Jena d. 24 Aprill [17]99.
[Besorgungen.] Ihr werdet euch nun wieder von den hochzeitlichen Festen erholt haben und die junge Frau fortgeschickt. Gern, gern käm ich dafür herüber, aber es will sich denn doch nicht so bequem machen lassen, als es leicht aussieht. – Man sagte mir, am Sonnabend wär Vanderbek in Weimar gewesen. Warum hat sich Minchen nicht mit auf den Weg gemacht? Es wäre doch allerliebst gewesen, wenn wir uns mit einenmal da getroffen hätten. Hieher soll sie nun nicht eher kommen, bis es ganz grün und warm ist. – Wir haben in Weimar endlich den Wallenstein ums Leben gebracht – und wollen hoffen, daß er dadurch die Unsterblichkeit erlangt. Die Schönheit und Kraft der einzelnen Theile fällt am meisten auf. Wenn man es nach einem einzigen Sehen beurtheilen dürfte, so würd ich sagen, das Ganze hat sehr an Effeckt durch die Länge verlohren. Es hätte nur Ein Stück seyn müssen, dann hätten sich die Szenen konzentrirt auf Einen Brennpunkt, die sich jetzt langsam folgen, und dem Zuschauer Zeit zu kühler Besonnenheit lassen. Der lezte Akt thut keine Wirkung – man merkt den Fall des Helden kaum, an dessen Größe 11 Akte hindurch gebauet werden, um eine große Erschütterung durch seinen Sturz hervorzubringen. Und die mannichfache Absicht, die Berechnungen, welche hindurchschimmern! Es ist eben ein Werk der Kunst allein, ohne Instinkt. Ich kann Dir nicht sagen, wie dagegen das Ende Shakespscher Trauerspiele, auch seiner politischen, das Herz erfüllen und bewegen. Schreib mir doch, wie Van der Bek davon geurtheilt hat. Die Piccolomini ließen weit mehr ahnden, es schien so viel darinn vorbereitet zu seyn, das sich hier unbedeutend lößt. Die Iffland schreibt mir, daß diese in Berlin sehr kalt aufgenommen worden sind. Das ist freylich kein Beweis gegen sie. Iffland soll herlich gespielt haben. – Er geht nach Dessau, Leipzig und Breslau. Weißt Du denn, daß zu Dessau der Baron Lichtenstein nebst seiner Gemalin in einer selbstgemachten und selbstcomponirten Oper selbst mitgespielt hat unter den übrigen Schauspielern? Dies hat sich am 2ten Ostertag zugetragen und ist sehr übel vom Adel und sehr gut vom übrigen Publikum aufgenommen worden.
Nur mit Kummer kann ich Dir von dem schreiben, wonach Du mich fragst – von der Fichtischen Sache. Glaube mir, sie ist sehr schlimm für alle Freunde eines ehrlichen und freymüthigen Betragens. Wie Du von der ersten Anklage, die von einem bigotten Fürsten und seinen theils catholischen theils herrnhutischen Rathgebern herrührte, zu denken hast, wirst Du ungefähr einsehn. Wir hoften aber, es sollte sich mit einer unbedeutenden Formularität endigen. Aber da hezt man den Fichte durch allerley Berichte von Weimar, es stehe schlimm usw., daß er an den Geheimerath Voigt schreibt, er werde seinen Abschied nehmen, wenn man ihm einen gerichtlichen Verweis gebe und seine Lehrfreiheit einschränke. – Der Brief war überdem nachdrücklich genug – sah ihn der Herzog, der voll übler Laune gegen Jena ist, so konnte schwerlich etwas andres erfolgen. Aber Fichte hatte Ursache Voigt für seinen Freund zu halten – war es Voigt, so muste er F. den Brief zurückgeben, und ihm sagen – ihr überlaßt mir den Gebrauch desselben, und ich mache den davon, ihn zu cassiren, wenn ihr nicht dennoch wollt, daß ich ihn zeige.
Er wurde dem Herzog vorgelegt und zu den Akten gelegt. Es erfolgt ein Rescript mit einem Verweis, der so gut wie keiner ist, und den man um der Nachschrift willen nun recht sanftmüthig einrichten konnte. Diese enthielt denn, daß man Fichtens Dimissions Forderung annehme, da man doch nicht umhin gekonnt habe einen Verweis zu geben – der freylich nicht so war, wie ihn Fichte vermeiden wollte um seiner Ehre willen. – Alle Hofediener, alle die Professoren, die Fichte überglänzt hat – er hatte 400 Zuhörer in dem lezten Winter – schreyen nun über seine Dreistigkeit, seine Unbesonnenheit. Er wird verlassen, gemieden.
Die Studenten haben sich nach Weimar gewendet um ihn zu erhalten, der natürlich nicht geblieben wäre. Die Antwort ist: daß man ihnen Fichtens Privatbrief an den Voigt communicirt und sie gleichsam zu Richtern mache. – Die Sache läuft darauf hinaus, man ergriff freudig den Vorwand ihn los zu werden, aus Furcht vor dem Chursächsischen Hof, und weil Fichtens unerschütterliche Redlichkeit sie oft in Verlegenheit setzt. Der Herzog hat sich viel gegen Jena erlaubt. Du wirst von der Schützischen Comödientollheit gehört haben – es mochte recht gut seyn, daß er die große Entreprise hemmte, aber er ist so weit gegangen durch eine zweyte Polizeiverordnung jede Aufführung in einem Zimmer vor ein paar Freunden zu verbieten. Und an diesen lächerlichen Handel schließt sich der allerdings sehr ernsthafte wegen Fichte, der den öffentlichen Geist hier, Du solltest Dich wundern wie schnell! umgekehrt, und einer klugen Einschränkung unterwürfig gemacht hat. – Lebe recht wohl und küße Deine lieben Kinder.
[Besorgungen.] Ihr werdet euch nun wieder von den hochzeitlichen Festen erholt haben und die junge Frau fortgeschickt. Gern, gern käm ich dafür herüber, aber es will sich denn doch nicht so bequem machen lassen, als es leicht aussieht. – Man sagte mir, am Sonnabend wär Vanderbek in Weimar gewesen. Warum hat sich Minchen nicht mit auf den Weg gemacht? Es wäre doch allerliebst gewesen, wenn wir uns mit einenmal da getroffen hätten. Hieher soll sie nun nicht eher kommen, bis es ganz grün und warm ist. – Wir haben in Weimar endlich den Wallenstein ums Leben gebracht – und wollen hoffen, daß er dadurch die Unsterblichkeit erlangt. Die Schönheit und Kraft der einzelnen Theile fällt am meisten auf. Wenn man es nach einem einzigen Sehen beurtheilen dürfte, so würd ich sagen, das Ganze hat sehr an Effeckt durch die Länge verlohren. Es hätte nur Ein Stück seyn müssen, dann hätten sich die Szenen konzentrirt auf Einen Brennpunkt, die sich jetzt langsam folgen, und dem Zuschauer Zeit zu kühler Besonnenheit lassen. Der lezte Akt thut keine Wirkung – man merkt den Fall des Helden kaum, an dessen Größe 11 Akte hindurch gebauet werden, um eine große Erschütterung durch seinen Sturz hervorzubringen. Und die mannichfache Absicht, die Berechnungen, welche hindurchschimmern! Es ist eben ein Werk der Kunst allein, ohne Instinkt. Ich kann Dir nicht sagen, wie dagegen das Ende Shakespscher Trauerspiele, auch seiner politischen, das Herz erfüllen und bewegen. Schreib mir doch, wie Van der Bek davon geurtheilt hat. Die Piccolomini ließen weit mehr ahnden, es schien so viel darinn vorbereitet zu seyn, das sich hier unbedeutend lößt. Die Iffland schreibt mir, daß diese in Berlin sehr kalt aufgenommen worden sind. Das ist freylich kein Beweis gegen sie. Iffland soll herlich gespielt haben. – Er geht nach Dessau, Leipzig und Breslau. Weißt Du denn, daß zu Dessau der Baron Lichtenstein nebst seiner Gemalin in einer selbstgemachten und selbstcomponirten Oper selbst mitgespielt hat unter den übrigen Schauspielern? Dies hat sich am 2ten Ostertag zugetragen und ist sehr übel vom Adel und sehr gut vom übrigen Publikum aufgenommen worden.
Nur mit Kummer kann ich Dir von dem schreiben, wonach Du mich fragst – von der Fichtischen Sache. Glaube mir, sie ist sehr schlimm für alle Freunde eines ehrlichen und freymüthigen Betragens. Wie Du von der ersten Anklage, die von einem bigotten Fürsten und seinen theils catholischen theils herrnhutischen Rathgebern herrührte, zu denken hast, wirst Du ungefähr einsehn. Wir hoften aber, es sollte sich mit einer unbedeutenden Formularität endigen. Aber da hezt man den Fichte durch allerley Berichte von Weimar, es stehe schlimm usw., daß er an den Geheimerath Voigt schreibt, er werde seinen Abschied nehmen, wenn man ihm einen gerichtlichen Verweis gebe und seine Lehrfreiheit einschränke. – Der Brief war überdem nachdrücklich genug – sah ihn der Herzog, der voll übler Laune gegen Jena ist, so konnte schwerlich etwas andres erfolgen. Aber Fichte hatte Ursache Voigt für seinen Freund zu halten – war es Voigt, so muste er F. den Brief zurückgeben, und ihm sagen – ihr überlaßt mir den Gebrauch desselben, und ich mache den davon, ihn zu cassiren, wenn ihr nicht dennoch wollt, daß ich ihn zeige.
Er wurde dem Herzog vorgelegt und zu den Akten gelegt. Es erfolgt ein Rescript mit einem Verweis, der so gut wie keiner ist, und den man um der Nachschrift willen nun recht sanftmüthig einrichten konnte. Diese enthielt denn, daß man Fichtens Dimissions Forderung annehme, da man doch nicht umhin gekonnt habe einen Verweis zu geben – der freylich nicht so war, wie ihn Fichte vermeiden wollte um seiner Ehre willen. – Alle Hofediener, alle die Professoren, die Fichte überglänzt hat – er hatte 400 Zuhörer in dem lezten Winter – schreyen nun über seine Dreistigkeit, seine Unbesonnenheit. Er wird verlassen, gemieden.
Die Studenten haben sich nach Weimar gewendet um ihn zu erhalten, der natürlich nicht geblieben wäre. Die Antwort ist: daß man ihnen Fichtens Privatbrief an den Voigt communicirt und sie gleichsam zu Richtern mache. – Die Sache läuft darauf hinaus, man ergriff freudig den Vorwand ihn los zu werden, aus Furcht vor dem Chursächsischen Hof, und weil Fichtens unerschütterliche Redlichkeit sie oft in Verlegenheit setzt. Der Herzog hat sich viel gegen Jena erlaubt. Du wirst von der Schützischen Comödientollheit gehört haben – es mochte recht gut seyn, daß er die große Entreprise hemmte, aber er ist so weit gegangen durch eine zweyte Polizeiverordnung jede Aufführung in einem Zimmer vor ein paar Freunden zu verbieten. Und an diesen lächerlichen Handel schließt sich der allerdings sehr ernsthafte wegen Fichte, der den öffentlichen Geist hier, Du solltest Dich wundern wie schnell! umgekehrt, und einer klugen Einschränkung unterwürfig gemacht hat. – Lebe recht wohl und küße Deine lieben Kinder.