d. 26 Juni 92.
[. . .] Sie verlangen von mir eine ausführliche Beurtheilung der beiden übersandten Predigten. Die wird dann nun aber wol zwei Abschnitte haben müßen – an sich selbst und mit Beziehung auf Ihre gegenwärtige Lage oder auf das Auditorium für welches Sie sie gehalten – und in Rükksicht auf Ihre vermuthliche künftige Bestimmung –, da Sie mein Urtheil verlangen über Ihre jezige Manier zu predigen, ehe Sie solche sich gar zu sehr angewöhnen. Freilich, wenn Sie auch in der Folge auf ein so gebildetes Auditorium dem größern oder auch nur einem sehr beträchtlichen Theile nach rechnen könnten: da würde die Frage sich leicht beantworten lassen. Ueber die etwas auffallende Länge Ihrer jezigen Predigten will ich nichts sagen, da Sie diese selbst eingestehen. Doch fand ich sie beim Lesen selbst gar nicht zu lang. [. . .] Allein ob Sie nun in Städten oder in Städtchen so leicht werden ein Auditorium finden, welches Aufmerksamkeit und auch wol Faßungskraft genug besizt, um dem Gange Ihrer Ideen zu folgen und so wirklichen Nuzen daraus zu ziehen, das getraue ich mich nicht zu bejahen. Sehr schön wäre es wol, wenn Sie den Vorsaz die Neujahrspredigt zu erweitern, die Ideen noch mehr zu entwikkeln, wirklich ausführten. An Kraft dazu fehlt es Ihnen wahrlich nicht, an Lust auch nicht, und so viel Muße ließe sich auch wol finden. Aber, Aber. So eben habe ich Ihre Predigt über Luc. 8,4 pp nochmals durchgelesen, und ich glaube vielleicht auch darin einen Grund zu dem Urtheil der Gräfin Friederike zu finden, weil Sie sich hier mehr an Ihren Text als bei der Neujahrs- oder Weihnachtspredigt gehalten, und es ist, däucht mir unleugbar daß bei Personen, die eine wahre Achtung und Ehrfurcht für die Bibel haben, durch einen solchen Vortrag die Erbauung mehr befördert, und auch bei gemeinen weniger aufgeklärten Christen viel mehr Nuzen gestiftet wird. Nach meinem unmaaßgeblichen Dafürhalten wäre es also wol am rathsamsten, wenn Sie mit diesen beiden Manieren zu predigen fortführen abzuwechseln, und sich an die erstere, die ein zu strengem Nachdenken gewöhntes Auditorium erfordert, nicht allzusehr gewöhnten.
[. . .] Sie verlangen von mir eine ausführliche Beurtheilung der beiden übersandten Predigten. Die wird dann nun aber wol zwei Abschnitte haben müßen – an sich selbst und mit Beziehung auf Ihre gegenwärtige Lage oder auf das Auditorium für welches Sie sie gehalten – und in Rükksicht auf Ihre vermuthliche künftige Bestimmung –, da Sie mein Urtheil verlangen über Ihre jezige Manier zu predigen, ehe Sie solche sich gar zu sehr angewöhnen. Freilich, wenn Sie auch in der Folge auf ein so gebildetes Auditorium dem größern oder auch nur einem sehr beträchtlichen Theile nach rechnen könnten: da würde die Frage sich leicht beantworten lassen. Ueber die etwas auffallende Länge Ihrer jezigen Predigten will ich nichts sagen, da Sie diese selbst eingestehen. Doch fand ich sie beim Lesen selbst gar nicht zu lang. [. . .] Allein ob Sie nun in Städten oder in Städtchen so leicht werden ein Auditorium finden, welches Aufmerksamkeit und auch wol Faßungskraft genug besizt, um dem Gange Ihrer Ideen zu folgen und so wirklichen Nuzen daraus zu ziehen, das getraue ich mich nicht zu bejahen. Sehr schön wäre es wol, wenn Sie den Vorsaz die Neujahrspredigt zu erweitern, die Ideen noch mehr zu entwikkeln, wirklich ausführten. An Kraft dazu fehlt es Ihnen wahrlich nicht, an Lust auch nicht, und so viel Muße ließe sich auch wol finden. Aber, Aber. So eben habe ich Ihre Predigt über Luc. 8,4 pp nochmals durchgelesen, und ich glaube vielleicht auch darin einen Grund zu dem Urtheil der Gräfin Friederike zu finden, weil Sie sich hier mehr an Ihren Text als bei der Neujahrs- oder Weihnachtspredigt gehalten, und es ist, däucht mir unleugbar daß bei Personen, die eine wahre Achtung und Ehrfurcht für die Bibel haben, durch einen solchen Vortrag die Erbauung mehr befördert, und auch bei gemeinen weniger aufgeklärten Christen viel mehr Nuzen gestiftet wird. Nach meinem unmaaßgeblichen Dafürhalten wäre es also wol am rathsamsten, wenn Sie mit diesen beiden Manieren zu predigen fortführen abzuwechseln, und sich an die erstere, die ein zu strengem Nachdenken gewöhntes Auditorium erfordert, nicht allzusehr gewöhnten.