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Ludwig Ferdinand Huber to Caroline von Schelling

B[ôle] den 27. Jun. [17]96.
Das war eine lange Pause, liebe Caroline! Eine rosenartige Geschwulst an der rechten Hand, die mich drei Wochen an allem Gebrauch dieser Hand verhinderte, war die erste, nächste und lezte Ursache. Was alsdann den Aufschub verschuldete, war wie es zu gehen pflegt der Aufschub selbst. Eines habe ich indessen nicht versäumt, sondern noch während meiner Krankheit, vor ohngefähr acht Wochen, das Paket mit Ihren Briefen dem Züricher Associé von der Wolfischen Buchhandlung in Leipzig zugeschikt; dieser wird es sodann, wie ich ihm auftrug, mit erster Gelegenheit an die Wolfische Buchhandlung expedirt haben, durch welche es Ihnen zukommen muß.
Nun geschwind zu Ihrer Klage. Daß ich den Recensenten nicht kannte, glauben Sie mir wohl auf mein Wort, und das thut auch nichts zur Sache. Was aber etwas mehr dazu thut, ist daß ich die Recension selbst erst vor drei oder vier Wochen gelesen habe. In Zürich sah ich sie blos, und nach dem bloßen Sehen sagte ich von ihr, daß sie schaamlos lang wäre, womit ich also an der Recension unmöglich etwas Schaamloses finden konnte, als ganz allein ihre Länge, die, als ich Ihnen schrieb – das kann ich Ihnen auf meine Ehre versichern – das einzige war, was ich davon kannte. Schaamlos lang hieß also nicht viel mehr als etwa entsezlich lang, und die Stärke des Ausdruks bezog sich nur auf die augenscheinliche Parteilichkeit der A. L. Z. [Allg. Litteraturzeitung], in welcher während des ersten Jahres der Existenz der Horen zu zwei verschiednen malen vier oder fünf Bogen auf die Recension dieser Monatsschrift gegangen waren. Die größtmögliche Vortreflichkeit der Horen angenommen, so wäre das ganz unverhältnißmäßig, gegen die Stelle, die sonst Monatschriften im Plan der A. L. Z. einnehmen.
Jezt habe ich die Recension auch gelesen. Den Mangel an Freiheit sieht man ihr an, allein sonst wäre jeder harte und herabwürdigende Ausdruck sehr übel auf sie angewandt. Sehr gut und wahr finde ich, was von Schillers Elegie und von Göthe’s erotisch-artistischen Gedichten gesagt wird. Die Analyse des Schattenreichs gefällt mir nicht – nicht weil ich die Idee einer solchen Analyse an sich nicht für glücklich halte, und nicht glaube, daß sie je dem Gegenstand, der analysirt werden soll, recht adäquat sein könne.
So ernsthaft verstand ich auch nie, was ich von Göthe und Konsorten sagte. Er ist nur von allen den Menschen der einzige, bei dem das Wesen, was getrieben wird, würklich Natur, Instinkt, Organisation, Genie ist – und so oft er vor Eitelkeit zum Muthwillen kommen kann, muß er die andern nothwendig auslachen.
Sie schreiben mir etwas von Meyer, das ein Quidproquo seyn muß. Der Kanonikus Meyer war würklich noch vor kurzem in Paris, wie ich aus einem Brief vom alten Heyne sehe. Aber Wilhelm Meyer, der Berliner Meyer, ist in Berlin, von wo er mir den lezten Monat geschrieben hat.
Ich halte den Frieden mit Deutschland für so nahe, daß ich gern so lange warten will, ehe ich daran denke nach Paris zu gehen, wo die lezten Maasregeln, in Ansehung der Fremden, zwar zu umgehen nicht unmöglich, mir aber doch für meine Absichten, schon dadurch daß sie umgangen werden müßten, nicht recht zuträglich wären.
Mit uns ist es also noch bei’m Alten. Wohl sind wir alle, und das Leztgekommene ist am allerwohlsten. Möge es Ihnen – oder Euch – nicht schlimmer gehen!
Wie es ist, wenn man so lange gewartet hat – ich hatte mir hübsch gemächlich den heutigen Vormittag ausersehen, ein langes und breites mit Ihnen zu schwazen, und bin durch eine Störung über die andre, Besuche, Geschäfte, was weiß ich? um meine Zeit gekommen. Mir ist die Strafe verdient – wollen Sie es auch als Strafe nehmen, ob ich gleich nicht weiß wofür, so habe ich doch die Milderung zu glauben, daß es Ihnen lieber wäre, wenn mein Brief länger wäre, sollte es auch in den Tag hinein seyn, wie bei meinem Urtheil über eine Recension, die ich nicht gelesen hatte – Urtheil nicht, sondern Äußerung des ersten Eindruckes so und so vieler Bogen über die Horen, in Beziehung auf die Redacteurs. Also sans rancune, wie ich bald von Ihnen zu hören wünsche.
[Keine Unterschrift.]
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 27. Juni 1796
  • Sender: Ludwig Ferdinand Huber ·
  • Recipient: Caroline von Schelling ·
  • Place of Dispatch: Bôle
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 1. Leipzig 1913, S. 383‒385.
Language
  • German

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