Single collated printed full text without registry labelling not including a registry

Caroline von Schelling to Georg Joachim Göschen

Jena d. 16 Dez. 97.
Liebster Freund, ich bin noch krank – aber lassen Sie uns nicht davon reden, denn ich möchte gern den Seidelbast mit Stillschweigen übergehn, der mir nun wirklich auf dem Arme liegt und zieht, nachdem er drey Tage auf die Seite meines Eigensinns getreten zu seyn und nichts wirken zu wollen schien. Auch isländisch Moos trinke ich und Ihr Celanienpulver kommt zu spät.
Wie oft ich den Morgen aus Fenster gegangen bin und dachte und hofte, Sie würden in dem schmälichen Regen, der sich gleich hinter Ihnen her ergoß, wieder umgekehrt seyn. Aber Sie sind noch eigensinniger wie ich. Wir hatten alle keine Ruhe, bis wir Sie uns doch etwa in Naumburg denken konten, und es war recht gut, daß Sie uns Nachricht gaben. Nie werden wir Sie wieder auf die Art von uns lassen.
Die bewusten Reinetten soll ich Morgen haben und denke sie Ihnen noch vor Weinachten schicken zu können, aber Sie Böser haben gewiß Ihr Memorandum book, Ihr Herrmann und Dorotheechen verlohren, daß ich keinen Bast zum Kleide für Gusteln kriege, den ich doch ganz nothwendig haben muß. Liebste Göschen, helfen Sie mir doch ja damit – es ist das solide Stück von Gustels Weinachten. – Am Mittwoch oder heute hätte es schon kommen können, wenn Ihr Mann mit einen Gedanken sich unsrer errinret hätte.
Sag ichs nicht, daß sich alle Barone an Sie wenden? Diesen Nachmittag hat der Cammerherr Einsiedel hier gesessen und gemunkelt, daß er Ihnen gar zu gern – so mit der Zeit – seine vollständige Theorie der Schauspielkunst, die er allein ohne Jean Paul schreibt, gönnen möchte – es sollen Kupfer, aber nur skizzirte Umrisse so wie etwa die Attituden der Lady Hamilton dazu kommen? Werden Sie ihm gar keine Hoffnung machen? Er ist im Grunde zehnmal mehr werth wie Ihre andern Barone. Schlegel wird den kleinen Versuch anzeigen und hat zugleich den Auftrag von ihm den Verstoß mit Jean Paul zu erläutern. In der Michaelmesse kommt Einsiedel nach Leipzig – wenigstens deucht mich, daß er so sagte.
Ich habe von der Griesbachen keine Buchstaben gekriegt. Sie soll Ihnen zum heilgen Christ ein ganz frisches Alfabeto backen.
Leben Sie wohl, bester Freund – nehmen Sie unsre herzlichsten Grüße für sich und Ihre Lieben, komen Sie bald, bald wieder und bleiben Sie uns zugethan.
C. S.
So schadenfroh bin ich doch nicht gewesen mich über Ihr unglück zu freun, im gegentheil wir haben Sie sehr bedauert; aber eine kleine strafe ist es doch, daß Sie nicht noch länger Hier blieben, Die Gans war sehr schön. grüßen Sie indessen Ihre ganze Familie und sich selbst von Ihrer
Auguste.
Die Klopstockschen Oden, die Sie vergessen haben, hiebei.
Metadata Concerning Header
  • Date: Samstag, 16. Dezember 1797
  • Sender: Caroline von Schelling ·
  • Recipient: Georg Joachim Göschen ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Leipzig · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 1. Leipzig 1913, S. 444‒445.
Language
  • German

Weitere Infos ·