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Caroline von Schelling to Luise Gotter

Jena d. 13 Febr. [17]97.
Ich hatte mir schon vorgenommen, Liebe, Dir heut zu schreiben und meine Herzensmeinung zu eröffnen, da mich Dein Briefchen noch dringender dazu auffordert, und die Herzensmeinung überdem auch eigentlich erst bestimmt hat. Schlegel, der die Revolutionen keinesweges liebt, hatte mir freylich schon mehrmal von wegen des Mädchens gesagt: Kind, Du weißt, was Du hast, aber nicht, was Du wieder bekommen wirst – allein – hättest Du mir ein recht reizendes sujet vorzuschlagen gehabt, so würde ich dennoch gethan haben, was mir beliebte. Nun – da sie einen Stern auf dem linken Auge hat, was soll ich sagen? Meine ganze Hausgenossenschaft stößt sich an den Stern, und keiner hat eifriger geredet um meine Unentschloßenheit zu übertäuben als Gustel, die sich sonst oft bitter über Hannen beklagt. Wir haben uns den ganzen Nachmittag darüber beredet – sie hat die Punkte aufgesezt, auf die es ankomt, und die ich Dir überschicke. Meine bisherige Hanne hat so viel wieder als für sich – die andre hat den Stern und das vorlaute Wesen, das wir durchaus nicht brauchen können, weil wir uns davon übertölpeln ließen, da ich gar nicht dazu gemacht bin, den Leuten den Daumen aufs Auge zu halten – wieder sich. Das Ende dieses Senfes ist, daß ich beschämt bin, Dir viel Mühe um nichts gemacht zu haben, denn ich will es noch ein halb Jahr mit Hannen aushalten. Sie hat Gusteln weisgemacht, sie wäre erst 25 Jahr (sie muß wenigstens 35 alt seyn), und das gute Kind läßt sich drauf todtschlagen und fürchtet dabey, weil Du von mittleren Jahren sprichst, die andre möchte wohl 80 alt seyn, wovor sie einen gewaltigen Abscheu hat. Sie leidet nichts weniger als Grämlichkeit. Vergieb mir überdieß, daß ich 2 Seiten von Dienstbotenangelegenheiten voll geschrieben.
Du hast mir eine herzliche Freude mit den guten Nachrichten von Gotter gemacht. Ich sehe seine Verse als das erste ächte Lebenszeichen an – manche Kranke niesen, wenn sichs in ihnen wieder herstellt – Gotter macht Verse, und sie sind gar artig, sie haben eine hübsche pointe – ich hoffe das Beste von ihm. Die Poesie und der Hunger regen sich ja. Wie wirst Du im Frühling Dich freuen, wenn Du seine Kräfte wiederkehren siehst. Grimm hat im Grunde ein zärtliches Herz, und das ästhetische vermag mehr über ihn, als er selbst weiß. So kan es nicht fehlen, daß er Deinen Mann nicht recht mit Liebe behandeln und curiren sollte.
Kaum hörte ich, daß Jacobs wirklich den Ruf nach Oldenburg erhalten hat, als ich auch vernehme, daß er ihn ausschlägt, seiner Familie zu lieb, und Zulage erhält. Es freut mich, daß er unser Nachbar bleibt, zumal da er sich nach Norden entfernen wollte. Grüße ihn. …
Schütz ist noch sehr übel – ich weiß wirklich nicht, wie es noch mit dem Gothaischen Plan wird, allein ich fürchte, sie läßt sich nur durch eine bittre Erfahrung von der Hartherzigkeit der Gothaner belehren.
Louise fährt fort sich wohl zu befinden, das Stillen ist in Ordnung, das Kind gestern zum Christen gemacht. … Hab ich Dir geschrieben, daß mein jüngster Bruder fast närrisch vor ehelicher Seeligkeit ist – es mag ein Monat seyn, daß er getraut wurde, und er bittet schon zu Gevatter. Man muß sagen, es schien zwar dann und wann mit einigen von unsrer Familie nicht recht fort zu wollen, aber am Ende sind wir doch im Heyrathsfach sehr glücklich und loben Gott alle Tage. Wären wir so reich wie seelig! Obschon das nicht mein Hauptwunsch ist. …
Aber Beste, Schlegel wird Dich noch inkommodiren müßen. Er bedarf auch der ungebundnen Bibliothek der schönen Wissenschaften. Schütz hat die lezten Stücke gar nicht. Sey so gütig, packe sie ein und gieb sie dem Kammerwagen mit. Gotter kan sich darauf verlaßen, daß ihnen nicht ein Häärchen gekrümmt wird. Schlegel ist der ordentlichste Mensch von der Welt und kan keinen Faden liegen sehn ohne darüber zu stolpern.
Wer Agnes gemacht, wissen wir noch nicht. – Schiller kauft einen Garten, den die Mereau voriges Jahr hatte. Wohlzogen ist Cammerherr und C. Rath in Weimar geworden – ich wollte in Petersburg! Die Humbolden hat ein drittes Kind seit 3 Wochen, so häßlich wie die beyden ersten.
Lebe wohl, Du Liebste. Warum schreibt die Chanoinesse nicht? – ich gräme mich darüber. Cäcilie könte Augusten auch wohl erfreun. Giebt ihr der Pastor so viel zu schreiben?
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 13. Februar 1797
  • Sender: Caroline von Schelling ·
  • Recipient: Luise Gotter
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Gotha · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 1. Leipzig 1913, S. 415‒417.
Language
  • German

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