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Caroline von Schelling to Julie Gotter

[Jena, 11? März 1802].
Dein Brief, liebes Julchen, hat mich allerdings noch angetroffen, und zwar nicht im Begriff in den Wagen zu steigen, denn ich erhielt am Sontag noch ganz unvermuthet einen Brief von Schlegel, worin er mir meldet, daß Grattenauer viel früher, wie anfangs die Idee war, reisen würde, und zugleich: daß die Bernhardi ihr jüngstes Kind verlohren hat, worüber sie trostlos und die ganze Hausgesellschaft niedergeschlagen ist. Dieses hat mich nun entschieden, Grattenauer dennoch abzuwarten, denn Schlegel scheint es selbst zu wünschen, um mir einen heitrern Empfang, als in diesen ersten Wochen möglich wäre, zu bereiten. Ich vermuthe nun, daß sich meine Abreise bis an das Ende der künftigen Woche verzögern wird und ich einen thätigen muntern Rechtsgelehrten statt dem bewusten sanften Heilkundigen zum Gefährten haben werde. Freylich da die Sachen so stehn, wie Du mir sagst, thäte ich besser zu eilen, indessen da ich einmal den Winter nachlässig habe hingehn lassen, werde ich hoffentlich immer noch früh genug kommen um die Conjunktion jener beiden Gestirne, des Dichters und der Schauspielerin, zu verhindern. Ist es möglich, daß man noch immer bey euch nicht von diesem Fleck weg kann? Die dortige Medisance ist also recht wie das hölzerne Pferd vom Don Quixote.
Was Du mir übrigens erzählst, damit hat mich gestern die Niethammer prächtig unterhalten. Aber Minchen Conta hat Dir bey allen dem doch eine Menge Lügen debitirt, selbst nach denen aus Weimar herübergekommen Berichten. Der Rath und die Bürgerschaft hat sich nicht wollen den Saal verderben lassen – Kotzebue will nur durchaus, daß es Goethe seyn soll, um den Gedrükten und unschuldig Verbannten zu spielen, und hat auch eben deswegen kein Anerbieten eines andren Locales, die ihm geschehn sind, angenommen.
Goethe hat ferner in den Kleinstädtern nur – einige wenige Persönlichkeiten gegen Schlegels usw. gestrichen, weil sie dazu das Theater nicht hergeben könnten. Kotzebue ist so unverschämt geworden seit den Rubeln und dem Adelsdiplom, das er producirt hat, damit sie an den Hof gehn kann – daß er Goethe bey der Herzogin Mutter darüber angefallen hat, ja die liebe Christel ist herzugetreten und hat gesagt, nun solle ihr Mann auch kein Stück mehr hergeben, und die alte Kotzebübin hat Goethen einen ganz pöbelhaften Brief geschrieben, darüber daß sie ihren Sohn von Weimar verdrängen wollten. So manifestirt sich die Niederträchtigkeit, und so wird sie in Schutz genommen. – Schiller ist herzlich froh gewesen, daß sie ihm seine Glocke nicht aufgeführt haben. Frl. Lesbos hat freylich sehr gejammert, denn ihre Kleidung hätte ihr schon 50 Goldgulden gekostet. Was es mit Goethes Flucht auf sich hat, weißt Du ja, und daß seine Ankunft schon lange bestimmt war.
Von hier muß ich Dir melden, daß die kleine Dame Paulus guter Hoffnung seyn soll oder ein wenig verrückt, vielleicht beides. Sie soll so unleidlich seyn, daß ihre nächsten Bekantinnen nicht mehr hingehn. Was die gute Hoffnung betrifft, so kommt sie mir in Absicht der Person schlecht vor und es kann kein Segen darauf ruhn.
Noch eins. Friedrich hat an Fromman geschrieben und versichert, sie würden zu Ostern wieder herkommen; welches sich dadurch erklären läßt, daß die Veit wirklich den bewußten Zoll bezahlen muß.
… Ich bitte mir jetzt alle Abend einen Gast, seit Du nicht da bist, und wollte Dir nur notifiziren, daß ich nun Hegel auch äußerst munter und in voller Glorie gesehn habe. In der Stadt werden viel Thees nach der neuen Weise gegeben und viel lustige schläfrige Spiele gespielt, deren muntre Langeweiligkeit mir Gries und Möller nicht genug rühmen können. Den Ziegesarischen zu Ehren ist das alles geschehn, sie waren nun auch bey Hufelands.
NB. Mit der Gegenvisite verhält es sich auch nicht so. Du wirst Dich entsinnen, daß Frommans sogar gegenwärtig waren, wie Goethe die Gegenvisite bey Kotzebue machte. Er war nur steif und sprach nicht. …
Metadata Concerning Header
  • Date: Donnerstag, 11. März 1802
  • Sender: Caroline von Schelling ·
  • Recipient: Julie Gotter ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Gotha · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913, S. 319‒321.
Language
  • German

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