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Caroline von Schelling to Luise Gotter

[Jena] d. 7 Sept. [17]97.
Was hast Du mir für eine betrübte Nachricht gegeben, liebe beste Louise – ich war ganz mit der Erwartung beschäftigt Dich bald bey mir zu sehn, und statt nun in dem Briefe etwa den bestimmten Tag zu lesen, kommen mir so viele Einwendungen entgegen. Wird es mir denn nicht gelingen sie aus dem Weg zu räumen? Ich kan mich mit der Vorstellung nicht vertragen, daß dieß Jahr so hingehn soll, ohne daß ich Dich unter meinem Dach umarme. – Du weißt, wie sehr ich wünschte, Du möchtest doch in der frölichern Jahrszeit kommen, weil ich Dich dann freundlicher hätte zerstreun können, aber das ist ja doch nun vorüber. Wir werden, wenn es so fortgeht, in ein paar Wochen den späten Herbst haben, und es ist also gleichgültig, ob Du noch später kommst, wenn Du Dich doch einmal auf das Haus einschränken mußt. So komm denn nur, sobald Du kannst, seys Winter oder Sommer. – Sieh, Beste, gern hätte ich Deine lieben Mädchen alle bey mir … Wenn Du und Cecile hier seyd, da wirst Du sehen, daß ihr ganz wie zu Haus seyn sollt, und wir auch nichts anders wissen werden, als daß ihr schwesterlich zu uns gehört. Ich kan meiner Louise nichts bessres geben, als einen frohen häuslichen Genuß unsrer Selbst, und des besten und liebsten in uns. Da muß man aber nicht so auf der Flucht seyn. Sag den Kindern, sie sollen im künftigen Sommer herkommen. Auguste hat jezt auch vielerley Geschäfte. Ich freue mich unendlich auf ihr Beysammenseyn mit Cecilen. Diese muß ja alle ihre Zeichnungen mitbringen. Doch diese Dinge werden wir noch verabreden können, denn wenn ich es irgend möglich machen kan, so komme ich auf einen Tag herüber. Auf länger gehts nicht. Du glaubst nicht, wie unentbehrlich ich dem Freund Schlegel bin, und wirst überhaupt Deine Freude an unsrer artigen Wirthschaft haben. –
Ich sende Dir hier ein paar Damen, die ich gern begleitet hätte, wenn Plaz da gewesen wäre, und nicht sonst einiges mich zurück hielte, als z. B. ein ganzes Shakesp. Stück abzuschreiben, das unter die Presse muß, und wo sich kein Fremder in die erste Handschrift finden kan – aber ich habe sie bevollmächtigt meinen Bitten an Dich mündlichen Nachdruck zu geben. Sie können Dir sagen, daß ich Schlegeln schon in die dritte Etage geschickt habe, damit wir in der zweyten hübsch beysammen seyn können. Ja, es ist schon gescheuert, und ich habe heut eine Wäsche, wozu mir der liebe Gott Regen geschickt hat. – Aber freylich wirds wohl trocken werden und die Stuben wieder schmutzig, ehe Du kommst.
Die Geisterinsel hat Schlegel aufs genauste durchgesehn und abgeliefert. Mir war es selbst so damit, wie Du sagst. Jene Töne sterben nicht in meinen Ohren – wenn ich es vorlese, so merke ich, daß viele Laute ihm gehören. Es war eine himmlische Musik in seinem Vortrage dieses Stücks, wie denn auch wirklich die Poesie darin ganz Musik ist. Noch von der allerersten Vorlesung ist mir das meiste geblieben. Die lezte machte mich freylich mehr besorgt um ihn, als sein Aussehn, nach welchem Du mich damals fragtest, und was mir nicht so sehr auffiel.
Auguste scheut sich Cecilen zu schreiben aus mehr wie einer Ursach; sie fürchtet sich sogar, Cecile möchte zu groß und gescheut für sie seyn, und sich nicht mehr mit ihr abgeben wollen. Lezthin träumte sie sogar, Cecile hätte sie sehr kalt empfangen und immer nur auf ein Bild gesehn, das sie in der Hand gehalten hätte. J’espêre, ma chere Cecile, que tu détruiras ces tristes rêves.
Die Reichard kam doch neulich hier durch, und Auguste war eben den Nachmittag bey Seidlers. Nun weißt Du, sie hat sonst so freundlich gegen sie gethan, wenn sie sie traf, aber dießmal hat sie sie nicht angeredet, nicht gethan, als ob sie da wär, da sie 6 Stunden mit ihr in einer Stube war. Vermuthlich hat sie geglaubt, Auguste würde nun größer und ein artiges Wort tireroit plus à conséquence. – Apropos – ich bekomme eben einen Brief von meiner Schwester, und auf der lezten Seite find ich Meyers Hand, der eben auf einer Wanderung durch Niedersachsen in Braunschweig angelangt ist, und mir zärtliche Vorwürfe über mein Schweigen macht. – Er wird sie noch lange zu machen haben.
Grüß doch Minchen herzlich von mir und umarme die Deinigen. Schick mir auch gute Antwort zurück.
Deine Caroline.
Auguste hat sich doch in aller Stille ein Herz gefaßt und schickt Cecilen ich weiß nicht was alles für Herrlichkeiten. Sey doch so gut das Stammbuch wieder mitzugeben. Wenn ich nicht irre, so hatte Gotter noch ein paar Zeilen für sie aufgeschrieben, die ihr ein Heiligthum seyn werden.
Metadata Concerning Header
  • Date: Donnerstag, 7. September 1797
  • Sender: Caroline von Schelling ·
  • Recipient: Luise Gotter
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Gotha · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 1. Leipzig 1913, S. 423‒425.
Language
  • German

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