Dich hierinn nicht finden kanst, so geh und frage die Chanoinesse, die ist das Orakel und weiß alles.
Das wird Dir doch endlich eine Antwort abnöthigen. Auguste erhöht meine Freude – ich kan die ihrige mit keiner vergleichen, als mit der, die ich fühlte, da ich die Thürme von Gotha zum erstenmal in meinem 15ten Jahr wieder sah. Das Herz will ihr springen. Sie hat Deine Kinder wahrhaftig lieber wie alles in der Welt, außer mich. Laß doch Cécilen schreiben, und sage dieser, daß ich ihr einen hübschen Plan für künftigen Sommer mitzutheilen hätte.
Die Chanoinesse wird Dir eine Bitte vortragen, die ich Dir bestens empfehle. Schreib mir ja bald, und grüße Gottern und Tante Lorchen. G. wird meinen Schuz gewiß gut und in den seinigen aufnehmen. Schilt übrigens ja nicht auf mich, daß ich so lange schweigen konte. So viel Kummer und Sorgen können das Herz wohl ein wenig verschließen, aber der erste Strahl der Freude öfnet es, wenn es von Natur so wenig verschloßen ist, wie das meinige.