Anhalt, den 27sten Januar 1791.
Etwas gar zu lange hast Du mich, mein lieber Sohn, auf eine Nachricht von Dir warten lassen; denn da ich nach einem langen unsteten Leben nun endlich in der Mitte des November zu einem ruhigen Genuß häuslicher Glückseligkeit gelangte und dabei denn auch oft in Gedanken meine entfernten Kinder um mich her versammelte, so war eine bange Sorge um Dich oft die Störerin meines Vergnügens. Was mag doch unser lieber Fritz machen? wo ihm nur nicht ein Unglück auf der weiten Reise zugestoßen ist! – waren oft meine Worte; und dieser Gedanke drängte sich mir sovielmal auf, daß ich es beinah für eine geheime Ahnung Deines erlittenen und, wie ich hoffe, nun gänzlich überstandenen Unfalls halten möchte. Gott Lob, daß Du nun außer Gefahr und wahrscheinlich wieder ganz hergestellt bist; Dein böses Bein ist wohl ganz gewiß die Folge des zurückgetretenen Ausschlags, der Dich, wie Lottchen ganz kurz erwähnt, auf der Reise befallen hat. Künftig achte dergleichen nicht geringe und laß Dir diesen Vorfall zur Aufforderung dienen, Dir bei Gelegenheit den Tissot und Haller bekannt zu machen und überhaupt auf die Veränderungen in Deinem Körper etwas mehr Acht zu haben. Bei dieser Gelegenheit muß ich mich denn auch über Charlotten bei Dir be-|klagen, daß sie mit Deinen Briefen so abgöttisch geizig ist; denn hätte sie mir Deinen Brief geschickt, so wäre ich längst Deinetwegen mehr beruhigt worden. Du darfst es ihr nicht verschweigen, daß mir das sehr nahe geht. Das gute Mädchen hat freilich einige Monate gar sehr gekränkelt; um so mehr aber, dächte ich, sollte bei ihr der Trieb erwacht sein, durch Mittheilung Deines Briefes ihrem alten Vater eine Freude zu machen. Doch genug hiervon; ich vergesse bei meiner Klage die alte große Wahrheit, daß die Liebe abwärts geht, beruhige mich aber auch dadurch wieder, daß Lottchen gewiß denkt, durch eigene Vorlesung Deines Briefes, wenn ich sie besuche, ihr und mir zugleich Freude zu machen. – Herr Hofprediger Sack hat also sehr gut für Dich gesorgt; ich habe ihm das sehr hoch angerechnet und mich dafür bei ihm bedankt, welchen Brief er mir auch ganz freundschaftlich beantwortet hat. Und so bist Du denn, mein lieber Sohn, nunmehro durch Gottes gnädige Fügung aus mancher Sorge und Bekümmerniß in eine Dir ganz angemessene angenehme Lage, mit der Du, wie ich mit Vergnügen aus Deinem Briefe sehe, so ganz zufrieden bist, versetzt worden. Sei nun dem hochgütigen Führer Deiner Jugend, der Deinen ganzen Lebenslauf umfaßt, für diese gnädige Leitung auch von ganzem Herzen dankbar und laß Dein Zutrauen zu ihm dadurch vermehrt werden. Mir aber und der Mutter wirst Du viel Freude machen, wenn Du recht oft und umständlich schreibst, so daß man bei Deinen festgesetzten Geschäften Dich täglich begleiten kann und dann auch von Zeit zu Zeit diarienweise erfährt, was für angenehme und minder frohe Vorfälle Dir begegnet sind. [...]
Etwas gar zu lange hast Du mich, mein lieber Sohn, auf eine Nachricht von Dir warten lassen; denn da ich nach einem langen unsteten Leben nun endlich in der Mitte des November zu einem ruhigen Genuß häuslicher Glückseligkeit gelangte und dabei denn auch oft in Gedanken meine entfernten Kinder um mich her versammelte, so war eine bange Sorge um Dich oft die Störerin meines Vergnügens. Was mag doch unser lieber Fritz machen? wo ihm nur nicht ein Unglück auf der weiten Reise zugestoßen ist! – waren oft meine Worte; und dieser Gedanke drängte sich mir sovielmal auf, daß ich es beinah für eine geheime Ahnung Deines erlittenen und, wie ich hoffe, nun gänzlich überstandenen Unfalls halten möchte. Gott Lob, daß Du nun außer Gefahr und wahrscheinlich wieder ganz hergestellt bist; Dein böses Bein ist wohl ganz gewiß die Folge des zurückgetretenen Ausschlags, der Dich, wie Lottchen ganz kurz erwähnt, auf der Reise befallen hat. Künftig achte dergleichen nicht geringe und laß Dir diesen Vorfall zur Aufforderung dienen, Dir bei Gelegenheit den Tissot und Haller bekannt zu machen und überhaupt auf die Veränderungen in Deinem Körper etwas mehr Acht zu haben. Bei dieser Gelegenheit muß ich mich denn auch über Charlotten bei Dir be-|klagen, daß sie mit Deinen Briefen so abgöttisch geizig ist; denn hätte sie mir Deinen Brief geschickt, so wäre ich längst Deinetwegen mehr beruhigt worden. Du darfst es ihr nicht verschweigen, daß mir das sehr nahe geht. Das gute Mädchen hat freilich einige Monate gar sehr gekränkelt; um so mehr aber, dächte ich, sollte bei ihr der Trieb erwacht sein, durch Mittheilung Deines Briefes ihrem alten Vater eine Freude zu machen. Doch genug hiervon; ich vergesse bei meiner Klage die alte große Wahrheit, daß die Liebe abwärts geht, beruhige mich aber auch dadurch wieder, daß Lottchen gewiß denkt, durch eigene Vorlesung Deines Briefes, wenn ich sie besuche, ihr und mir zugleich Freude zu machen. – Herr Hofprediger Sack hat also sehr gut für Dich gesorgt; ich habe ihm das sehr hoch angerechnet und mich dafür bei ihm bedankt, welchen Brief er mir auch ganz freundschaftlich beantwortet hat. Und so bist Du denn, mein lieber Sohn, nunmehro durch Gottes gnädige Fügung aus mancher Sorge und Bekümmerniß in eine Dir ganz angemessene angenehme Lage, mit der Du, wie ich mit Vergnügen aus Deinem Briefe sehe, so ganz zufrieden bist, versetzt worden. Sei nun dem hochgütigen Führer Deiner Jugend, der Deinen ganzen Lebenslauf umfaßt, für diese gnädige Leitung auch von ganzem Herzen dankbar und laß Dein Zutrauen zu ihm dadurch vermehrt werden. Mir aber und der Mutter wirst Du viel Freude machen, wenn Du recht oft und umständlich schreibst, so daß man bei Deinen festgesetzten Geschäften Dich täglich begleiten kann und dann auch von Zeit zu Zeit diarienweise erfährt, was für angenehme und minder frohe Vorfälle Dir begegnet sind. [...]