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Caroline von Schelling to Julie Gotter

Jena d. 29. Nov. [1802].
Nichts konnte willkommner seyn als Deine Sendung, liebes Julchen. Ich habe sie ganz für mich behalten und dem Hegel bloß Dein Compliment bestellt, was ihn so erfreute, daß er alle Würste vergaß, jedoch bittet, ihn in der Zukunft mit 4 U zu bedenken. Mir schickst Du denn auch von Zeit zu Zeit wieder frische. Da sich Schelling sehr der Mäßigkeit ergiebt, seine Weinschulden abgestoßen hat und fast nur noch englisch Weimar Bier trinkt, so must Du die Consumption nicht so arg annehmen wie vorigen Winter, allein in 8 bis 14 Tagen kannst Du Dich doch wieder einstellen, besonders da noch in dieser Woche eine große Fete gegeben werden soll.
Mit Friedrichs Vorlesungen war ich schon bekannt, obschon ich das Corpus delicti nicht gesehn, das ich Dir aber nicht wiederschicken kann, denn Möller, dem man immer auf die Hände sehn muß, hat es in tausend Bissen ordentlich zermülmet, vielmehr in Staub verwandelt. Es sind krampfhafte Anfälle von ihm, er ist wieder sehr übel gewesen. Wenn er kommt, macht er mir gewöhnlich etwas zu Nicht, so hat er ein tiefes Loch in meinen neuen Schreibtisch gegraben. – Ob Friedrichs Plan zu Stande gekommen, wissen wir hier noch nicht. Schwerlich aber möchte ers mit dem Auditorium oder Parterre so weit bringen wie Schelling, obwohl sein Schauplatz größer und weiter ist.
Bey Schelling wird es nun wahr, was Luise voriges Jahr in die Tobaksdose geschrieben hatte. Sein Hörsaal faßt die Zahl der Hörer nicht mehr, es haben welche zurückbleiben müssen, die keinen Platz fanden, und Sch. selbst hat kaum Platz darin. Auf 200 belaufen sich die Unterschriebnen.
Außerdem ist ein Ungarischer Baron angelangt, der blos Schellings wegen kommt, und dem er eine besondre Stunde geben muß. Es ist ein sehr angenehmer durchaus gebildeter Mann von etwa 30 Jahr, der sich nur einige Monat aufhält, und künftigen Sommer nach Italien geht. Er brachte Briefe an mich von Tischbeins mit, die er auf der Durchreise kennen lernte, und so ist er denn auch bey mir eingeführt. Er ist sehr reich, hat Equipage und Bediente bey sich, und was lustig ist, Lenchen, die, seit sie Schelling gehn ließ, ohne Herrn war, ist in seine Dienste aufgenommen, weil die Bedienten mit nichts Bescheid wußten, dafür läßt sich die Person 1 Laubthaler die Woche bezahlen.
Ich glaube nur immer, es wird am Ende der Teufel seyn, und die ganze Pastete in der Luft davon gehn, und die Louisdore, die Schelling bringt, zu Mispeln und Nüssen werden.
Die neue würdige Allianz zwischen Kotzebue und Merkel wird Dir doch nicht entgangen seyn, auch der dicke Sander hat sich nun außerhalb der Neutralität erklärt. Es wird ein schöner Spaß in Berlin werden. Schlegel wird jetzt seine Vorlesungen angefangen haben, gegen die der Freymüthige gerichtet ist. Auch der eleganten Zeitung ist offenbar der Tod geschworen. Apropos, Du scheinst nicht ununterrichtet zu seyn, wer den Bericht von der Ausstellung gemacht hat. Sag es uns doch, Schlegel schreibt auch, daß er sich sehr den Kopf darüber zerbricht. Denn es ist in der That kein schlecht Stück Arbeit.
Der Ritter Stranzky von Greifenfels hat ganz hinten aus Böhmen her geschrieben, daß er „liebes Jena immer im Herzen trägt“. Es ist auch ein Neffe von Marcus hier, ein sehr hübscher junger Passagier, der alles herausschwazt und verwunderliche Dinge erzählt von gewissen Damen.
Luise in Braunschweig ist Frau Hofräthin geworden ohne Vorbitte. Wiedemann lehnte einen Ruf ab nach Dorpat, wofür ihn der Herzog hofrathete.
Leb wohl und grüß herzlich die Deinen. Ist die Chanoinesse noch da? Lebt die Siegfrieden noch?
Hier ist für Paulinen der lezte Theil des Tasso, sie soll ihn auch gleich lesen.
C. S.
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 29. November 1802
  • Sender: Caroline von Schelling ·
  • Recipient: Julie Gotter
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Gotha · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913, S. 347‒349.
Language
  • German

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