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Caroline von Schelling to Luise Gotter

[Jena] d. 4ten September [17]96.
Bisher, meine liebe Louise, hast Du Dich der Nachbarschaft nur in Comißionen zu erfreuen gehabt, aber so Gott will, wird auch eine andre Zeit kommen. Vorgestern waren Deine Schwester und Dorette bey mir und da hab ich mirs recht lebhaft gedacht, Dein liebes Gesicht bald bey mir zu sehn. Sind wir erst in der Stadt, so verschmäh keine Gelegenheit, mir die Vorstellung wahr zu machen, denn da hab ich gleich mit auf eine Herberge für Dich gerechnet. Ganz en famille sollt Ihr freylich erst nächsten Sommer kommen, wenn jeden Tag eine andre Herrlichkeit der Gegend vorgenommen werden kan. Ihr werdet nicht so vortreflich wie bey Mad. Schüz logiren, aber das müßen wir schon auf andre Weise wieder einzubringen suchen.
Es geht mir noch immer über alle Maaßen wohl hier, und ich habe mich recht angesiedelt, mit dem Gefühl, als wenn meines Bleibens hier seyn könte. Meinem Vorsaz wenig Bekantschaften zu machen bin ich treu geblieben. Von der studierenden Jugend werd ich nichts gewahr, und ich bin wenigstens gesichert, daß sie mir die Fenster nicht einwerfen kan, da wir künftig über einen Hof hinüber wohnen. Spaziergänge nehmen wir jeden Abend vor, und die heilige Dreyzahl unsres häuslichen Zirkels hat sich in eine partie quarrée seit der Ankunft meines Schwagers verwandelt, der uns mit seinem inn und auswendig krausen Kopf viel Vergnügen macht. Für den Spätherbst bekommen wir das Weimarische Schauspiel. Göthe ist jezt wieder hier und läßt das Theater arrangiren, sonst giebt er sich diesmal viel mit Raupen ab, die er todt macht und wieder auferweckt. – Wenn Du den Allmanach siehst, so wirst Du auch sehn, wie er sich seither mit dem Todschlagen abgegeben hat. Er ist mit einer Fliegenklappe umhergegangen, und wo es zuklappte, da wurde ein Epigramm. Schiller hat ihm treulich geholfen, sein Gewehr giebt keine so drollige Beute von sich, aber ist giftiger. Göthe hat eine Parodie auf den Calender der Musen und Grazien gemacht, die einem das Herz im Leibe bewegt. Es heißt die Musen und Grazien in der Mark
ach wie freu ich mich, mein Liebchen,
Daß du so natürlich bist!
Unsre Mädchen, unsre Bübchen
Spielen künftig auf dem Mist
so sagt er unter andern darinn.
Dein Mann ist unerbittlich gewesen? Ich werde mir darauf ein Epigramm bestellen.
Wir hatten wieder einige Gastirungen, weil zwey Schwestern, ein Bruder und eine Schwägerinn von der Hufeland aus Braunschweig ins Land rückten. Die beyden Schwestern sind noch hier, der Bruder ist weiter nach Dresden gegangen. Göthe war mit bey Hufelands. Schillers haben andre Gäste, deren ich für mein geringes Theil allenfals entübrigt wäre, das ist ihre Schwester und Schwager, ein dicker Hr. von Wohlzogen, der während der Revolution viel in Paris gewesen ist. Die Schwester ist nicht halb so natürlich wie die Schiller, und kan einem faut soit peu Langeweile machen …
  • Schelling, Caroline von  charakterisieren  Wolzogen, Karoline von
  • Schelling, Caroline von  charakterisieren  Goethe, Johann Wolfgang von
  • Schelling, Caroline von  charakterisieren  Schlegel, Friedrich von
  • Schelling, Caroline von  Begegnung  erhoffen  Gotter, Luise
  • Schelling, Caroline von  positiv bewerten  Goethe, Johann Wolfgang von; Schiller, Friedrich: Xenien
Metadata Concerning Header
  • Date: Sonntag, 4. September 1796
  • Sender: Caroline von Schelling ·
  • Recipient: Luise Gotter ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Gotha · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 1. Leipzig 1913, S. 396‒398.
Language
  • German

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