[Jena] d. 15 Jun. [1802].
Endlich komm ich dazu Dir zu schreiben, mein liebes Kind, recht sehr freute ich mich von euch zu hören, aber ich konnte es nicht so bald erwiedern, als ich wünschte, da so mancherley Abhaltungen mir in den Weg kamen, die mich ermüdeten. Wir hatten Sanders aus Berlin, Steffens, einen italiänischen Improvisatore und dazu wunderschönes Wetter. Auch jetzt möcht ich lieber schwatzen, denn der Kopf ist mir schwer auf den Schultern.
Tiek ist auch dagewesen. Vorläufig weiß ich durch ihn, was ich noch nicht so bestimmt von Schlegel erfahren konnte, der immer unterwegens ist, daß in der lezten Hälfte des Sommers Tieks nach Giebichenstein gehn – wahrscheinlich wird Cecile also warten müssen, aber hingelangen soll sie gewiß. Ihr Eifer ist herrlich und wird sicherlich durch jedes Gedeihn belohnt werden. Tiek erzählt mir, daß Mlle Alberti auch beträchtliche Fortschritte gemacht und sehr löbliche Portraits von Friedrich Schlegel und Steffens geliefert hat. Sie fing weit später und mit geringern Talent an als Cecile. Das Modelliren billigt Tiek sehr, und bittet nur es ja blos nach antiken Köpfen, das heißt nach Abgüssen von antiken Köpfen, zu thun. Im Herbst nach Dresden zu gehen ist kaum zu rathen, da im Winter alle Zugänge zu den Künsten verschlossen stehn, doch werd ich gewiß darüber die genauesten Nachrichten demnächst mittheilen können. Tiek ist jetzt in Weimar, um die Arbeit im Schlosse auszuführen. Goethe war hier, ich habe ihn sehr ausführlich gesprochen, er hat in Lauchstädt ein Theater gebaut, hat hier ein Vorspiel verfertigt und wird alle eminenten Stücke dort der Reihe nach geben, auch den Alarcos, den ich leider versäumt habe in Hoffnung einer zweiten Vorstellung in Weimar. Friedrich hat ihn selbst noch gesehn und sich unmittelbar darauf in den Wagen gesetzt, um nach Frankreich zu eilen, wo er sich republikanisch zu vermählen gedenkt. Das Ersäufen in der Loire hieß unter Robespierre noces republicaines, und der Hälfte dieses Paares möchte ich gern solche Hochzeit gönnen.
… Du fragst nach unserm Thun und Lassen. Nun, das ist ganz einfach. Du bist doch nicht von denen, die da glauben, ich müsse nothwendig allermindestens auch nach Paris reisen? Die Veit hat sich besonders sehr hiernach erkundigt. Warum sollte ich wohl nicht ganz still und ruhig hier bleiben? Möglich ist es übrigens, daß ich in ein Bad gehe und wirklich ein wenig reise, aber es ist noch nicht allerdings entschieden, und ich sehne mich nicht sehr danach. – Meine Mutter war sehr schlimm, es bessert sich etwas, allein die arme Luise ist doch übel dran in ihren Umständen. Im nächsten Monat kommt sie nieder. Zu ihrer Aufheitrung ist Wiedemann Professor an der Entbindungsanstalt geworden und hat 300 rh. Zulage erhalten. Emma hat mir ein gestricktes Kräuterküssen für meinen geschwollnen Backen geschickt, das liebe kleine Thier …
Ich will Dir und Deiner lieben Mutter in eins antworten, also ferner berichten, daß ich Mad. Iffland besucht habe, und sie mich, aber weiter habe ich nichts von ihnen gesehn, Ifflanden gar nicht außer auf der Bühne. Die ganze Societät, in der ich war, gehört ja zu seinen Erbfeinden, Schlegel ist auf einem höflichen Fuß mit ihm, aber Iffland würde ihm wohl gern viel zu leide thun, wenn er ihn nicht fürchtete. Die Kleinstädter von Kotzebue wurden kurz vor dem Ion gegeben mit allen den sogenannten Anzüglichkeiten, welche Goethe ausgestrichen hatte, die aber in der That sehr unschädlich sind. Das Stück ist von der lezten Plattheit, aber nicht so ganz übel, wenn sich das zusammen verträgt – in Kotzebue vereinigt sichs ja zuweilen.
Die Iffland ist häßlicher wie je, aber so verständig wie sonst. Sie haben ein schönes Haus mit den gewöhnlichen sandigen Ungebungen von Berlin. Jeden Tag dank ich meinem Sterne wieder hier zu seyn.
Die Unzelmann ist ein Schatz und die artigste anständigste Frau in Berlin, wir sind uns sehr gut. Ich soupirte noch bey ihr nach dem Ion am vorlezten Abend mit Schlegel und Schelling. Quast liebt sie unverbrüchlich, und sie ist klug genug ihm unverbrüchlich treu zu seyn.
Grüße die Chanoinesse herzlich, wenn sie noch bey euch ist, und denket nicht, daß ihre Klostermütze, die ich freylich nie vergessen kann, mir an der Achtung und Liebe etwas geraubt hätte, deren sie würdig ist. Schreibe mit recht bald wieder, liebes Julchen, ich umarme euch alle. Pauline soll, hoffe ich, dießmal einen zufriednen Postag haben. Lebet recht wohl!
Caroline S.
Endlich komm ich dazu Dir zu schreiben, mein liebes Kind, recht sehr freute ich mich von euch zu hören, aber ich konnte es nicht so bald erwiedern, als ich wünschte, da so mancherley Abhaltungen mir in den Weg kamen, die mich ermüdeten. Wir hatten Sanders aus Berlin, Steffens, einen italiänischen Improvisatore und dazu wunderschönes Wetter. Auch jetzt möcht ich lieber schwatzen, denn der Kopf ist mir schwer auf den Schultern.
Tiek ist auch dagewesen. Vorläufig weiß ich durch ihn, was ich noch nicht so bestimmt von Schlegel erfahren konnte, der immer unterwegens ist, daß in der lezten Hälfte des Sommers Tieks nach Giebichenstein gehn – wahrscheinlich wird Cecile also warten müssen, aber hingelangen soll sie gewiß. Ihr Eifer ist herrlich und wird sicherlich durch jedes Gedeihn belohnt werden. Tiek erzählt mir, daß Mlle Alberti auch beträchtliche Fortschritte gemacht und sehr löbliche Portraits von Friedrich Schlegel und Steffens geliefert hat. Sie fing weit später und mit geringern Talent an als Cecile. Das Modelliren billigt Tiek sehr, und bittet nur es ja blos nach antiken Köpfen, das heißt nach Abgüssen von antiken Köpfen, zu thun. Im Herbst nach Dresden zu gehen ist kaum zu rathen, da im Winter alle Zugänge zu den Künsten verschlossen stehn, doch werd ich gewiß darüber die genauesten Nachrichten demnächst mittheilen können. Tiek ist jetzt in Weimar, um die Arbeit im Schlosse auszuführen. Goethe war hier, ich habe ihn sehr ausführlich gesprochen, er hat in Lauchstädt ein Theater gebaut, hat hier ein Vorspiel verfertigt und wird alle eminenten Stücke dort der Reihe nach geben, auch den Alarcos, den ich leider versäumt habe in Hoffnung einer zweiten Vorstellung in Weimar. Friedrich hat ihn selbst noch gesehn und sich unmittelbar darauf in den Wagen gesetzt, um nach Frankreich zu eilen, wo er sich republikanisch zu vermählen gedenkt. Das Ersäufen in der Loire hieß unter Robespierre noces republicaines, und der Hälfte dieses Paares möchte ich gern solche Hochzeit gönnen.
… Du fragst nach unserm Thun und Lassen. Nun, das ist ganz einfach. Du bist doch nicht von denen, die da glauben, ich müsse nothwendig allermindestens auch nach Paris reisen? Die Veit hat sich besonders sehr hiernach erkundigt. Warum sollte ich wohl nicht ganz still und ruhig hier bleiben? Möglich ist es übrigens, daß ich in ein Bad gehe und wirklich ein wenig reise, aber es ist noch nicht allerdings entschieden, und ich sehne mich nicht sehr danach. – Meine Mutter war sehr schlimm, es bessert sich etwas, allein die arme Luise ist doch übel dran in ihren Umständen. Im nächsten Monat kommt sie nieder. Zu ihrer Aufheitrung ist Wiedemann Professor an der Entbindungsanstalt geworden und hat 300 rh. Zulage erhalten. Emma hat mir ein gestricktes Kräuterküssen für meinen geschwollnen Backen geschickt, das liebe kleine Thier …
Ich will Dir und Deiner lieben Mutter in eins antworten, also ferner berichten, daß ich Mad. Iffland besucht habe, und sie mich, aber weiter habe ich nichts von ihnen gesehn, Ifflanden gar nicht außer auf der Bühne. Die ganze Societät, in der ich war, gehört ja zu seinen Erbfeinden, Schlegel ist auf einem höflichen Fuß mit ihm, aber Iffland würde ihm wohl gern viel zu leide thun, wenn er ihn nicht fürchtete. Die Kleinstädter von Kotzebue wurden kurz vor dem Ion gegeben mit allen den sogenannten Anzüglichkeiten, welche Goethe ausgestrichen hatte, die aber in der That sehr unschädlich sind. Das Stück ist von der lezten Plattheit, aber nicht so ganz übel, wenn sich das zusammen verträgt – in Kotzebue vereinigt sichs ja zuweilen.
Die Iffland ist häßlicher wie je, aber so verständig wie sonst. Sie haben ein schönes Haus mit den gewöhnlichen sandigen Ungebungen von Berlin. Jeden Tag dank ich meinem Sterne wieder hier zu seyn.
Die Unzelmann ist ein Schatz und die artigste anständigste Frau in Berlin, wir sind uns sehr gut. Ich soupirte noch bey ihr nach dem Ion am vorlezten Abend mit Schlegel und Schelling. Quast liebt sie unverbrüchlich, und sie ist klug genug ihm unverbrüchlich treu zu seyn.
Grüße die Chanoinesse herzlich, wenn sie noch bey euch ist, und denket nicht, daß ihre Klostermütze, die ich freylich nie vergessen kann, mir an der Achtung und Liebe etwas geraubt hätte, deren sie würdig ist. Schreibe mit recht bald wieder, liebes Julchen, ich umarme euch alle. Pauline soll, hoffe ich, dießmal einen zufriednen Postag haben. Lebet recht wohl!
Caroline S.