[Jena] d. 30 Sept. [17]99.
Du Herzensmädchen, was hat mich Dein Brief gefreut, und die arme böse Mutter kann nun erst heut antworten! Du glaubst nicht, wie geschäftig ich in der letzten Woche gewesen bin, und krank dazu, denn endlich muß mir mein Laufen und Rennen, das ich so gern that, doch zu Haus und zu Hof kommen. Loderchen hat mir was verschreiben müssen. Nun ist das ganze Haus gereinigt und neu aufgeputzt. Ich habe dabey eine große Wäsche gehabt, und etwa einige 20 Vorhänge aufzustecken. Auch das neue Sopha ist gemacht, und es sieht alles aufs netteste aus, besonders ist unsre kleine Stube, mit dem Frommanschen kleinen Sopha, hübsch. Friedrich wohnt Dir wie der beste appanagirte Prinz. Diesen Abend supiren wir 3 bey Schelling, um ihm sein neues Nest einzuweihen. Er freut sich, daß Du ihn zum Bachus gemacht hast, indem Du ihn den Geber des Weins nennst, bald wird er auch der Geber der Freude heißen können, denn er ist sanft und liebreich, und scherzhaft, und läßt Dir sagen, Du möchtest ihm bey Deiner Wiederkunft nicht wie eine spröde Halbmamsell begegnen. Wilhelm macht alle Morgen ein Gedicht. Friedrich thut alle Tage nichts – als die Veit erwarten, die nicht über Dessau kommt. Wir wollten sie vorgestern von Leipzig abholen, Friedrich und ich, als wieder andre Ordre kam, doch kommt sie sicher nächste Woche. Vorgestern fand sich mit einmal Hardenberg ein, blieb aber nur bis gestern nach Tisch, was gut war, denn ich mochte ihn diesmal gar nicht leiden, er hat recht abgeschmacktes Zeug mit mir gesprochen, und ist so gesinnt, daß er, darauf wolt ich wetten, die Tiek mir vorzieht. Denk nur, Kind! wir wissen noch nicht, wann diese kommen, wahrscheinlich bald. – Ungemessen lange Spaziergänge haben wir gemacht, von 2 bis 7 ist das gewöhnliche Un-Maaß. Wilhelm will nicht mehr mit ausgehn, er liefe sich die Beine ab; da er nun die vorige ganze Woche jeden Morgen von 10 bis 1 Uhr mit Goethe hat auf und abspazieren müssen, so ist es wohl billig, daß er den Nachmittag ausruht, der Länge lang nach. Goethe hat seine Gedichte, nehmlich Goethens Gedichte, von denen ein neuer Band herauskommt, mit ihm durch[ge]sehn, und ist erstaunlich hold. Griesette war vor 8 Tagen unglücklich, denn Schiller ließ ihn auf den Abend bitten, wo Goethe und Schelling da waren, und er war schon mit uns bei Frommans, wo es auch wirklich etwas stupide zuging. Gestern ist er nun glücklich worden, denn da wurd er wieder gebeten und ging auch effectivement hin. Er kommt fast jeden Mittag her, wobey ihm jedoch weit mehr in den Mund herein, als heraus geht.
Corona hat sich wieder eingestellt, wo sich nun 2 alte Demoisellen ennuyiren. Es heißt, deux afflictions mises ensemble font une consolation, aber zwey ennuys machen nie ein amusement.
Loders sind fort. Er ist noch hier und ganz Polentoll. Eine brillante Halsschnalle ist die neueste Aquisition. Diesen Morgen hat er ein Dejeuner im Museum gegeben, wo Schlegel auch war, einigen Portugisen zu Ehren, dem ehemaligen Gesandten Aranjo und dem jüdischen Banquier Cappeadoce aus Amsterdam nebst Frau, die Tischbein kennt sie vielleicht.
Wird Johanna von Montfaucon von Kozebue nicht bey euch gespielt? Es soll sich sehr gut ausnehmen. Treibe nur ja recht viel Musik und räume in Deinem Département auf, sey ja ordentlich. Demnächst wirst Du noch andre Geschäfte treiben müßen, liebes Kind. Ich habe der Grosmutter fest versprochen, daß Du Ostern confirmirt werden sollst. Sie schrieb mir mit einer Bekümmerniß darüber, die wir ihr ersparen wollen. Dich hat sie den lezten Tag noch gefragt, wie sie mir sagt, ob Du Unterricht hättest. Wie komt es, daß Du gegen mich davon schwiegest? Ich habe ihr aus einander gesetzt, wie verhaßt und unnütz so ein Studentenunterricht in der Religion einem gescheiten Kinde wie Du seyn müste. Daß ich Dich aber hier bey dem Ömler nicht confirmiren laßen kann, siehst Du ein, Du kämest dabey um. Es muß in Gotha bey Löffler geschehn, und ich habe mich schon vorläufig erkundigt. Mit 6 Wochen wird alles gethan seyn. Die Gottern schrieb mir auch. Cecilie hat den Brunnen und Bad gebraucht und fährt fort sich, wiewohl sehr langsam, zu beßern.
Ich kann heut nicht an unsre liebe, liebe Tischbein schreiben; der Brief ihres Mannes ist erst mit Freuden gelesen und dann mit Feuer verbrannt, sag ihr das, die Kinder küße ich viel tausendmal.
Lehmann soll die Nachricht von der Nuys ja nicht auf Noten setzen, sie ist des Componirens nicht werth. Dies ist eine von den vielen dummen Sagen, die in Dresden und Leipzig über sie herumgingen. Die Nuys ist eine in der Gegend von Hamburg und Bremen, wo sie wohnte, völlig als Mad. Nuys bekannte Frau seit langen Jahren – längern, als ihr vielleicht lieb ist. Frommans kennen sie ja auch als solche. Prinz Augusts Frau war lady Auguste Murray. Sie lebt in England und hat einen Sohn von ihm.
Die Gurken sind angekommen und Friedrich spricht von nichts als seinen Gurken, und nimmt sich viel Gurken heraus, wird sich auch gewiß dereinst schriftlich bedanken. Schelling läßt der Tischbein sagen, das wär’ wenig, daß Goethe sie eine angenehme Gegenwart genannt. Ihm wäre sie auch eine äußerst angenehme Errinnerung. Adieu, ich drücke Dich braun und blau an mein Herz. Die Hufeland bringt Dich sicher mit.
Du Herzensmädchen, was hat mich Dein Brief gefreut, und die arme böse Mutter kann nun erst heut antworten! Du glaubst nicht, wie geschäftig ich in der letzten Woche gewesen bin, und krank dazu, denn endlich muß mir mein Laufen und Rennen, das ich so gern that, doch zu Haus und zu Hof kommen. Loderchen hat mir was verschreiben müssen. Nun ist das ganze Haus gereinigt und neu aufgeputzt. Ich habe dabey eine große Wäsche gehabt, und etwa einige 20 Vorhänge aufzustecken. Auch das neue Sopha ist gemacht, und es sieht alles aufs netteste aus, besonders ist unsre kleine Stube, mit dem Frommanschen kleinen Sopha, hübsch. Friedrich wohnt Dir wie der beste appanagirte Prinz. Diesen Abend supiren wir 3 bey Schelling, um ihm sein neues Nest einzuweihen. Er freut sich, daß Du ihn zum Bachus gemacht hast, indem Du ihn den Geber des Weins nennst, bald wird er auch der Geber der Freude heißen können, denn er ist sanft und liebreich, und scherzhaft, und läßt Dir sagen, Du möchtest ihm bey Deiner Wiederkunft nicht wie eine spröde Halbmamsell begegnen. Wilhelm macht alle Morgen ein Gedicht. Friedrich thut alle Tage nichts – als die Veit erwarten, die nicht über Dessau kommt. Wir wollten sie vorgestern von Leipzig abholen, Friedrich und ich, als wieder andre Ordre kam, doch kommt sie sicher nächste Woche. Vorgestern fand sich mit einmal Hardenberg ein, blieb aber nur bis gestern nach Tisch, was gut war, denn ich mochte ihn diesmal gar nicht leiden, er hat recht abgeschmacktes Zeug mit mir gesprochen, und ist so gesinnt, daß er, darauf wolt ich wetten, die Tiek mir vorzieht. Denk nur, Kind! wir wissen noch nicht, wann diese kommen, wahrscheinlich bald. – Ungemessen lange Spaziergänge haben wir gemacht, von 2 bis 7 ist das gewöhnliche Un-Maaß. Wilhelm will nicht mehr mit ausgehn, er liefe sich die Beine ab; da er nun die vorige ganze Woche jeden Morgen von 10 bis 1 Uhr mit Goethe hat auf und abspazieren müssen, so ist es wohl billig, daß er den Nachmittag ausruht, der Länge lang nach. Goethe hat seine Gedichte, nehmlich Goethens Gedichte, von denen ein neuer Band herauskommt, mit ihm durch[ge]sehn, und ist erstaunlich hold. Griesette war vor 8 Tagen unglücklich, denn Schiller ließ ihn auf den Abend bitten, wo Goethe und Schelling da waren, und er war schon mit uns bei Frommans, wo es auch wirklich etwas stupide zuging. Gestern ist er nun glücklich worden, denn da wurd er wieder gebeten und ging auch effectivement hin. Er kommt fast jeden Mittag her, wobey ihm jedoch weit mehr in den Mund herein, als heraus geht.
Corona hat sich wieder eingestellt, wo sich nun 2 alte Demoisellen ennuyiren. Es heißt, deux afflictions mises ensemble font une consolation, aber zwey ennuys machen nie ein amusement.
Loders sind fort. Er ist noch hier und ganz Polentoll. Eine brillante Halsschnalle ist die neueste Aquisition. Diesen Morgen hat er ein Dejeuner im Museum gegeben, wo Schlegel auch war, einigen Portugisen zu Ehren, dem ehemaligen Gesandten Aranjo und dem jüdischen Banquier Cappeadoce aus Amsterdam nebst Frau, die Tischbein kennt sie vielleicht.
Wird Johanna von Montfaucon von Kozebue nicht bey euch gespielt? Es soll sich sehr gut ausnehmen. Treibe nur ja recht viel Musik und räume in Deinem Département auf, sey ja ordentlich. Demnächst wirst Du noch andre Geschäfte treiben müßen, liebes Kind. Ich habe der Grosmutter fest versprochen, daß Du Ostern confirmirt werden sollst. Sie schrieb mir mit einer Bekümmerniß darüber, die wir ihr ersparen wollen. Dich hat sie den lezten Tag noch gefragt, wie sie mir sagt, ob Du Unterricht hättest. Wie komt es, daß Du gegen mich davon schwiegest? Ich habe ihr aus einander gesetzt, wie verhaßt und unnütz so ein Studentenunterricht in der Religion einem gescheiten Kinde wie Du seyn müste. Daß ich Dich aber hier bey dem Ömler nicht confirmiren laßen kann, siehst Du ein, Du kämest dabey um. Es muß in Gotha bey Löffler geschehn, und ich habe mich schon vorläufig erkundigt. Mit 6 Wochen wird alles gethan seyn. Die Gottern schrieb mir auch. Cecilie hat den Brunnen und Bad gebraucht und fährt fort sich, wiewohl sehr langsam, zu beßern.
Ich kann heut nicht an unsre liebe, liebe Tischbein schreiben; der Brief ihres Mannes ist erst mit Freuden gelesen und dann mit Feuer verbrannt, sag ihr das, die Kinder küße ich viel tausendmal.
Lehmann soll die Nachricht von der Nuys ja nicht auf Noten setzen, sie ist des Componirens nicht werth. Dies ist eine von den vielen dummen Sagen, die in Dresden und Leipzig über sie herumgingen. Die Nuys ist eine in der Gegend von Hamburg und Bremen, wo sie wohnte, völlig als Mad. Nuys bekannte Frau seit langen Jahren – längern, als ihr vielleicht lieb ist. Frommans kennen sie ja auch als solche. Prinz Augusts Frau war lady Auguste Murray. Sie lebt in England und hat einen Sohn von ihm.
Die Gurken sind angekommen und Friedrich spricht von nichts als seinen Gurken, und nimmt sich viel Gurken heraus, wird sich auch gewiß dereinst schriftlich bedanken. Schelling läßt der Tischbein sagen, das wär’ wenig, daß Goethe sie eine angenehme Gegenwart genannt. Ihm wäre sie auch eine äußerst angenehme Errinnerung. Adieu, ich drücke Dich braun und blau an mein Herz. Die Hufeland bringt Dich sicher mit.