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Caroline von Schelling to Luise Gotter

Jena d. 12 Dec [17]96.
Gern, liebe Louise, hätte ich Dir zuweilen helfen mögen, Deinen guten Kranken zu pflegen und zu zerstreuen, und ich habe den Winter noch zehnmal mehr verwünscht, weil er Euch so viel zu schaffen machte. Doch hoff ich, er soll sich, nun er sich einmal festgesezt hat, weniger feindseelig beweisen; er scheint wenigstens beständig werden zu wollen. Wir haben schon völlige Schlittenbahn. Wenn nur Gotter sich recht schont, daß wir ihn im Sommer hier sehn können, und er selbst einiges Vergnügen daran hat. – Von Eurer Reise nach der Stadt hab ich schon mehr Detail gehört, als Du mir giebst, Du sparsame! Hier haben es die Leute auch alle mit dem Schauspielen gekriegt, und ich habe in dieser Woche ebenfals die Reise nach der Stadt gesehn von einer Gesellschaft, bey der die Döderlein ist, auf einem ganz kleinen Theater 2 Ellen ins Gevierte in einem kleinen Parterre, das grade 2 Duzend Menschen faßte, aber darunter waren einige Kunstrichter von Gewicht, als zum Exempel ich und der Kammerherr von Einsiedel. Wir haben uns nicht gesprochen, aber vermuthlich ist doch so viel Sympathie zwischen uns gewesen, um gemeinschaftlich zu bemerken, wie sehr es an Raum, an Leben und an Seele fehlte. Wenn wir uns mit einander hätten unterhalten können, so wären wir für das Zusehn doch wahrscheinlich ein wenig belohnt worden. Das ließ sich aber nicht thun. Es war der Geburtstag des alten Eckard und Einsiedel in Geschäften hier, wo er Mittags bey Eckard aß, und so mit ins Schauspiel kam. Drey Plätze waren leer gelaßen, ich saß zunächst, aber der alte E. wurde mein Nachbar, und Einsiedel kam zwey Personen von mir. Ich konte ihm doch nicht zurufen, Hr. Cammerherr, setzen Sie sich hierher, ich möchte mich gern von einen gemeinschaftlichen Freund mit Ihnen unterhalten! Und also hab ich nichts davon gehabt, als daß ich einen Kammerherren gesehn habe, der sich auch in einen engen Raum recht artig zu behelfen wußte. Meine Empfelung an Deinen Mann, auch er wüßte sich bey einer abschlägigen Antwort recht gut zu benehmen. Ich hätte es freylich gleich gedacht, daß nichts anders erfolgen würde. Es wär nun nichts andres zu thun, als daß Schlegel das Buch an Hufeland zurückgäbe – welches bereits geschehn sey. Wenn Schlegel hätte die Parthey ergreifen können, zu Böttichers Bemerkungen beßere über Iffland hinzuzufügen, so würde er sich für diesmal nicht geschämt haben einen Tadel zurückzubehalten, durch den man nur Tropfen in das Meer gerechten Tadels trüge, in welchem der ganze Bötticher billig ersäuft werden sollte. Aber zum blinden Loben hat er sich nicht verdungen, und wo er partheyisch scheint, da ist er es auf seine eigne Hand, in seinem eignen Herzen, nicht im Nahmen der Litteratur Zeitung.
Es ist gegründet, daß Iffland mit 3000 rh. engagirt worden. Humboldt sagte es uns. Mit Porsch, das freut mich herzlich. Kommen wir künftiges Frühjahr noch nach Berlin, so soll auch mein erster Bote an ihn ausgesendet werden.
Die Gegengeschenke sind mir gleich zu Gesicht gekommen; es ist mir Eine Stimme daruber. Daß Jacobs nichts davon wußte, ist mir recht lieb, und ich hab es auch Schillern gesagt, auf den sie übrigens gar keinen Eindruck machten. So weit hab ich es denn doch nach und nach bey Schlegel gebracht (tropfenweis, wie der Fels ausgehölt wird), daß er weit günstiger für Jacobs gesinnt ist. und ihn nun recht freundlich bewillkomnen würde. – Wenn Du den Wilhelm Meister hast, was soll ich Dir denn schicken? Daran kanst Du lange lesen und nachdenken. Im lezten Stück der Horen steht eine Agnes von Lilien, die ich Dir doch schickte, wenn sie schon vollendet ware, aber es kommen noch 8 Bogen nach, und dann wirst Du Gelegenheit haben, wiederum den Reichthum und die Anmuth eines großen Geistes zu bewundern.
Um auf unsere Theaterlust zurückzukommen – die Schütz hat mir offenbart, daß sie auch eins in ihrem Hause anlegen will. Sie hat mir, wie es schien, nicht mit großer Zuversicht eine Rolle angeboten. Das erste Stück soll der Geizige von Moliere seyn, übersezt von ihrem Hrn. Sohn. Sie scheint also den guten alten Geschmack wieder emporbringen zu wollen, nur schade, daß es durch Hülfe eines Schülerexercitiums geschieht. Wir haben von andern aufführbaren Stücken gesprochen, ich habe mir verlauten lassen, daß ich in der Stella wohl die Cäcilie mir zutraute, und da hat sie es mit beyden Händen ergriffen, weil sie gern die Stella übernähme. Nun denk Dir! Wer würde alsdann für die verlaßene Cärilie nicht eine liebevollre Theilnahme wie gewöhnlich haben?
Ich gehe heut zu der Mereau, die lezthin auch mitspielte; sie machte die verdorbne Tochter vom Hause.
Hast Du schon den Weinachten für Deine Kinder ersonnen? [Besorgungen. Luise Wiedemann krank.]
Die Berlepsch ist in Weimar. Sie reißt dem Franzosen Mounier nach, der seine Frau in Weimar verlohren hat, die sie ersetzen will.
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 12. Dezember 1796
  • Sender: Caroline von Schelling ·
  • Recipient: Luise Gotter
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Gotha · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 1. Leipzig 1913, S. 405‒408.
Language
  • German

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