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Caroline von Schelling to Luise Gotter

Jena d. 1 Nov. 1797.
Liebe Louise, Du hast mir freylich gar keine erfreuliche Dinge von Dir gesagt, und Dein Brief hat eine lang gehegte liebe Erwartung vereitelt. Darum hast Du auch sehr recht, wenn Dir das Herz zuträgt, daß wir höchlich unzufrieden mit Dir sind. Du hättest Dich viel früher entschließen sollen zu uns zu kommen, so brauchtest Du Dich nun nicht durch einen verdrießlichen Umstand festhalten zu lassen. Auguste ist gar nicht zu beruhigen, denn ich kan ihr nun nicht versprechen, daß ich hinüber fahren will. Ohne einen besondern Zweck, macht das immer Umstände, die jener mich zwar leicht überwinden ließ, aber wozu es nun wieder eines neuen Entschlußes bedarf. Ja, Dein festes Versprechen im Frühjahr zu kommen kan uns nicht befriedigen, da wir Dir nicht mehr trauen – und was ernsthafter ist – da wir vermuthlich im Frühjahr wieder eine längere Reise machen. Siehst Du, wie schlimm Du es angestellt hast! Wie gern hätte ich Dich hier gesehn und laß mich Dir sagen, wie wohl würde es Dir gethan haben, Dich ein wenig herauszureißen! Du zehrst Kräfte auf, die Dir noch so nöthig sind. Deine unabläßige Trauer taugt für Deine Kinder nicht – bestes liebstes Weib, Deine ganze Seele sollte auf sie gerichtet seyn; Deine Hofnungen solltest Du wenigstens eben so zärtlich pflegen wie Deinen Schmerz. Ich zweifle an Deiner mütterlichen Sorge nicht, doch glaube mir nur, jeder Gram macht nach und nach unthätig, Du kanst wenigstens leicht auf falschen Weg dabey gerathen. Ceciliens jungem Gemüth ist es sicher nicht vortheilhaft, täglich Zeuge einer durch und durch bewegten Gemüthsstimmung zu seyn, wie die Deinige seyn muß – ihr Hang neigte sich so immer zur Überreife – und welche Freudigkeit, die sich mit jener nicht verträgt, haben die Mädchen nicht nöthig, um sich eine gute Stelle in der Welt zu bereiten, wozu alle ihre Fähigkeiten gehoben, aber keine ihrer Empfindungen unnöthig gereitzt werden müste. Liebe Louise, er würde meiner Meinung seyn – bist Du davon nicht selbst überzeugt? Die innigste Freundschaft hatte sich vorgesetzt Dir dies ans Herz zu legen, und sich geschmeichelt, Du würdest getrösteter von dannen gehn. Vergieb mir deswegen, wenn ich die Aufschiebung Deiner Reise nicht als eine übrigens gleichgültige Sache ansehn kan, die uns nur um das Vergnügen uns zu sehn bringt. Bis dahin hatte ich alles verschoben, was ich Dir vorzustellen, was ich Dir Linderndes zu sagen hatte. Du hast eigentlich niemand um Dich, der so zu Dir reden könnte. Eigne Erfahrung und herzlicher Eifer geben mir vor vielen das Recht. Mir schien es so nöthig, daß wir uns sahn – Du beschäftigtest Dich natürlich jetzt nicht so viel mit mir, wie ich mit Dir. – Auch werde ich die nächste Gelegenheit gewiß wahrnehmen. – Köntest und wolltest Du mir versprechen mir Cecilen mitzugeben, wenn ich bald zu euch käme, so würde mir Schlegel die Erlaubniß zu einer besondern Reise doch gern geben, glaub ich. Gegen das Frühjahr bekämst Du sie nebst Augusten zurück, weil wir diese diesmal aus mehreren Ursachen gewiß nicht mitnehmen, und nach unsrer Rückkehr känst Du mit allen Kindern zu mir. Dies fällt mir eben so ein. Fürchte nicht, daß ich in Dich dringen, daß ich Deine Neigung zwingen will. Nur, Beste, rechne auch nicht darauf, daß wir immer in Deiner Nähe bleiben – das kann sich leicht ändern. Und achte es nicht, wenn Cecile Schwierigkeiten macht, Dich nicht gern lassen will – wenn ich komme, red ich mit ihr, und sie folgt mir doch, wenn sie sieht, daß es Dein und mein Wunsch ist. Überlege Dirs, Beste, nicht nur so oben hin – bey mir kommt es aus voller Seele.
Der junge Hof kam und erzählte mir von der traurigen Begebenheit – da ich statt des erwarteten Briefs von Dir diese Botschaft bekam, sank mein Glaube an Dein Kommen gleich. Je mehr sich Kummer um Dich versammelt
[Seitenende.]
Wegen Deiner andern Angelegenheit hab ich Dir ebenfalls Vorwürfe zu machen, meine Gute. Du hast Dich von Anfang an so verwirrt darüber ausgedrückt, daß ich nun erst begreife worauf es ankommt… Ich war es, die vorschlug, daß man allenfals, damit Fleischmann von der Furcht vor einem andern Compositeur befreit würde, Szeenen auslassen könnte. Dies war, nachdem Du selbst Schillers Antrag wieder aufgenommen hattest, den ich, weil Du so ungeneigt schienst, schon ganz abgelehnt hatte. … Es komme nun wie es wolle, Schiller ist ganz unschuldig und ich verstehe ganz und gar nicht, was Du mit dem Mistrauen oder den Zeilen von seiner Hand wilst. Er mag sonst seyn wie er will – (und niemand ist wohl weniger partheyisch für ihn wie ich), so kan doch gar nicht die Frage davon seyn, daß er das Manusscript mitgetheilt. Aber was er soll drucken lassen, das muß er doch wohl aus der Hand geben. Ja, was in die Horen komt, wird in Schwaben gedruckt, macht also die ganze Reise dahin. – Ich erfahre jezt das erste Wort davon, daß es einem Vertrag mit Fleischmann zuwieder ist, daß die Oper gedruckt wird. Der erste Akt ist eben ganz erschienen mit der Note – die andern erscheinen in den folgenden Stücken, jedes einzeln. Wir können nichts thun, als den Druck des lezten bis nach geschehner Vorstellung in Frankfurt zurückhalten, wenn dieß anders noch möglich ist, da man lange in voraus druckt. Wahrscheinlich kommts in diesem Jahr nicht. Schiller kan das selbst nicht so genau wissen. Hättest Du das nicht bestimmt sagen müssen, was für einen Vertrag Du denn mit Fleischmann hattest? Er fürchtet sich gewaltig vor Nebenbuhler. Übrigens, ist das Stück einmal wo gegeben, so kan man doch die heimliche Mittheilung nicht verhindern. In Berlin wird Himmel so einmal nicht zugeben, das Fleischmanns Composition gespielt wird. Ist sie gut, findet sie in Frankfurt Beyfall, so kommt sie längst in Umlauf, ehe Himmel fertig ist. … Freylich fragmentarisch hätte sie Schiller nicht genommen, wie ich höre. Was Du nun auch thust, um das Unheil gegen Fleischmann gut zu machen, beschuldige nur Schiller nicht, denn der ist ganz unschuldig. Er machte sich eine Freude draus, durch sein Journal etwas bekannt zu machen, worauf man lange gewartet, und zwar auf eine vortheilhafte Art für Dich. Aber es sieht ihm gar nicht gleich, es weiter, Gesprächsweise nur, zu erwähnen. Daß Himmel das Manusscript haben soll, ist sicher nur ein Geträtsch. Ich glaube, Einsiedel hätte sie Himmeln lieber gegönnt. Die Schröder war mit Fleischmanns Musik nicht zufrieden – doch haben die sie gewiß eben so wenig wo mitgetheilt. Ich bin herzlich betreten über diese Sache gewesen, allein ich kan mir doch auch keine Schuld geben, weil ich so gar nichts bestimmtes gewußt habe. Melde mir doch bald, ob Du hierauf etwas gegen Fleischmann zu thun gedenkst, oder was ich noch thun kan. Mit dem Diderotschen Mannsscript. hat es jezt Zeit, suche nur ja nach dem Einsiedelschen, denn der hat mich wieder daran errinret.
Vergieb mir, daß ich Dich heut vielleicht auf mancherley Art habe bewegen müssen. Laß Dir den ersten Theil des Briefs nochmals an das Herz gelegt seyn – und bekümmre Dich nicht unnöthig wegen des zweiten.
Deine Caroline.
Metadata Concerning Header
  • Date: Mittwoch, 1. November 1797
  • Sender: Caroline von Schelling ·
  • Recipient: Luise Gotter
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Gotha · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 1. Leipzig 1913, S. 433‒437.
Language
  • German

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