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Caroline von Schelling to Julie Gotter

[Jena] Sontag den 17ten Oct. [1802].
Es war mir gar sehr lieb Nachricht von Eurer glücklichen Überkunft zu erhalten, da die äußerst stürmischen Tage sie mir wirklich ein wenig unsicher gemacht hatten. Hier hat es sich übrigens doch wieder zum Sanften gewendet, und ich komme eben von einem langen Spaziergang nach Haus, nachdem ich auch zu diesen Herbstfahrten vollkommen ausgerüstet bin, denn wie ich von Weimar zurückkam, fand ich richtig einen vortreflichen Überrock vom feinsten Casimir fumée de Londres. Die Richtern und Lodern, die mich Tags drauf besuchten, brachten ähnliche aus Wien mit, wo es der Lodern sehr gefallen hat.
Wenig habe ich in der That zu Eurer Ergötzung thun können, theils weil, wie ihr wohl wißt, ich gar nicht auf dergleichen mehr eingerichtet bin, theils weil mich eben etwas beschäftigte. Was es war, wird Dir die beyliegende Schrift sagen, ohne daß ich weiter darüber zu reden bedarf, was ich mir mündlich gern ersparte, so wie jetzt schriftlich. Es läßt sich auch über das volle Maaß aller Infamie vor ehrlichen und rechtlichen Menschen nichts sagen, freywillig wenigstens nicht. Der allgemeine Unwillen und Abscheu, den ich über so etwas empfinden muß, schützt mich gegen die besondre Weise, wie mich dieses angreifen könnte; ihr habt auch wohl gesehn, daß ich zwar beschäftigt war, aber nicht wehmüthig angerührt und unterliegend. Was sich auch noch im Verfolg dieses Handels ereignen möge, so beruhigt euch in so fern für mich, daß mein Kind und ich da sind, wohin diese Gräuel nicht dringen können, oder vielmehr daß ich bey meinem Kinde bin, im Himmel und nur noch dieser zufälligen Gestalt nach auf Erden.
Und selbst irdisch wird alles, was sie unternehmen können, nicht gelingen.
Noch Ein Wort über den ersten Anlaß der boshaft verbreiteten Sage. Ja, es war eben Schellings Eifer und sein Außer sich seyn über die bloße Möglichkeit der Gefahr, die ihn ungestüm machten, und, wie Markus sich ausdrückt, die Badeweiber in Boklet, wozu der Wundartzt mit gerechnet werden muß, gegen ihn reizte. Aber so ist es mein Schicksal oft gewesen, von verhängnißvoller Schlechtigkeit umringt zu seyn, daß die halb wahnwizige Paulus nebst ihrer niederträchtigen Gesellschafterinn gleich nachher kommen und jenes in seinem Ursprung bloß ganz alberne Geschwäz mit der Gehäßigkeit, die sie gegen Schelling und mich hegte, aufgreifen und herumbringen mußte.
Es ist nichts gewöhnlicher als ein solches Schuld geben bey irgend einem interreßirenden Todesfall, ja es ist nicht das erstemal, daß ich es selbst erleben muß, denn wie meine Therese in Marburg starb, klagte die Stadt meinen Bruder an, eben so schuldlos, und es brachte ihn damals in Verzweiflung, daß ich genug zu thun hatte ihn zu trösten.
Aber allerdings ist unter diesen Umständen, wie sie grade hier statt finden, nur die schändlichste Bosheit im Stande so wehe thun zu wollen. – So wie es zum erstenmal ist, wird es aber auch zum leztenmal seyn, daß ich der Sache erwähne. –
Ich bitte Dich, durch irgend einen Bedienten oder sichern Menschen die Einlagen besorgen zu lassen.
Ist die Chanoinesse noch da? Nur auf ihre Nachfrage mag ihr die Schrift mitgetheilt werden, alsdann auch dieses eben geschriebene Blatt, so wie auch an Minchen.
Tausend Grüße an Mutter. Gott segne euch sämmtlich und beschütze euch vor solchen Gräueln. Mein Weg hat mich oft durch dergleichen mitten hindurch geführt, aber es ist nur ein äußerlich Schicksal, und wenn ich einmal meine Augen schließe, wird es in Frieden und Ruhe der innersten Seele seyn.
Cecile soll ja nicht versäumen bald ihre Anstalten für den Sommer zu treffen.
Metadata Concerning Header
  • Date: Sonntag, 17. Oktober 1802
  • Sender: Caroline von Schelling ·
  • Recipient: Julie Gotter
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Gotha · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913, S. 345‒347.
Language
  • German

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