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Caroline von Schelling to Luise Gotter

Braunschweig d. 23 Jan. 1801.
Ja, meine Liebe, ich habe selbst geglaubt, daß ich Dich in den ersten Wochen dieses Jahrs sehn würde, aber es ist freylich vor der Hand anders beschlossen. Ob ich schon keinen bedeutend anhaltenden Anfall von Krankheit gehabt habe, so wollte mir Wiedemann doch nicht erlauben in dieser Jahrszeit zu reisen, wie es zur ernstlichen Nachfrage kam, und ich fühle wohl, daß er recht hat, in so fern sie mir Leben und ein wenig Gesundheit fristen wollen. Schlegeln hat ein Schupfen und was dem anhängt, samt den schlimmen Wegen, auch noch hier zurück gehalten und er gedenkt einen ordentlichen Frost abzuwarten. Ich bleibe bis zum Frühjahr, aber das soll nichts in meinem Vorsaz ändern eine Weile bey euch zu seyn. Schick mir einstweilen nur, was Deine guten Kinder für mich bereitet haben. …
Goeschen ist im Zuge der abschlägigen Antworten und sie sind alle jetzt sehr schwierig, denn die Folgen des Kriegs lassen sich nun erst recht spüren, und der Frieden wird ihnen auch nicht gleich abhelfen. Versuch es einmal durch Jakobs, allein ich denke nur, Dyk wird gar zu wenig geben. In ein Taschenbuch, eine Form, in die man jetzt alles bringt, möchtest Du es wohl nicht geben? Es sind doch zwey, mit der Geisterinsel drey große Stücke, die einen ordentlichen Band ausmachen würden, und anständiger für sich bestehend ins Publikum kommen, aber es ist begreiflich daß dieser Band schwerer unterzubringen sein wird, weil ein erster Band existirt. Du kanst glauben, daß Schlegel diese Angelegenheit nicht vernachläßigen möchte, und auf der Messe in Leipzig gegenwärtig würde er sie auch vielleicht betreiben können, allein durch Briefe ist es natürlich sehr weitläuftig. – Mir ist wohl Seckendorfs neues vierteljähriges Taschenbuch eingefallen, das in Weimar herauskommt und Du vermuthlich gesehn hast. Goethe hat ein kleines sehr schönes Festspiel für die Herzogin Amalia hineingegeben. Von den Bedingungen weiß ich aber nichts, und der Herausgeber ist ein Thor. Gleich wissen wir also in der That keinen rechten Vorschlag zu thun, aber denken wollen wir ferner drauf, wenn es nur hülfe. Außer la Fontaine und solchen Näschereyverkäufern und dann den ersten philosophischen Schriftstellern, – glaube mir, wird es allen schwer sich zu placieren. [Gothaisches].
Sag Cecilen, daß Lotte Wiedemann wie ein Kleinod und ein Zuckerpüppchen von ihren Schwiegereltern in der Schweiz aufgenommen worden und auch bereits vollständige runde Hoffnung zu einem kleinen Ottchen giebt. Eine andre Nachricht, die sie traurig machen wird, ist die von Hardenbergs gefährlichen Gesundheitszustande. Er ist in Dresden, seine Braut auch, aber wie man uns schreibt nur noch ein Schatten von sich selber, völlig erschöpft, nicht im Stande an der Unterredung theil zu nehmen und oft einschlafend in der Gesellschaft, wo er dann wie ein Todter unter den Lebenden da läge. Dieß bekümmert Schlegeln besonders sehr tief und ist eine neue Wunde neben der unheilbaren. Ich kann ihn nur beneiden, wenn er ihr nach folgt, um derentwillen er lange schon zwischen Tod und Leben geschwebt hat. Er wollte sich endlich für das Leben entscheiden und durch die Liebe eines sehr liebevollen Wesens, wie seine jetzige Braut ist, wieder daran knüpfen, aber es scheint nicht zu gelingen, und er wird vielleicht der Braut entrissen wie die Braut ihm. Auch um Goethens Leben haben wir einige Tage in der herzlichsten Angst zugebracht. Er war sehr krank. Gottlob, er ist gerettet.
Schlegels Triumphbogen hat in vielen Gegenden den allervollständigsten Erfolg gehabt, der sich denken läßt und auch erwarten ließ. Denn es ist doch wahrlich eine Ehrenpforte, Tisch und Trompetenstoß des Witzes.
Meyer ist in Berlin. Wenn Schlegel hinkommt, werd ich schon erfahren, welche Rolle er dort spielt – wahrscheinlich eine zweydeutige. Man spricht viel von einem Stück: Camäleon, das Iffland hat aufführen lassen, wir wissen aber noch nicht recht, was es ist, nur so viel, die Polizey hat die Aufführung verboten auf Tieks Anklage, denn es soll über alle literarische Gränzen hinaus niederträchtige Persönlichkeiten gegen ihn und neuere Schriftsteller enthalten haben. Iffland kann zu seiner Zeit auch boshaft seyn, Meyer war zuverlässig auf seiner Seite. Was der Mensch für Lügen hier debitirt hat, glaubst Du gar nicht. Manchmal gehn sie doch über den Spaß hinaus.
Grüße die Deinigen, meine Liebe, Mad. Schläger und Minchen. Ich nehme wahrhaften Antheil an Deiner Freude über des guten Vaters Erhaltung.
Caroline.
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Metadata Concerning Header
  • Date: Freitag, 23. Januar 1801
  • Sender: Caroline von Schelling ·
  • Recipient: Luise Gotter ·
  • Place of Dispatch: Braunschweig · ·
  • Place of Destination: Gotha · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913, S. 30‒32.
Language
  • German

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