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Caroline von Schelling to Luise Gotter

[Jena] d. 15[–17.] Oct. [17]96.
[Bestellungen.] Sieh, dafür bringt [Ls. Schwester] Dir auch den Allmanach mit, den Du schon hättest, wenn ich mehr wie ein Exemplar besäße, und das hat Schlegel mitgenommen – der – im Vorbeygehn – noch nicht wiedergekommen ist. Allein solt ich eins kaufen, Ende der Woche hast Du ihn! Wie ich höre, sind der falschen Deutungen unzähliche. Schüzens waren in Leipzig und haben den Specktakel recht mit angesehn. Gutes Kind, wie wirst Du noch erschrecken, wenn Du ihn in die Hand nimst! Freylich sind die Nahmen vollaus geschrieben, wenigstens Manso und Nicolai. Das wäre auch nichts, je öffentlicher, je weniger darf man ihnen Vorwürfe über diese hinterlistigen Waffen machen. Sie hätten alles vollaus nennen sollen, und sich dazu. Ich kan Dir sagen, daß mir das Ding immer weniger gefällt, und ich Schiller (ganz unter uns) seitdem nicht gut bin, denn das glaub, fünf Sechstel rühren von ihm her, und nur die lustigen und unbeleidigendern von Göthe. Schiller wird aber den Handel auch allein ausbüßen müßen – er giebt so unendlich viel Prise – man kan ihn bey allen Ecken faßen, und er ist empfindlich, wie eben seine Rache zeigt.
Fromman nahm mir Schlegeln in aller Eile weg, und ich weiß noch nicht, wann er wieder kommen wird. Vermuthlich geht er noch weiter. Allerdings habe ich die Zeit genuzt um herein zu ziehn, und bin auch schon leidlich etablirt. Im Haus selbst wird nur noch allerley getrieben. Tischler und Mahler sind noch dabey, so daß die Avenuen wenigstens nicht so nett sind, wie meine Stuben. Ich habe eine rechte Freude darüber, daß Schlegel der Unruhe entgangen ist, und ich ihn in die ordentliche Wohnung einführen kan. Er ist keiner von den Gelahrten, die für Ordnung und Eleganz keinen Sinn haben; nun ist zwar die Eleganz noch auf einen frugalen Fuß bey mir, indeß sieht es doch schon anders aus, wie im Gartenhause. Ach, Louischen, wärst Du erst hier!
Mein erster Besuch in der neuen Wohnung war Blumenbach, geschmeidig und liebevoll wie immer. Ich hatte kaum gedacht, daß er zu mir käme – es that mir nur leid, daß Schlegel nicht da war, und Blumenbach nicht länger blieb. Es wäre mein Stolz gewesen, wenn er auch ein bischen von meiner zweyten glücklichen Ehe gesehen hätte. An meiner ersten hat er sich mehrmals erbaut, und ich bin wahrlich seitdem nicht schlimmer geworden.
Wegen Minchen habt Ihr eine rechte Noth. Schlegel hat ja keine Epigramme auf den Schulmeister gemacht, und Schiller hat ja Schlegels Bruder nicht verschont – wer überhaupt einmal in Geschmack komt, macht auf seinen Freund und seine Geliebte welche. Hört sie davon, so sagt Ihr nur, daß ich mich heftig dagegen erklärt habe.
Die Paulus ist wieder hier, und trägt die dreyfarbige Cocarde. Das darf sie nun hier thun – und ich habe es in Mainz nie – nie – gethan. So gerecht gehts in der Welt zu. Sie ist übrigens eine artige kleine Frau, die den Franzosen gewiß gut gefallen hat.
d. 17ten.
Eben ist Schlegel wieder zu Haus gekommen, der liebe Mensch. Ich habe eine rechte Freude. Er ist in Deßau bey Tischbeins gewesen.
Metadata Concerning Header
  • Date: 15. Oktober 1796
  • Sender: Caroline von Schelling ·
  • Recipient: Luise Gotter
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Gotha · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 1. Leipzig 1913, S. 399‒401.
Language
  • German

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