Danzig d. 1 Merz 1792. Morgens um 8 Uhr.
Mein bester, liebster Schleyermacher,
Hättest Du doch nur gesehn, mit welcher ungewöhnlichen Lebhaftigkeit ich aufsprang, als ich die ersten Zeilen des Briefes gelesen, und Dich, als den Urheber errieth. Wahrlich es war nicht Noth, mich erst an die herrlichen unvergeßlichen Spatziergänge, an die letzte Nacht, und an manches andere zu erinnern, um Dich zu verrathen. Nur zwey Freunde habe ich, die so an mich dencken, das bist Du und Loos; Loos seine Hand war es nicht, das zeigte mir gleich die Addreße, wer konnte es also seyn, der mich mit der alten, biedren Treue und Freundschaft nach langer Trennung wieder grüßte, als Du? – Nein, das hätte ich mir nicht träumen laßen, daß ich mit Dir so nahe wohnte; aber wohl uns, daß wir so nahe sind, wir wollen uns nun auch recht oft schreiben, unsern Bund verneuen, und unsern Briefwechsel so vertraulich machen, wie ehedem unsere Gespräche am Ufer der Saale waren. Gewiß wird das Schicksaal nicht hindern, daß wir uns bald mündlich einmal wieder sprechen, und uns, auf Tage, in vergangene Zeiten zurück versetzen. – Genauere Nachrichten von mir, sollst Du heute nicht von mir haben, denn das würde mich an mancherley beym Niederschreiben erinnern was mich wieder aus meiner frohen Laune herausstimmen würde in die mich Dein Brief versetzt hat, und ein Tag, wo uns ein alter Freund wieder grüßt, der muß ein Fest für uns seyn, das kein Mißmuth entheiligen darf. – Auch nicht ein Winck, Deines Briefes war für mich minutenlang räthselhaft, denn glühende Freundschaft commentirte ihn; und die commen|tirt richtiger als alle Holländer und was denen anhängt. Der Freund, der ehemals auch in Danzig nur hineingerochen, ist unser Loos; der andere unserer Bekannten, der jetzt in Leipzig seyn soll, ist Herr Catel. Wenn Du an letztem schreibst, so grüß ihn tausendmal von mir. Aber was macht Loos, wo ist er jetzt, und stehst Du mit ihm in näherer Verbindung? Es wird bald ein Jahr seyn, daß ich an ihn schrieb, aber seit dem hab ich keine Zeile von ihm erhalten; getroffen wird ihn [mein] Brief wohl haben; er war damals Hofmeister bey einem Herrn von Kessel. Was Du von ihm weißt, das tische mir doch recht sorgfältig auf; und wenn es auch nur Brodkrümchen wären, die Freundschaft nimmt sie doch für ein herrlich Gastmal. – Die hallischen Bären sind losgebunden; aber ob Prof. Mursinna’s Nähte geheilt sind, davon ist mir nichts zu Ohren gekommen; Plage genug mag der Wundartzt mit S. T. [lhren] gehabt haben. – Cranz der jüngere tummelt ja jetzt seine Rozinante brav herum, und Dost ist sein Schildknapp. Ob aus unserm Dreyblatt bald ein Schriftsteller aufgehn wird? –
Ach wie glücklich war ich da ich mit Dir und Loos in Halle lebte; seit unsrer Trennung bin ich selten ganz froh gewesen, und jetzt hat sich fast alles bey mir verlohren was Munterkeit und Frohsinn heißt. Auch die Freuden der Freundschaft hab ich seit dem fast immer nur in Erinnerungen genießen können; denn bald nach meiner Ankunft in Danzig ging auch mein Bruder wieder nach Jena, wo er jetzt Doctor Medicinae geworden, und der leider, schwerlich zurückkommen wird. Sonach habe ich wenig Aussichten je in mein Leben wieder wahre Freuden zu genießen, denn Freunde jetzt noch suchen ist zu spät, und der Danziger Ton erzieht auch keine Freunde; wie angenehm muß mirs also seyn, dich so nahe zu wißen, und Hofnung zu haben einen recht raschen, lebhaften Briefwechsel mit Dir zu unterhalten. – Willst Du mir | eine Freude machen so sende mir Deinen Schattenriß, der neben Loos dann aufgehangen täglich mein Gesellschafter seyn soll. – Nun Adieu, mein Bester, mehreres sollst Du bald von mir hören; und wenn Du etwa mit dem faulen Loos in Correspondenz stehst, so grüß ihn und kündige ihm vor seine Saumseeligkeit von meinet wegen den Banstrahl an. Ich umarme Dich mit alter treuer Redlichkeit und bin mit ganzen Herzen
Dein treuer Freund und Bruder
Fr Duisburg.
N. S. Laß mir künftig den Kantor fort; es ist mir als bekomme ich Ohrfeigen wenn ich so was sehe und höre. Addreßire künftig Deine Briefe Im Poggenphul bey der St. Peters Kirche.
Vale mihique fave!!!
Mein bester, liebster Schleyermacher,
Hättest Du doch nur gesehn, mit welcher ungewöhnlichen Lebhaftigkeit ich aufsprang, als ich die ersten Zeilen des Briefes gelesen, und Dich, als den Urheber errieth. Wahrlich es war nicht Noth, mich erst an die herrlichen unvergeßlichen Spatziergänge, an die letzte Nacht, und an manches andere zu erinnern, um Dich zu verrathen. Nur zwey Freunde habe ich, die so an mich dencken, das bist Du und Loos; Loos seine Hand war es nicht, das zeigte mir gleich die Addreße, wer konnte es also seyn, der mich mit der alten, biedren Treue und Freundschaft nach langer Trennung wieder grüßte, als Du? – Nein, das hätte ich mir nicht träumen laßen, daß ich mit Dir so nahe wohnte; aber wohl uns, daß wir so nahe sind, wir wollen uns nun auch recht oft schreiben, unsern Bund verneuen, und unsern Briefwechsel so vertraulich machen, wie ehedem unsere Gespräche am Ufer der Saale waren. Gewiß wird das Schicksaal nicht hindern, daß wir uns bald mündlich einmal wieder sprechen, und uns, auf Tage, in vergangene Zeiten zurück versetzen. – Genauere Nachrichten von mir, sollst Du heute nicht von mir haben, denn das würde mich an mancherley beym Niederschreiben erinnern was mich wieder aus meiner frohen Laune herausstimmen würde in die mich Dein Brief versetzt hat, und ein Tag, wo uns ein alter Freund wieder grüßt, der muß ein Fest für uns seyn, das kein Mißmuth entheiligen darf. – Auch nicht ein Winck, Deines Briefes war für mich minutenlang räthselhaft, denn glühende Freundschaft commentirte ihn; und die commen|tirt richtiger als alle Holländer und was denen anhängt. Der Freund, der ehemals auch in Danzig nur hineingerochen, ist unser Loos; der andere unserer Bekannten, der jetzt in Leipzig seyn soll, ist Herr Catel. Wenn Du an letztem schreibst, so grüß ihn tausendmal von mir. Aber was macht Loos, wo ist er jetzt, und stehst Du mit ihm in näherer Verbindung? Es wird bald ein Jahr seyn, daß ich an ihn schrieb, aber seit dem hab ich keine Zeile von ihm erhalten; getroffen wird ihn [mein] Brief wohl haben; er war damals Hofmeister bey einem Herrn von Kessel. Was Du von ihm weißt, das tische mir doch recht sorgfältig auf; und wenn es auch nur Brodkrümchen wären, die Freundschaft nimmt sie doch für ein herrlich Gastmal. – Die hallischen Bären sind losgebunden; aber ob Prof. Mursinna’s Nähte geheilt sind, davon ist mir nichts zu Ohren gekommen; Plage genug mag der Wundartzt mit S. T. [lhren] gehabt haben. – Cranz der jüngere tummelt ja jetzt seine Rozinante brav herum, und Dost ist sein Schildknapp. Ob aus unserm Dreyblatt bald ein Schriftsteller aufgehn wird? –
Ach wie glücklich war ich da ich mit Dir und Loos in Halle lebte; seit unsrer Trennung bin ich selten ganz froh gewesen, und jetzt hat sich fast alles bey mir verlohren was Munterkeit und Frohsinn heißt. Auch die Freuden der Freundschaft hab ich seit dem fast immer nur in Erinnerungen genießen können; denn bald nach meiner Ankunft in Danzig ging auch mein Bruder wieder nach Jena, wo er jetzt Doctor Medicinae geworden, und der leider, schwerlich zurückkommen wird. Sonach habe ich wenig Aussichten je in mein Leben wieder wahre Freuden zu genießen, denn Freunde jetzt noch suchen ist zu spät, und der Danziger Ton erzieht auch keine Freunde; wie angenehm muß mirs also seyn, dich so nahe zu wißen, und Hofnung zu haben einen recht raschen, lebhaften Briefwechsel mit Dir zu unterhalten. – Willst Du mir | eine Freude machen so sende mir Deinen Schattenriß, der neben Loos dann aufgehangen täglich mein Gesellschafter seyn soll. – Nun Adieu, mein Bester, mehreres sollst Du bald von mir hören; und wenn Du etwa mit dem faulen Loos in Correspondenz stehst, so grüß ihn und kündige ihm vor seine Saumseeligkeit von meinet wegen den Banstrahl an. Ich umarme Dich mit alter treuer Redlichkeit und bin mit ganzen Herzen
Dein treuer Freund und Bruder
Fr Duisburg.
N. S. Laß mir künftig den Kantor fort; es ist mir als bekomme ich Ohrfeigen wenn ich so was sehe und höre. Addreßire künftig Deine Briefe Im Poggenphul bey der St. Peters Kirche.
Vale mihique fave!!!