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Auguste Böhmer to Cäcilie Gotter

Dessau Mitwoch den 6ten November [17]99.
… Aber wie wirst Du Dir vorstellen können, daß ich die Mutter auf so lange verlaßen habe, da Du weißt, wie ich sonst jammerte, wenn ich nur einen Tag nicht bei ihr war? Erstlich bin ich nicht mehr völlich so albern als vor 2 Jahren, und zweytens ergab ich mich anfangs auch nur mit großer Mühe in aller Wünsche. Nun ich aber hier mit dieser liebenswürdigsten Familie bin und sehe, daß man es aushalten kann, freue ich mich recht überwunden zu haben und wenn ich ja mich mannigmal sehne, so tröstet mich die Hoffnung des baldigen Wiedersehns.
… Ich soll nun Ostern auch Confirmirt werden, Du kannst nicht glauben, wie ich mich davor fürchte! so bald, so unerwartet, ich hätte geglaubt wenigstens noch ein paar Jahre Zeit zu haben. Die Mutter war willens es erst in Gotha thun zu laßen, da aber Löffler nicht alles selbst verrichten kann und da ich in Jena mit Luise Seidler zusammen, und unter der Mutter ihrer eignen Aufsicht kann konfirmirt werden, so scheint sie diesen Plan aufgegeben zu haben. Und, verzeiht mir, auch ich, so sehr ich auch von eurer und eurer Mutter Güte überzeucht bin, möchte lieber in Jena Confirmirt werden. Denn wie solte ich bei einer so feierlichen Gelegenheit ohne die Leitung meiner lieben Mutter bestehn! so sehr ich auch mein zweites Mütterchen liebe. Und dann, mich so gleich wieder von meinem Jena zu trennen, wenn ich kaum erst wieder dort angekommen bin, daß kann ich wirklich, troz aller Vernunft, womit ich mich vorhin gerühmt habe, nicht übers Herz bringen…
Du weißt wohl von meiner Mutter, was wir in Jena diesen Winter für angenehme Gesellschaft haben, erstlich ist Fritz aus Berlin da, dann wohnt unten in unserm Hause eine Dame aus Berlin Madam Veit, ich kenne sie noch nicht, die Mutter schreibt mir aber, sie sei sehr liebenswürdig. Und dann ist noch Herr Tiek mit seiner Frau, auch aus Berlin, da, und wird den Winter da zubringen. Alles dieses ißt den Mittag bei uns, und vormirt zusammen einen sehr angenehmen Zirkel. Es wird mir also recht närrisch vorkommen, wenn ich zurück nach Jena komme und alle diese Leute finde als gute Freunde von unserm Haus, wovon ich beinah nur Fritz kenne, unser eignes Haus wird mir fremd sein! …
Metadata Concerning Header
  • Date: Mittwoch, 6. November 1799
  • Sender: Auguste Böhmer ·
  • Recipient: Cäcilie Gotter
  • Place of Dispatch: Dessau · ·
  • Place of Destination: Gotha · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 1. Leipzig 1913, S. 575‒576.
Language
  • German

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